Einen Berg versetzen
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Emanuele Masi, der für das Wachstum und die breite Anerkennung des Festivals in den letzten zehn Jahren ein konstanter Faktor war, hat sich entschlossen, die künstlerische Leitung abzugeben - nach einer Ausschreibung, der mehr als 50 internationale Bewerbungen gefolgt waren, von denen neun in die engere Auswahl kamen.
Unter diesen Finalist:innen fanden sich auch mehrere künstlerische „Tandems“, wie auch das schlussendlich für die Stiftung Haydn überzeugende von Olivier Dubois und Anouk Aspisi, die ihre „komplementären Talente und geteilte Leidenschaft“ unterstreichen. Tatsächlich sind die beiden in der Welt des Tanzes bekannten Namen auch in Bozen schon vielfach anzutreffen gewesen.
Dubois war bereits in seiner Zeit als Tänzer, bevor er sich als Choreograph einen Namen machen konnte, Gast beim mit heuer 40 Jahre alten Festival. Zuletzt zeichnete er für die ausverkaufte, in Zusammenarbeit mit dem Haydn-Orchester realisierte Uraufführung von „Sacre #3 - For Gods Only“ verantwortlich. Das Solostück für Marie-Agnès Gillot zu Stravinskys Le Sacre du Printemps erntete am Mittwochabend im Bozner Stadttheater lebhaften und andauernden Applaus.
In der Gegenwart angekommen und mit Blick nach vorne gerichtet, hofft man seitens der Stiftung Haydn, dass das „eng mit der Stadt verbundene Festival“ weiterhin wachsen wird und einen „noch internationaleren Touch“ erhalten soll. Dem Choreographen, Tänzer und Leiter der „Companie Olivier Dubois“ (COD) und der Kulturmanagerin Anouk Aspisi ist es wichtig, sich nicht nur aus der Ferne in den nächsten drei Jahren um das Festival zu kümmern, sondern „so viel wie möglich in der Region präsent zu sein. Dubois unterstreicht, wie wichtig es ihm sei „mit den Leuten hier in Kontakt zu treten“ und erinnert sich daran, mit Flüchtlingen im Dialog bereits auch im Hotel Alpi gewesen zu sein.
Was den künstlerischen Output Dubois selbst anbelangt, so dürfte „Sacre #3 - For Gods Only“ das vorerst letzte Projekt Dubois sein, das in Bozen zur Aufführung kommt. Dubois, der bemüht ist keine Namen zu nennen, weist darauf hin, dass es zwar durchaus vorkomme, dass eine künstlerische Leitung etwa in Frankreich, die eigene Choreographie oder Darbietung als Teil eines Festivalprogramms setzt, ihm dies aber stets missfallen habe. Sich selbst will Dubois also in der Programmsetzung ausnehmen, lässt aber einen kleinen Hoffnungsschimmer für seine Fans in Form eines „großen Vielleicht“offen: Der künstlerische (Co-)Leiter könne sich vorstellen, zu Ende der Dreijahres-Trilogie „eine Sache zu machen“. Klar sei ihm auch, dass die Programmarbeit ein „echter Beruf ist, den es zu machen gilt“.
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Da auch Anouk Aspisi, die Anfang diesen Jahres für 20 Monate als Beraterin des französischen Kulturkabinetts tätig war ihrem Land verbunden ist, richtet die Stiftung präventiv die provokante Frage, ob man sich vor einer „französichen Kolonie fürchten“ müsse, präventiv an das kreative Zweigespann. Für Aspisi ist Tanz - und man betont das Tanz-Festival nicht durch eine Hybridisierung aufweichen zu wollen - die Kunst der Beziehung. Publikum und Tänzer miteinander zu verbinden und auch die Unterstützung von national zu wenig geförderten italienischen Produktionen seien „der Grund, warum wir hier sind“. Olivier Dubois zeigt sich demütig und erkennt an, welchen besonderen Stellenwert der Tanz in der französischen Kulturförderung einnimmt, ein Faktor, der auch wiederum dafür sorgt, dass viele internationale Projekte in Frankreich umgesetzt werden.
Beide, Olivier Dubois und Anouk Aspisi betonen, sich gleichermaßen um die Programmgestaltung kümmern zu wollen. Das Duo will nicht dass bei ihren „komplementären Talenten“ der Eindruck entstünde, dass sich einer um das Kreative und einer um das Finanzielle kümmere. Dubois betont indes die Herausforderung eines „Budgets“ zu lieben. Man wisse oft, man könne Berge versetzen, die Frage laute dann nur „wie“. Man wisse, mit großen Festivals wie der Tanz-Biennale in Venedig nicht mithalten zu können, was die Dimensionen anbelangt. Es gelte „anders und speziell“ zu sein und Spaß zu haben. Bolzano Danza Tanz Bozen verfüge zwar nicht über eine eigene Kompanie, die Auftragswerke tanzen könne, dafür aber über ein anderes, ebenso großes Plus: Das Haydn-Orchester, deren Darbietung der Sacre du Printemps den meisten Journalistinnen und Journalisten im Ohr geblieben sein dürfte und auch die aus Norden und Süden weiter angereisten Kollegen im Glashaus überzeugen konnte.