„Dann bauen wir eben in Mexiko City“
Herr Seeber, wie sehr trifft Sie die Entscheidung der Brixner gegen eine Seilbahn?
Sie trifft mich überhaupt nicht. Es ist halt ein potentieller Auftrag weniger, genauso wie in Meransen und überall, aber mein Gott. Ich fliege demnächst wieder nach Mexiko City, weil wir dort wahrscheinlich noch einen Auftrag bekommen – und hier sprechen wir von Aufträgen im Umfang von 30 Millionen Euro. In der Zwischenzeit machen wir in Südtirol überhaupt nur mehr drei Prozent unseres Umsatzes.
Ist das ein Problem?
Ich frage mich vor allem: Südtirol quo vadis? Die Windräder, die wir in Mals abbauen mussten, produzieren nun Strom in Süditalien und alle sind dort glücklich damit. Unsere 3MW-Testanlage produziert Gratis-Strom in der Nähe von Amsterdam, weil in Südtirol durften wir ja nicht. In Brixen sagt das Volk, die Seilbahn wird nicht gebaut, in Mühlbach ebenso. Das Windkraft-Projekt am Brenner liegt vor dem Staatsrat, weil ein Verwaltungsrichter in Bozen sich dagegen ausgesprochen hat, nachdem wir bereits eine Baugenehmigung hatten. Ich sehe das alles auch als Verantwortlicher eines Unternehmens, das in Südtirol 378 Leuten Beschäftigung gibt.
Und diese künftig nicht mehr geben kann?
Es liegt auf der Hand, dass wir hier immer mehr Leute abbauen müssen, wenn wir immer weniger Anteil unseres Gesamtgeschäftes in Südtirol und Italien machen. Zumindest werden das jene machen müssen, die in Zukunft das Unternehmen leiten werden.
"Es gibt mehrere junge Menschen in unserem Hause, die meinen, wir sollten jetzt mit Pauken und Trompeten abziehen. Aber ich habe halt noch diese Südtirol-Krankheit."
Also schleichender Abbau statt ein Abzug mit Pauken und Trompeten, wie Sie ihn schon öfters in Aussicht gestellt haben?
Es gibt mehrere junge Menschen in unserem Hause, die meinen, wir sollten jetzt mit Pauken und Trompeten abziehen. Aber ich habe halt noch diese Südtirol-Krankheit. Dennoch stellt sich auch mir die Frage, wie weit man am internationalen Markt kompetitiv sein kann, wenn man im eigenen Heimmarkt fast nichts mehr tut. Das einzige, was man hier eventuell noch abkriegt, ist die italienische Finanzkontrolle.
Wie stark haben Sie auf das Projekt in Brixen gezählt?
Es wäre ohnehin zu einer öffentlichen Ausschreibung gekommen, im Gegensatz zu dem, was so mancher Neidhammel vermutet hat. Das heißt, wir hätten ohnehin sehen müssen, ob wir gewonnen hätten. Aber natürlich hätten wir an der Ausschreibung teilgenommen, genauso wie in Meransen. Und je mehr Ausschreibungen es gibt, desto höher die Chancen auch etwas zu gewinnen.
In Brixen hat es auch die These gegeben, dass das Projekt deshalb durchgezogen werden soll, damit Sie ein Vorzeigeprojekt für den Überflug einer Altstadt im Alpenraum realisieren können. Auch weil das Land Ihnen noch etwas schuldig wäre.
Ich wüsste nicht was. Die Provinz ist zwar kein Schnellzahler, aber wir haben derzeit nichts zu tun mit dem Land. Was das Projekt betrifft, hätten wir es natürlich gerne gehabt. So wie auch der Ritten für uns von besonderem Interesse war, und wir deshalb in einer öffentlichen Ausschreibung darum gekämpft haben – bei der wir übrigens eine Million Euro billiger waren als die Konkurrenz. Wir bekommen hier Besuche aus aller Welt, und da ist es natürlich wichtig, dass man Projekte wie Seis oder Ritten herzeigen kann. Auf die Rittner Bahn sind so bereits mehrere ähnliche Aufträge in Frankreich gefolgt.
"Es liegt auf der Hand, dass wir hier immer mehr Leute abbauen müssen, wenn wir immer weniger Anteil unseres Gesamtgeschäftes in Südtirol und Italien machen. Zumindest werden das jene machen müssen, die in Zukunft das Unternehmen leiten werden."
Wären Sie in Brixen bereit gewesen, die fehlenden zehn Millionen Euro im Rahmen einer Private-Public-Partnership bereitzustellen?
Natürlich. Wir haben so etwas in Bozen gemacht und indirekt in Seis, wir haben in Hongkong, Pisa oder jetzt Mexiko City mitfinanziert – wo wir übrigens mit der Trasse nur über Dächer fahren.
Würden Sie sich bei Entscheidungen wie in Brixen oder Meransen wünschen, dass die Politik die Verantwortung übernimmt?
Ja. Denn sonst stellt sich irgendwann die Frage, wofür wir unsere Politiker wählen. Wofür haben wir einen Gemeinderat, einen Stadtrat, wenn die Bevölkerung solch wesentliche Entscheidungen trifft? Menschen, die vielfach überhaupt nichts mit der Sache zu tun haben oder nicht die nötigen Kompetenzen für solche Fragen haben. In Innsbruck gab es eine Bürgermeisterin Zach, die sie wegen der Nordkettenbahn fast zerrissen hätten. Doch sie hat das auf sich genommen und entschieden, und die Bahn ist gebaut worden. Fragen Sie heute mal in Innsbruck nach, wer gegen die Nordkettenbahn war. Da finden Sie niemanden mehr, nicht einmal die Grünen. Denn die Bahn funktioniert unglaublich gut und ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Wäre für Sie als Seilbahnbauer in Brixen ein anderer Standort interessant gewesen?
Als reiner Seilbahnbauer wäre ein Standort Milland genauso interessant gewesen wie der Standort Bahnhof. Das gilt allerdings nicht, sobald wir mitfinanziert hätten – was in Brixen aufgrund der fehlenden zehn Millionen Euro nötig gewesen wäre. Denn, wenn ich erst einen Zubringer brauche, rechnet sich die Sache einfach nicht. Die Bahn in Innsbruck funktioniert gerade deshalb so gut, weil die Leute zu Fuß von der Hofburg hinüber gehen können. Doch wie es der Bürgermeister von Mühlbach so schön gesagt hat: Die Gegner sollen nun auf den Tisch legen, woher das Geld für ihre Alternativen kommt.
Was die Volksbefragung angeht
Was die Volksbefragung angeht muss aber auch ein Herr Seeber die Meinung der Bürger akzeptieren, es geht nämlich um deren Geld! Aber man muss auch zugestehen, dass für gewisse Politiker Unternehmer einfach nur zum melken gut sind. Wundert mich, dass viele immer noch hier bleiben.
Jetzt kommt eine halbe
Jetzt kommt eine halbe Drohung Südtirol zu verlassen, weil zwei Aufträge durch die Lappen gegangen sind. Aber hier muss man Langfristig denken und sehen ob die Seilbahn das richtige ist und nicht einfach etwas bauen, weil man Angst hat, dass der Betrieb abzieht.
Das mit dem Standortwechsel ist auch nicht so einfach. Wo möchte er überhaupt hinziehen? Nach Mexico City? Wo will er dort die benötigten hochqualifizierten Facharbeiter und Ingenieure finden? Und warum zieht er nicht gleich nach China, dort kann er sich sein know-how aussaugen lassen um danach überall auf der Welt von einem chinesischen Konkurrenten unterboten zu werden.
Das was Herr Seeber von sich gibt wird noch lange nicht so heiss gegessen wie es gekocht wird.
@Mensch Ärgerdic...
Ich sehe es umgekehrt Unternehmer sehen Politikier mehr als Handlanger für die eigenen Interessen und nicht umgekehrt. Am meisten wird der einfache Angestellte durch die hohen Lohnnebenkosten gemolken.
In reply to Jetzt kommt eine halbe by gorgias
Ja das einige Unternehmer
Ja das einige Unternehmer durch den Freunden und Kollegen in Politikerkreisen fett absahnen will ich nicht bestreiten.
Was aber Standorte für Unternehmen angeht kann man in der ganzen EU, den USA und auch Mexiko besser arbeiten als bei uns wo "man zu Tode gesteuert" wird. Übrigens, es gibt auch in Mexiko Universitäten die Fachpersonal ausbilden, und im Notfall sogar Flugzeuge die einem von Europa dort hin bringen.
In reply to Ja das einige Unternehmer by Mensch Ärgerdi…
So einfach ist das auch
So einfach ist das auch wieder nicht. Außerdem möchte ich sehen wie leicht man Ingenieure findet die Bereit sind von hier nach Mexico zu "Pendeln". Auch ist immer die Frage zu stellen, wie gut das Fachpersonal ist und damit meine ich gut ausgebildete Facharbeiter. Und außerdem ist auch die Frage nach der unterschiedlichen Betriebskultur, Sprache usw. zu denken mit denen die Unternehmenspitze auch zu recht kommen muss.
Durch einen Standortswechsel würde auch eine gewisse Entfremdung entstehen und in Zukunft kann man sich Versuche von Seiten der Politik maßgeschneiderte Projekte wie eine 3S-Bahn zu Initieren ganz abschminken.
Das ist nicht so eine triviale Angelegenheit und mit den Erfahrungen die viele - vor allem mittelständische Betriebe - mit Standortwechsel gemacht haben ist das sicher nicht das Gelbe vom Ei.
Hier wird jetzt vor allem politischer Druck von Seiten dieses Betriebes ausgeübt.
Herr Seeber sollte für ihn
Herr Seeber sollte für ihn unangenehme Wahrheiten nicht verschweigen. In Innsbruck hat man dank der einsatzfreudigen Bürgermeisterin Hilde Zach nicht eine Seilbahn über die Köpfe der Bevölkerung, sondern eine landschaftlich wunderbar integrierte Standseilbahn gebaut. Die Planung war ausgezeichnet, die technische Ausführung weniger, wie die vielen Pannen zeigen.
Die Nörgglerfraktion scheint
Die Nörgglerfraktion scheint ihre Mehrheit in Brixen auszubauen, auch hier auf salto.
Ich denke ein Minimum an Respekt hätte sich Herr Seeber schon verdient. Einmal wäre ohne Unternehmer wie ihn Südtirol wirtschaftlich wohl um vieles ärmer, zum zweiten baut der Erfolg seines Unternehmen nicht (oder nur zu einem sehr geringen Anteil) auf Subventionen aus Südtirol auf, sondern auf erfolgreiches Wirtschaften und gute Ideen.
Dass bei solch innovativen Projekten wie der Hungerburgbahn technische Probleme auftreten ist wohl eher die Regel als die Ausnahme (das passiert ja immer noch bei jedem zweiten Aufzug). Die hat man aber doch gut in den Griff bekommen.
Da sollte sich schon mal die Politik mal fragen, was sie da mit dieser Volksbefragung geleistet hat (5 Jahre Streit, um dann eine so verkorkste Fragestellung hinzukriegen). Das ist wohl eher peinlich.
Es gibt Interviews: die mögen
Es gibt Interviews: die mögen gelingen oder nicht. Intanto, ist das Interview sowieso von der Firmenstartegie zu trennen. Ich persönlich bin aber für spektakuläre Seilbahnen von Leitner. Und für bessere Arbeitsverhältnisse bei Leitner.
Herr Seeber, ich muss
Herr Seeber, ich muss zugestehen, dass ich ihre Firma den allerhöchsten Respekt erweise und ich sehr wohl stolz bin, dass Sie den Südtirolern nicht so schnell den Rücken kehren. Allerdings habe ich meinerseits etwas anzumerken: Aussagen zufolge von "Freunden" bzw. Angestellten von Ihnen, wurde erzählt, dass ihre Firma auf Wählerstimmen plädierte um ein JA für die Seilbahn vom Bahnhof von Brixen zur Plose zu erzielen. Ich frage mich nun deshalb,,,, waren Sie etwa (bzw. ihre Firma) einer der "heimlichen" Investoren, um die sogenannten viel zitierten Arbeitsplätze zu schaffen? Wie sie schon zuvor anmerkten, hätte ein solcher Auftrag nicht nur Italienweit sondern auch Europaweit ausgeschrieben werden sollen. Ich finde es allerdings sehr unfair, dass "freie Meinungsäusserungen" als ignorant und falsch abgetan werden. Die Mehrheit der Brixner hat sich trotz der massiven Anfeindungen und trotz der immensen Werbung gegen eine Seilbahn vom Bahnhof entschieden, da viele Aspekte einfach nicht und ungenügend geklärt worden sind. Ihnen die Schuld des "Mordes an der Plose" zuzuschieben finde ich einfach nur wiederwärtig!
In reply to Herr Seeber, ich muss by angi angi
Liebe/r Angi,
Liebe/r Angi,
du hast die Hintergründe ganz gut verstanden...
Kompliment für das Interview.
Kompliment für das Interview. Auch die Überetscher Bahn wäre eine gute Gelegenheit für eine Aufwertung des Gebietes und die Umsetzung einer innovativen und vorzeigbaren Verkehrslösung. Hoffentlich wird überall an guten Lösungen weitergearbeitet, die nachhaltig, konsensfähig und finanzierbar sind.
Kompliment für das Interview.
Kompliment für das Interview. Auch die Überetscher Bahn wäre eine gute Gelegenheit für eine Aufwertung des Gebietes und die Umsetzung einer innovativen und vorzeigbaren Verkehrslösung. Hoffentlich wird überall an guten Lösungen weitergearbeitet, die nachhaltig, konsensfähig und finanzierbar sind.