Environment | Wo Geiz geil ist

Ein paar Tropfen Wasser

Wasser ist ein Menschenrecht: Slowenien hat dem Recht auf Trinkwasser Verfassungsrang gegeben – die Flüsse Whanganui, Ganges und Yamuna sind juristische Personen.
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Glas Wasser
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

Ich bin ein bisschen spät dran, ich weiß, der Internationale Tag des Wassers (auch: Weltwassertag), liegt schon wieder hinter uns (wie doch die Zeit verfliegt), ist seit ein paar Tagen Vergangenheit, aber egal, ich möchte trotzdem die Gelegenheit nutzen, um ein, zwei Gedanken zu diesem schönen Thema loszuwerden.

Wo fange ich jetzt an? Vielleicht bei einem kleinen Utensil, das ich seit einem Weilchen besitze, nämlich einer Trinkflasche aus Glas, so schlicht wie schön, und es macht mich immer wieder fassungslos, wenn ich merke, welch nachhaltige, reine Freude mir dieses an und für sich so simple Utensil bereitet, auch jetzt noch, wo ich es doch schon seit längerer Zeit, und dauernd, nutze. Denn ich gehe nirgendwo mehr hin, ohne diese meine Trinkflasche aus Glas, und sie macht mich nicht nur froh (das ist durchaus wörtlich gemeint), sondern auch völlig unabhängig – denn Wasserhähne und/oder Brunnen gibt es überall. Ohne meine Trinkflasche aus Glas wäre ich übrigens wohl an so manchem unscheinbaren Brunnen achtlos vorüber gelaufen, hätte dessen schlichte Schönheit – und Großzügigkeit – nie kennen gelernt. Das wäre schade gewesen.

Da fällt mir ein: Als meine Tochter und ich vor mittlerweile mehreren Jahren auf unserer großen Wanderschaft durch halb Italien liefen, bemerkte ich – zum ersten Mal in meinem Leben, glaube ich, hier im mittleren Europa zumal - Menschen, die mit großen Kanistern durch die Gegend liefen. Die ersten dieser eigentümlich Bewegten waren mir aufgefallen an einem nebligen Tage, wir waren gerade dabei, die Pianura Padana hinter uns zu lassen, und ich weiß noch, wie ich mir dachte, dass sie irgendwie sinister aussahen, diese Menschen, mit ihren Kanistern, in diesem Nebel, und wunderte mich sehr. Bald aber erkannte ich, dass sie in Wahrheit einer sehr ursprünglich-menschlichen Tätigkeit nachgingen, nämlich an einem öffentlichen, gemeinschaftlichen Brunnen Trinkwasser holen, und nein, dieses öffentliche Wasserholen war keineswegs der ländlichen oder „einfachen“ Bevölkerung vorbehalten: Es schien etwas völlig Normales, und wir waren wohl die einzigen, die sich wunderten, ja haben denn diese Leute kein fließendes Trinkwasser im Haus? Nein, hatten sie offenbar nicht, trotz sichtlich gehobenen Lebensstandards. Seither verstehe ich die Freude, die meine italienischen Gäste befällt, wenn sie erfahren, dass sie unser schönes Bergwasser aus jedem beliebigen Hahn, im Haus und außerhalb, zapfen können.

Gleich danach fällt mir aber ein, wie misstrauisch-mürrisch-schräg angeschaut wird, und bestenfalls das Image des Geizhalses ertragen muss, wer im Restaurant oder auch nur im Gasthaus um "schlichtes" Leitungswasser bittet. Um genau zu sein, traue ich mich gar nicht, danach zu fragen, und akzeptiere klaglos die Flasche mit Allerwelts-Etikett, die auf den Tisch gestellt wird, denn wehe, ich wagte zu sagen, nein, kein Wasser bitte, nur Wein, denn Wasser habe ich immer bei mir. Welche Auswüchse, wirtschaftlicher oder marketingtechnischer Natur, stehen denn eigentlich hinter dieser unsinnigen bis sterilen Praxis? Wie gern denke ich dagegen an Esslokale in Südfrankreich, wo die Wasserflaschen auf den Gästetischen kein Etikett tragen und in der schönsten denkbaren Form daher kommen, nämlich im Re- bzw. Upcyclingmodus, und also in alten, teils sehr alten Flaschen, die einst, in ihrem ersten Leben, schöne Brände oder Liköre in ihren Bäuchen und Hälsen gelagert hatten. Wobei gesagt sein darf: Frisches Wasser ist sowieso kein minderer Luxus, verdient sogar allerhöchste Aufmerksamkeit und Wertschätzung. In welchem Sinne ich denn auch die südfranzösischen Tafelwasserbräuche richtig sexy fand.

Wie albern dagegen die eingebildeten Allerwelts-Mineralwässer, mit oder ohne Gas?, auf den heimischen Restaurant- und Gasthaustischen.

Zum Thema „Aufmerksamkeit und Wertschätzung“ fällt mir übrigens gerade eine sehr schöne Aktion aus Hamburg ein, von der ich auf „utopia“ gelesen hatte: Sie heißt „Refill Hamburg" und „erstellt eine Karte mit allen Orten, an denen man in Hamburg kostenlos Leitungswasser bekommt. Aufkleber zeigen außerdem vor Ort, welche Geschäfte sich beteiligen.“ Bei solchen Gelegenheiten komme ich immer nicht umhin, mir vorzustellen, so etwas Innovatives hätten wir uns ausgedacht: Wie schön wäre das denn.

Und was für eine Botschaft an den Herrn Chef von Nestlé, der da meint (nein, das ist kein Witz!), der Zugang zu Trinkwasser habe kein öffentliches Recht zu sein.

Ah ja, und weil ich schon mal beim Träumen bin, stelle ich mir doch grad noch vor, was wohl geschähe, wenn wir, also wir hier in Südtirol, mal den ganz großen Wurf wagten, und Plastikflaschenwasser von Südtiroler Grund und Boden verdammen würden, rigoros und konsequent, nach dem Motto der Hamburger („Habe deine Trinkflasche dabei! Trink genug Wasser! Lebe gesund! Schütze unsere Umwelt! Spare Geld!“), nur ein bisschen größer, im Südtirol-Modus. Da würde so manche Supermarkt-Wand plötzlich ganz schön leer dastehen, was auch wieder zu denken geben sollte, oder leben wir etwa nicht einem Land, in dem gutes Wasser nun wahrlich keine Mangelware ist? Und es kaum einen Berg oder Hügel gibt, auf dem nicht früher oder später mindestens ein kristallklares Bächlein daher spränge?

Nicht zuletzt fällt mir noch ein, dass in meinem Heimatdorf ein kleiner Wasserkrieg tobt (dass das so bald schon losgehen würde, mit den prognostizierten Kriegen um Wasser, und auch noch hierzulande, das hätte ich mir selbst in meinen schlimmsten Träumen nicht auszudenken gewagt), in dem sich zwei Skiliftbetreiber um das kostbare Gut streiten, denn die Konzession hat die eine Liftgesellschaft inne, und sie bestimmt darüber, ob die andere daran teilhaben darf, weshalb ich mich frage, ob so eine Wasserkonzession womöglich schon alleweil eine Form der Privatisierung von Wasser ist, und ob die Verteilung des Wassers zum Zwecke der Skipisten-Beschneiung nicht besser sollte genossenschaftlich geregelt werden? Wobei sich beim Stichwort Skipisten-Beschneiung mir auch gleich die Frage vor den Horizont stellt, ob so ein Liter Skipisten-Wasser gleich viel bzw. wenig kostet wie ein Liter Trinkwasser, und falls ja, ob das gerecht wäre? Denn ich finde schon: Trinkwasser ist eine Sache. Trinkwasser, das auf Skipisten landet, eine andere.

Wie gesagt also: „Der Weltwassertag findet seit 1993 jedes Jahr am 22. März statt, und hat seit seiner ersten Ausführung erheblich an Bedeutung gewonnen." (Wikipedia) Und es deutet vieles darauf hin, dass er das auch weiterhin tun wird, wahrscheinlich eher rasch.  

Manchmal, finde ich, ist Geiz eben doch geil.