Wirtschaft | Plose

„Dann bauen wir eben in Mexiko City“

Versenkte Windkraftprojekte, abgeschossene Seilbahnen: Südtirol quo vadis, fragt der Unternehmer Michl Seeber. Und wohin geht der Sterzinger Seilbahnbauer?

Herr Seeber, wie sehr trifft Sie die Entscheidung der Brixner gegen eine Seilbahn? 
Sie trifft mich überhaupt nicht. Es ist halt ein potentieller Auftrag weniger, genauso wie in Meransen und überall, aber mein Gott. Ich fliege demnächst wieder nach Mexiko City, weil wir dort wahrscheinlich noch einen Auftrag bekommen – und hier sprechen wir von Aufträgen im Umfang von 30 Millionen Euro. In der Zwischenzeit machen wir in Südtirol überhaupt nur mehr drei Prozent unseres Umsatzes.

Ist das ein Problem?
Ich frage mich vor allem: Südtirol quo vadis? Die Windräder, die wir in Mals abbauen mussten, produzieren nun Strom in Süditalien und alle sind dort glücklich damit. Unsere 3MW-Testanlage produziert Gratis-Strom in der Nähe von Amsterdam, weil in Südtirol durften wir ja nicht. In Brixen sagt das Volk, die Seilbahn wird nicht gebaut, in Mühlbach ebenso. Das Windkraft-Projekt am Brenner liegt vor dem Staatsrat, weil ein Verwaltungsrichter in Bozen sich dagegen ausgesprochen hat, nachdem wir bereits eine Baugenehmigung hatten. Ich sehe das alles auch als Verantwortlicher eines Unternehmens, das in Südtirol 378 Leuten Beschäftigung gibt.

Und diese künftig nicht mehr geben kann?
Es liegt auf der Hand, dass wir hier immer mehr Leute abbauen müssen, wenn wir immer weniger Anteil unseres Gesamtgeschäftes in Südtirol und Italien machen. Zumindest werden das jene machen müssen, die in Zukunft das Unternehmen leiten werden.

"Es gibt mehrere junge Menschen in unserem Hause, die meinen, wir sollten jetzt mit Pauken und Trompeten abziehen. Aber ich habe halt noch diese Südtirol-Krankheit."

Also schleichender Abbau statt ein Abzug mit Pauken und Trompeten, wie Sie ihn schon öfters in Aussicht gestellt haben?
Es gibt mehrere junge Menschen in unserem Hause, die meinen, wir sollten jetzt mit Pauken und Trompeten abziehen. Aber ich habe halt noch diese Südtirol-Krankheit. Dennoch stellt sich auch mir die Frage, wie weit man am internationalen Markt kompetitiv sein kann, wenn man im eigenen Heimmarkt fast nichts mehr tut. Das einzige, was man hier eventuell noch abkriegt, ist die italienische Finanzkontrolle.

Wie stark haben Sie auf das Projekt in Brixen gezählt?
Es wäre ohnehin zu einer öffentlichen Ausschreibung gekommen, im Gegensatz zu dem, was so mancher Neidhammel vermutet hat. Das heißt, wir hätten ohnehin sehen müssen, ob wir gewonnen hätten. Aber natürlich hätten wir an der Ausschreibung teilgenommen, genauso wie in Meransen. Und je mehr Ausschreibungen es gibt, desto höher die Chancen auch etwas zu gewinnen.

In Brixen hat es auch die These gegeben, dass das Projekt deshalb durchgezogen werden soll, damit Sie ein Vorzeigeprojekt für den Überflug einer Altstadt im Alpenraum realisieren können. Auch weil das Land Ihnen noch etwas schuldig wäre.
Ich wüsste nicht was. Die Provinz ist zwar kein Schnellzahler, aber wir haben derzeit nichts zu tun mit dem Land. Was das Projekt betrifft, hätten wir es natürlich gerne gehabt. So wie auch der Ritten für uns von besonderem Interesse war, und wir deshalb in einer öffentlichen Ausschreibung darum gekämpft haben – bei der wir übrigens eine Million Euro billiger waren als die Konkurrenz. Wir bekommen hier Besuche aus aller Welt, und da ist es natürlich wichtig, dass man Projekte wie Seis oder Ritten herzeigen kann. Auf die Rittner Bahn sind so bereits mehrere ähnliche Aufträge in Frankreich gefolgt.

"Es liegt auf der Hand, dass wir hier immer mehr Leute abbauen müssen, wenn wir immer weniger Anteil unseres Gesamtgeschäftes in Südtirol und Italien machen. Zumindest werden das jene machen müssen, die in Zukunft das Unternehmen leiten werden."

Wären Sie in Brixen bereit gewesen, die fehlenden zehn Millionen Euro im Rahmen einer Private-Public-Partnership bereitzustellen?
Natürlich. Wir haben so etwas in Bozen gemacht und indirekt in Seis, wir haben in Hongkong, Pisa oder jetzt Mexiko City mitfinanziert – wo wir übrigens mit der Trasse nur über Dächer fahren.

Würden Sie sich bei Entscheidungen wie in Brixen oder Meransen wünschen, dass die Politik die Verantwortung übernimmt?
Ja. Denn sonst stellt sich irgendwann die Frage, wofür wir unsere Politiker wählen. Wofür haben wir einen Gemeinderat, einen Stadtrat, wenn die Bevölkerung solch wesentliche Entscheidungen trifft? Menschen, die vielfach überhaupt nichts mit der Sache zu tun haben oder nicht die nötigen Kompetenzen für solche Fragen haben. In Innsbruck gab es eine Bürgermeisterin Zach, die sie wegen der Nordkettenbahn fast zerrissen hätten. Doch sie hat das auf sich genommen und entschieden, und die Bahn ist gebaut worden. Fragen Sie heute mal in Innsbruck nach, wer gegen die Nordkettenbahn war. Da finden Sie niemanden mehr, nicht einmal die Grünen. Denn die Bahn funktioniert unglaublich gut und ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Wäre für Sie als Seilbahnbauer in Brixen ein anderer Standort interessant gewesen? 
Als reiner Seilbahnbauer wäre ein Standort Milland genauso interessant gewesen wie der Standort Bahnhof. Das gilt allerdings nicht, sobald wir mitfinanziert hätten – was in Brixen aufgrund der fehlenden zehn Millionen Euro nötig gewesen wäre. Denn, wenn ich erst einen Zubringer brauche, rechnet sich die Sache einfach nicht. Die Bahn in Innsbruck funktioniert gerade deshalb so gut, weil die Leute zu Fuß von der Hofburg hinüber gehen können. Doch wie es der Bürgermeister von Mühlbach so schön gesagt hat: Die Gegner sollen nun auf den Tisch legen, woher das Geld für ihre Alternativen kommt.