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"CLIL macht aus jedem einen besseren Lehrer"

Ist der Sachunterricht in der Zweit- und Fremdsprache in Südtirol tatsächlich im Aufwind? Zahlen und Fakten zu einer kontrovers diskutierten Unterrichtsmethode.

Renata Zanin ist ein Fan von CLIL (Content and Language Integrated Learning), dem bilingualen Sachfachunterricht, wie er in der Wissenschaftssprache heißt: „Dass Sachfächer in einer anderen als der üblichen Unterrichtssprache vermittelt werden, ist sowohl für die Schüler als auch für die Lehrer eine große Herausforderung, aber auch eine Bereicherung“, sagt die Dozentin, die die CLIL-Fachausbildung an der Universität Bozen koordiniert. Oder besser: koordiniert hat. Denn vorerst bleibt der berufsbegleitende CLIL-Kurs (500 Stunden), erstmals angeboten im akademischen Jahr 2014/2015 am Standort Brixen, eine Eintagsfliege: 15 Lehrer haben die Ausbildung vor wenigen Wochen abgeschlossen, an eine Neuauflage wird derzeit nicht gedacht. 

Warum setzt die Universität Bozen diesen Kurs nicht fort, Frau Zanin?

Es besteht momentan nicht genügend Interesse an einer universitären CLIL-Ausbildung. Eine Fortsetzung wäre angesichts des riesigen  Aufwandes und der geringen Zahl an Anmeldungen nicht gerechtfertigt. Wir haben sogar gemeinsam mit den Euregio-Partneruniversitäen Trient und Innsbruck in unzähligen Treffen einen berufsbegleitenden Fortbildungsmasterkurs zu 1.500 Stunden entworfen, der vorerst als Projekt in der Schublade bleibt. 

Aber die Landesregierung hat doch erst kürzlich beschlossen, das CLIL-Pilotprojekt an den deutschen Oberschulen auszudehnen. CLIL soll künftig bereits ab der 2. Klasse möglich sein.

Richtig. Aber die Lehrer, die hier eingesetzt werden, absolvieren ihre CLIL-Ausbildung im Rahmen von Fortbildungskursen, die die Schulämter anbietet. Diese Kurse umfassen 150 Stunden, sind also zeitlich weit weniger anspruchsvoll.

Das heißt, die CLIL-Ausbildung in Südtirol findet bis auf weiteres außerhalb der Uni statt?

Ja. Man muss aber sagen, dass das Land für diese Fortbildung größtenteils dieselben Dozenten verpflichtet hat, die auch bei uns in Brixen unterrichtet haben. Generell hinkt in Italien die akademische Ausbildung im Bereich des bilingualen Sachfachunterrichts etwas hinterher. CLIL wurde den Schulen 2010 vom Unterrichtsministerium sozusagen aus heiterem Himmel verordnet und musste umgesetzt werden, ohne dass es dafür genügend Lehrer mit einschlägiger Ausbildung gab. Es ist ja in Italien nicht einmal möglich, ein Zwei-Fächer-Studium zu absolvieren, also ein Sprachstudium mit einem Fachstudium zu kombinieren. Wer zum Beispiel in Österreich oder Deutschland Englisch und Biologie studiert hat, bringt weitaus bessere Voraussetzungen für den CLIL-Unterricht mit als jemand, der Biologie studiert hat und sich die Kompetenz im Englischen erst aneignen muss.

Wer unterrichtet eigentlich in Südtirol nach der CLIL-Methode? Sind das Zweit- bzw. Fremdsprachenlehrer oder sind es Fachlehrer? Anders gefragt: unterrichtet beispielweise an der deutschen Schule der Italienisch-Lehrer Naturkunde oder unterrichtet der Naturkunde-Lehrer auf Italienisch?

Den bilingualen Sachfachunterricht halten Fachlehrer ab, also der Naturkunde-Lehrer unterrichtet auf Italienisch, um bei Ihrem Beispiel zu bleiben.

Das bedeutet, CLIL wird nicht von Muttersprachlern unterrichtet, sondern von Lehrern, die sich die Zweit- oder Fremdsprache selber erst aneignen mussten.

Ja. Der Vorteil dabei ist, dass diese Lehrer empfänglicher sind für die sprachlichen Probleme ihrer Schüler, weil sie das Erlernen der Sprache gleichsam am eigenen Leib erlebt haben.

Sie wollen damit sagen, der Lehrer aus unserem Beispiel stellt sich nicht vor die Schüler hin und redet in seiner Muttersprache Italienisch drauflos, sondern er weiß, was es heißt, Italienisch zu lernen?

Wir hatten in unserem Kurs an der Uni eine italienischsprachige Lehrerin, die nach der CLIL-Methode Philosophie auf Deutsch unterrichtet. Natürlich ist ihre Deutsch nicht akzentfrei, aber sie machte folgende Erfahrung: Während die Klasse im Deutsch-Unterricht mit der Deutsch-Lehrerin kaum einen Satz auf Deutsch herausbrachte aus Angst, sich zu blamieren, redeten die Schüler mit ihr plötzlich im Philosophie-Unterricht Deutsch, weil allen klar war: keiner in diesem Raum spricht perfektes Deutsch, also kann man auch mal einen Fehler riskieren. Es war plötzlich Lust da, die Sprache zu lernen und auch zu verwenden.

Worin liegt eigentlich der Unterschied zwischen CLIL und Immersion?

Jeder kann in Südtirol die Schule der anderen Sprachgruppe besuchen, wenn er will. Das ist Immersion. CLIL ist eine Form des Unterrichts, die die Zentralität der Sprache erkennt und anerkennt. Man nennt das in der Fachsprache sprachsensiblen Unterricht. 

Kann man sagen, Immersion ist die radikalere Variante?

Sagen wir es so: Immersion nimmt weniger Rücksicht auf die Lernenden als die CLIL-Methode, die eine stark kompetenzorientierte Methode ist. Der Lehrer sagt vor der Stunde zu den Schülern: am Ende dieser Unterrichtseinheit könnt ihr das und das. Den Schülern ist also in jedem Augenblick klar, um welche fachlichen und sprachlichen Inhalte es geht.

Welches sind denn nun die Vorteile des CLIL-Unterrichts für den Schüler?

Zur Wirksamkeit wird derzeit noch intensiv geforscht. Allgemein kann man sagen, dass CLIL die Aufnahmefähigkeit der Schüler fördert, ihren Wortschatz erweitert, ihre Fähigkeit steigert, Wörter und Wertverbindungen korrekt zu verewenden, und dafür sorgt, dass sie fließender sprechen. Kompetenzen wie Syntax und Schreibfähigkeit profitieren hingegen weniger von CLIL.

Und was bringt CLIL dem Lehrer?

CLIL macht aus jedem Lehrer einen besseren Lehrer. Die CLIL-Methode ist handlungs- und schülerorientiert. Sie macht endlich Schluss mit Frontalunterricht und stärkt die europäische Dimension von Erziehung und Ausbildung. Ich bin eine absolute Befürworterin dieser Ausbildung, denn im Grunde ist heute jeder Lehrer in Südtirol in einer CLIL-Situation.

Wie meinen Sie das?

Jeder Lehrer hat heutzutage Schüler in seiner Klasse, für die die Unterrichtssprache nicht die Muttersprache ist. Da kann der CLIL-Ansatz sehr gute Dienste leisten.

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Salto User
Sepp.Bacher Fri, 02/26/2016 - 17:10

An der UNI Bozen wird ja schon seit vielen Jahren in drei Sprachen unterrichtet bzw. doziert. Jeder Professor oder Dozent trägt in seiner Muttersprache vor - wenn ich richtig informiert bin? Gibt es keine Forschung dazu, wie gut die Südtiroler Student/inn/en dabei die jeweilige Sprache erlernen? Müssen die Studenten dann auch in der Sprache des Professors die Prüfung ablegen?

Fri, 02/26/2016 - 17:10 Permalink