Renzi will Delrio loswerden
Ungleicher könnte ein Paar kaum sein. Ungestüm und hektisch der eine, besonnen und ausgeglichen der andere. Wo Matteo Renzi die Konfrontation sucht, setzt Graziano Delrio auf seine Fähigkeiten als Vermittler. Der Veränderungswut des jungen Premiers begegnet er mit Realitätssinn. Am Regiepult des Kabinetts ist Delrio als Staatssekretär eine ideale Besetzung. Als langjähriger Bürgermeister, Präsident des Gemeindenverbandes und ehemaliger Regionenminister verfügt der Arzt und Vater von neun Kindern über viel Erfahrung und Kompetenz in allen Belangen der öffentlichen Verwaltung. Neben dem frenetischen Premier wirkte Delrio stets als ruhender Pol, der sich mit Diskretion um die Lösung schwieriger Probleme kümmerte.
Aber offenbar sind die beiden doch zu verschieden. Glaubt man den Indiskretionen aus dem Chigi-Palast, sucht Renzi nach einer Möglichkeit, seinen Staatssekretär vom Schaltpult des Kabinetts zu verbannen. Zunächst legte er ihm nahe, bei den vorgezogenen Wahlen in Emilien für das Amt des Präsidenten der Region zu kandidieren. Doch der aus Reggio Emilia stammende Staatssekretär lehnte ab. Renzi ärgert, dass Delrio zu akribisch darüber wacht, dass keine Gesetze ohne finanzielle Absicherung genehmigt werden. Delrio wiederum nervt Renzis ständige Ankündigungspolitik. Bei mehreren Personalentscheidungen im Chigi-Palast sollen sich beide in die Haare gekommen sein.
Eine Entlassung will der Premier wegen des ungünstigen Medienechos vermeiden. Eine willkommene Gelegenheit, Delrio loszuwerden, könnte sich demnächst in Brüssel bieten. Wird Federica Mogherini zur außenpolitischen Beauftragten der EU ernannt, ist in Rom eine Regierungsumbildung fällig. Dann könnte Renzi seinen Staatssekretär ins Gesundheitsministerium abschieben oder ihn mit einem anderen Ressort betrauen. Das würde vor allem in der SVP betrauert, die den autonomiefreundlichen und kompetenten Graziano Delrio als wichtigsten römischen Ansprechpartner schätzt.