Arts | Atelierbesuch

Ein Kennenlernen mit Nobody

20 Überarbeitungen hat der „Niemand“ in der Auslage von Benno Simmas Atelier gebraucht. Denkt man dabei an jemand speziellen oder am Ende doch an niemand? Ein Besuch und eine Unterhaltung zum Niemand- und Jemand-Sein.
Nobody, Benno Simma
Foto: SALTO
  • Es sei ihm um den Ausdruck gegangen, gibt der Künstler gleich als erstes zu Protokoll. In der Nähe des kleinen Ateliers „tuttonix“ mit blickfangendem Fenster zur Cesare Battisti Straße, habe er in den Migranten-Gesichtern die Inspiration für das Bild gefunden. Auf der Instagram Seite des Künstlers lässt sich der Werdegang des nach 20 Anläufen bei seiner finalen Form angekommenen Bildes nachvollziehen, der Blick von „Nobody“ geht in ein spezielles Nichts. Er gebe seine Interpretation, unterstreicht BennoSimma, seinen Blick von außen auf die jungen Männer, die er als Vorbild für das seit letzter Woche fertige Bild vor Augen hatte.

  • Nobody: Das Gemälde darf ausnahmsweise ins Atelier „tuttonix“ statt auf die Straße nach draußen blicken. Foto: SALTO

    Von selbst erzählt der Künstler auch, dass man ihm vom letzter Woche fertiggestellten Werk eine Aufnahme bei geschlossenem Atelier, hinter Glas und Gitter, geschickt habe. Den Schnappschuss, hatten wir en passant selbst gemacht. „Das sieht aus, wie wenn er im Gefängnis wäre“, gibt der Künstler meinem Eindruck zum unbeabsichtigten Effekt nach „Ladenschluss“ recht. Was in gewisser Weise auch auf die Migranten zutreffe, die in der Gesellschaft zum Niemand gemacht würden. Wobei diejenigen Migranten, die Simma antreffe, etwa vor der nahen Dreiheilgen-Kirche oder in der Telser-Galerie, so gibt er zu bedenken, jene seien, die vergleichsweise wohlhabend sind. „Sie sind Händler, die verkaufen etwas.“ Es gebe aber auch jene, die nur mehr ins Smartphone blicken würden, oder ins Leere. Der Status des Niemand-Seins existiert in Abstufungen, es geht immer noch tiefer in die Verzweiflung, ein rechteckiger Widerschein im Auge bleibt vom nahen Bildschirm.

    Gibt es für den Künstler Hoffnung für die „Nobodies“ von der Straße? Kann aus Niemand Jemand werden? Beim Niemand sieht Simma das Problem weniger gegeben. „Oft wird gefragt, warum sie nicht arbeiten würden. Der Staat zwingt sie fast ein wenig zum Niemand sein, weil es auch mit Aufenthaltsgenehmigung sehr schwierig ist hier Arbeit zu finden.“ Zum Niemand werden viele auch schon unterwegs gemacht, etwa auch in Libyen entlang der nach Italien führenden Fluchtrouten. „Wenn einer immer unterwegs und nie angekommen ist, dann ist er ja nie eingebettet in eine Gesellschaft.“ Das hat etwas von Odyssee. „Wenn man etwas länger an einem Ort ist, also nicht als Tourist, dann merkt man erst so richtig, dass man von außen kommt.“, meint Benno Simma und dass man dafür auch nicht sehr weit weg müsse.

  • Jemand: Benno Simma und seine nächste Arbeit zur Catrina, einer der Figuren des traditionellen Día de los Muertos. Zur Inspiration liegt auch ein Band vom mexikanischen Karikaturisten José Guadalupe Posada bereit. Foto: SALTO
  • Ob ihm der Literaturnobelpreisträger Derek Walcott von St. Lucia ein Begriff sei, frage ich den Künstler zuletzt. Nein? Vielleicht ist er damit mit seiner Sentenz „either I'm nobody, or I'm a nation“ - aus dem Langgedicht The Schooner ‚Flight‘ - womit er die eigene (gemischte) Abstammung kommentiert, genau der richtige. Ein Niemand quasi. Am Ende ist, auch wenn „Nobody“ nur über seinen Blick mit uns spricht, eines klar gesagt: Jeder möchte jemand sein und auch Niemand nicht ein Nobody.