Politics | SAD-Skandal

„Hier steht ein System dahinter“

SVP-Fraktionssprecher Gert Lanz über die Abhörungen, seine Rolle im SAD-Skandal und seine Überzeugung, dass diese Affäre personelle Konsequenzen mit sich ziehen muss.
Lanz, Gert
Foto: Privat
Salto.bz: Herr Lanz, Sie sind einer der wenigen Funktionsträger innerhalb der SVP, die sich nach den Enthüllungen im Buch „Freunde im Edelweiss“ öffentlich zu reden getrauen. Und sie fordern von der SVP-Führung klare Konsequenzen?
 
Gert Lanz: Wir müssen der Realität ins Auge schauen. Die Menschen sind ungeheuerlich verärgert, über die Dinge, die hier passiert sind. Die handelnden Personen haben mit ihrem Verhalten massiv der Partei geschadet und sie haben den Landeshauptmann bewusst an gepatzt. Ich denke, dass diese Leute sich selbst fragen müssen, was sie überhaupt noch in dieser Runde tun. Wenn ich einen Mannschaftskapitän habe und ich gegen diesen spiele, dann muss ich mich fragen, ob ich in der richtigen Mannschaft bin. Aber auch die Mannschaft, also die Partei selbst, muss sich fragen, ob sie überhaupt solche Leute in ihren Reihen haben will.
 
Sie sprechen hier vor allem Thomas Widmann, Christoph Perathoner und Martin Alber an?
 
Ich möchte die Diskussion nicht auf einzelne Namen eingrenzen. Denn man sieht, dass hinter diesen Machenschaften ein System stand und immer noch steht. In den vergangenen Tagen hat man von den verschiedensten Akteuren ja gehört, es war halt ein blödes Gerede. Fakt aber ist: Da ist ein System dahinter. Da ist eine Haltung dahinter. Es ist nicht so, dass wir telefonieren, und da rutscht dir halt einmal irgendwas heraus, was jedem passieren kann. Sondern hier wurde über Monate ein Ziel verfolgt. Das geht aus den Aussagen glasklar hervor. Beteiligt sind dabei mehrere Akteure. Und die Betroffenen wissen ganz genau, wer dabei war und wer nicht. Und wir wissen es auch.
Wenn ich einen Mannschaftskapitän habe und ich gegen diesen spiele, dann muss ich mich fragen, ob ich in der richtigen Mannschaft bin.
SVP-Obmann Philipp Achammer kennt seit fast einem Jahr diese Aussagen. Er hat es aber nicht für nötig gehalten, diese Dinge wirklich aufzudecken. Noch im Februar 2022 meint Achammer in einem Dolomiten-Interview: „Blödes Gerede gibt es immer“.
 
Es stimmt, wir haben das bereits vor rund einem Jahr in der Parteileitung besprochen. Damals war auch eine Aussprache zwischen Daniel Alfreider und Christoph Perathoner geplant, wo man gesagt hat: Was ist da los? Allein durch die Protokolle zu den Abhörungen wurde offenkundig, dass hier verdeckt gegen Daniel gearbeitet worden ist. Schon damals gab es das Angebot: Die Unterlagen einzusehen. Man hat das an der Parteispitze aber nicht ernst genommen, man hat das abgetan, ja das ist halt so ein Gerede…
 
 
 
Nachdem die Südtirolerinnen und Südtiroler die Audio-Ausschnitte inzwischen aber selbst gehört haben, dürfte klar sein, dass es weit mehr ist?
 
Hier muss ich Euch Autoren, ein Kompliment machen über die Art und Weise der Veröffentlichung. In dem Moment, wo die Leute wirklich die Originalmittschnitte hören, sagt jeder: „Nein, das kann es nicht sein“.
 
SVP-Obmann Philipp Achammer scheint das aber eindeutig anders zu sehen. Achammer schreibt in einer Aussendung, dass die Untersuchungskommission innerhalb er SVP bereits alles geklärt habe. Und dann wörtlich: „Neue Publikationen fügen hier keine weiteren Fakten hinzu“.
 
Diese Aussage kann ich überhaupt nicht verstehen. Vor allem ist mir nicht klar, wer diese Erkenntnisse hat oder gehabt haben soll. Denn bis zum Erscheinen des Buches, haben ganz viele innerhalb der SVP gesagt, nein sie wissen nichts, sie haben nie etwas gehört und auch nie etwas gesehen. Dabei kommt in dem Buch, zum ersten Mal die gesamte Systematik zum Vorschein mit der man gearbeitet hat. Es waren nicht einzelne Ereignisse, die zufällig zusammengekommen sind. Der einzige Zufall, den es in dieser ganzen Geschichte gibt, ist der Ingemar Gatterer mit seinem Ziel diese Millionenausschreibung zu gewinnen. Aber alles andere war geplant, um den Landeshauptmann zu schwächen. Um eine Regierung zusammenzubringen, in der Arno in die Minderheit gebracht werden kann. Die Aktionen waren klar in diese Richtung orientiert. Hier haben einige einfach ganz mies gespielt. Das muss aufgeklärt werden.
Es waren nicht einzelne Ereignisse, die zufällig zusammengekommen sind, sondern alles war geplant, um den Landeshauptmann zu schwächen.
Der Medienkoloss Athesia bläst hingegen seit Wochen zur Jagd auf den angeblichen Informanten. Auch dabei spielen der SVP-Parteiobmann und einige SVP-Bezirksobmänner willfährig mit?
 
Es ist mehr als nur merkwürdig, dass man in gewissen Kreisen heute mehr darüber diskutiert, wer die Abhördateien und die Dokumente weitergegeben hat, als über das, was diese Herren getan haben. Diese Art der Diskussion ist für mich völlig unverständlich. Hier wird die Rolle von Oper und Täter umgedreht.
 
Auch Ihre persönliche Rolle in der SAD-Affäre kann man je nach Standpunkt als Täter oder als Opfer sehen. Keine Angst, dass man jetzt sagt: Auch der Lanz soll zurücktreten?
 
Wenn man sagt, dass man alle, die irgendwie mit Ingemar Gatterer zu tun hatten, in den gleichen Topf werfen muss, dann kann ich das nur zur Kenntnis nehmen. Aber in diesem Fall müsste ich freiwillig und von allein gehen. Ich stand damals vor einer schwierigen Entscheidung: Kriege ich eine Lösung mit dem Verkauf meiner Immobilie hin oder geht mein Unternehmen in Konkurs? Mir war aber von Anfang an klar, sollte ich diesen Schritt machen, dann kann ich die Politik vergessen. Dann brauche ich nicht nur bei der Abstimmung über den Nahverkehr hinausgehen, sondern ich muss aus der Politik ausscheiden. Denn so viel Verständnis von einem Interessenkonflikt habe ich schon.
Es ist mehr als nur merkwürdig, dass man in gewissen Kreisen heute mehr darüber diskutiert, wer die Abhördateien und die Dokumente weitergegeben hat, als über das, was diese Herren getan haben.
Gatterer wollte den SVP-Fraktionssprecher mit einer Immobilienoperation „kaufen“?
 
Ja. Es geht um die Frage, warum habe ich überhaupt dieses Angebot bekommen? In welcher Art und Weise. Heute ist mir längst klar, dass es darum ging, mich in eine Situation zu bringen, wo ich entweder weg bin oder so kompromittiert bin, dass ich nicht mehr frei entscheiden kann. Das ist schon eine andere Dimension.
 
Man kann es auch als Versuch einer Bestechung sehen?
 
Ja. In diese Richtung ermittelt - meines Wissens - inzwischen auch die Staatsanwaltschaft Bozen.
 
 
 
Innerhalb der SVP gibt es eine mächtige Gruppe, die alles tut, damit diese Affäre unter den Dolomitenteppich gekehrt wird. Was wollen Sie dagegen tun?
 
Nein, das wird nicht gelingen. Hier muss es jetzt Konsequenzen geben. Das Thema muss intern nicht nur ausführlich besprochen werden, sondern wir müssen hier auch klare Akzente setzen. Die Leute sind verärgert und sie sind enttäuscht. Und das zu Recht. Wir haben jetzt vor uns auf dem Tisch Handlungen von Personen, die ein paar Jahre lang ein Ziel verfolgt haben - das sie dann Gottseidank nicht erreicht haben - mit Methoden, die mehr als nur fragwürdig sind. Da kann man nicht einfach so weiter tun, wie wenn nichts wäre. Das versteht doch jeder normale Mensch. Wenn ich heute draufkomme, dass ein Kollege von mir so über mich redet, dann werde ich beim nächsten Zusammenkommen sagen: „Das war’s und Schluss“.
 
Der Bozner SVP-Bezirksobmann Christoph Perathoner hat sich vor fünf Tagen für seine Aussagen entschuldigt und gleichzeitig erklärt, dass er bei den anstehenden SVP-Wahlen wieder für dieses Amt antreten werde. Das nennt man Chuzpe?
 
Das geht auf dieser Ebene nicht mehr. Denn es kann doch nicht sein, dass es mit einem feuchten Händedruck und einer Entschuldigung getan ist. Diese Leute sollen die Konsequenzen ziehen. Sie sollen sich entscheiden, die Partei zu verlassen. Dabei sagen diese Leute selbst: Wir stehen zu dem was wir in diesen Abhörungen gesagt haben. Dann frage ich mich: Was tun die noch da. Wenn ich in einer Firma arbeite und sage, der Chef der Firma ist der schlechteste Chef alles Zeiten, dann muss ich gehen. Oder? Es gibt in Südtirol einen Fachkräftemangel. Demnach können die sich einen Haufen Jobs suchen.
Es kann doch nicht sein, dass es mit einem feuchten Händedruck und einer Entschuldigung getan ist. Diese Leute sollen die Konsequenzen ziehen.
Innerhalb der SVP werden auch die Stimmen immer lauter, die jetzt eine Umbildung der Landesregierung fordern.
 
Die Entscheidung, was, wie und in welcher Reihenfolge zu tun ist, wird man in den nächsten Tagen besprechen. Ich gehe immer noch davon aus, dass die Betroffenen einlenken, sehen, dass sie hier zu weit gegangen sind, mit ihrem Verhalten der Partei geschadet haben und dementsprechend auch die Konsequenzen ziehen. Die Stärke der SVP war es immer, dass es eine Vielfalt in der Partei gab, dass man zwar gestritten hat, aber dann entschieden hat und gemeinsam an einem Strang gezogen hat. Dorthin müssen wir wieder zurückkommen. Früher war es auch so, dass sobald eine Entscheidung gefallen ist, hat man das auch durchgezogen. Auch das fehlt inzwischen total.

Sie haben eine klare und harte Meinung. Die Frage ist aber, ob Sie in der SVP-Fraktion eine Mehrheit für diese Gangart finden werden?
 
Die Fraktion entscheidet hier nicht direkt. Wir sind ein Teil der Parteileitung, in der erweiterten Parteileitung sitzen auch die Fraktionsmitglieder, aber diese Entscheidung gebührt den Parteigremien. Sprich Parteipräsidium, Parteileitung und Parteiausschuss. Wir in der Fraktion müssen aber operativ arbeiten. Deshalb frage ich mich schon, wie wir jetzt normal weiterarbeiten können, nachdem man weiß, was da alles vorgefallen ist. Auch wenn diese Leute, die diese Aktionen gesetzt haben, jetzt sagen, wir haben halt ein bisschen geredet, aber wir haben nichts Schlimmes getan. Hallo, Entschuldigung? Recht viel mehr aufführen, wie so, kann man wohl kaum mehr. Deshalb: Wir werden am Montag auf der Fraktionssitzung darüber reden müssen, wie wir weitermachen wollen. Denn so geht es nicht mehr. Dabei wird es mit einer Entschuldigung sicher nicht getan sein.