Renzi bestimmt Südtirol-Vertreter in Rom
Zum einen glaubt Renzi, dass auf die Südtiroler – montanari fedeli - Verlass ist: die wählen auch eine in der Heimatregion der Kandidatin nicht mehr präsentable Kandidatin. Zum andern hat Südtirol als einziges Gebiet neben der Toskana für die zentralistische Verfassungsreform gestimmt, für die genau diese ex-Staatssekretärin für Reformen steht.
Boschi wird in Südtirol und in den anderen Regionen angekreidet, dass sie sich 2014 zur Aussage verstieg, alle Regionen mit Sonderstatut abschaffen zu wollen. Im jetzigen Wahlkampf wird sie dies x-mal dementieren, doch weit entscheidender ist: wäre ihre Verfassungsreform 2016 durchgegangen, wären die Normalregionen stark zurückgestutzt und der Zentralstaat wesentlich gestärkt worden. Boschi hat die Suprematie-Klausel erfunden: um auf dem gesamten Staatsgebiet rechtliche und wirtschaftliche Einheitlichkeit zu garantieren, hätte der Staat jederzeit in die primären Zuständigkeiten der Regionen eingreifen können. Ein Einmischungsinstrument für Rom, das über kurz oder lang auch für Südtirol zum Problem geworden wäre. Auch die geringe Finanzautonomie der Regionen wollte Boschi beschneiden. Wogegen sie nichts einzuwenden hatte, war die Bankenrettung durch den Staat (einschließlich der Bank ihres Vaters), die Italien 2015-2017 mindestens 30 Milliarden Euro gekostet hat.
Diese Person wird jetzt den SVP-Wählern in Bozen-Unterland zum Wählen vorgesetzt. Bozen hat, als einzige Ausnahme in Südtirol, die Verfassungsreform Renzi-Boschi am 4.12.2016 knapp abgelehnt. In Bozen allein würde Boschi den Sprung ins Parlament gar nicht schaffen. Entscheidend sind also die Stimmen der SVP-Wähler im Unterland. Eine klare Zentralstaatsverfechterin wird somit dank SVP Nachfolgerin von Peterlini und Palermo. Welch eine erstaunliche Wendung einer Autonomie-Partei. Nicht umsonst haben SVP und PD fürs Trentino und Südtirol ein Wahlrecht zusammengebastelt, das die Opposition von vornherein jede Chance nimmt und mit seiner regionalen 20%-Hürde (was auf Südtirol bezogen 40% gleichkommt) die kleineren Kräfte in anscheinend verfassungswidriger (Anfechtung läuft) diskriminiert.
Damit offenbart sich von Neuem ein politisches Geschäftsmodell, das man eigentlich nur mehr klientelistisch nennen kann. Die SVP paktiert seit 25 Jahren mit dem PD, der unter der italienischsprachigen Wählerschaft in Südtirol nicht mehr die 30% erreicht. Der Südtiroler PD für sich genommen wäre in Rom nicht mehr vertreten und hat diesen Anspruch mit dem Verzicht auf einen einheimischen Kandidaten auch schon aufgegeben. Der lokale PD bedient jetzt Renzi mit dem Wahlkreis Bozen-Unterland als „ufficio di collocamento di candidati impresentabili“ (M5S). Dieses Geschäftsmodell ist erfolgreich, weil dieser Pakt immer wieder kleine Erfolge in Rom einbringt. So hat sich der PD die Zustimmung der SVP zur Verfassungsreform mit einer fragwürdigen Schutzklausel geholt, die in den anderen autonomen Regionen gar nicht überzeugt hat. Klientelistisch ist das Verhältnis, weil nicht mehr klare Programme den Ausschlag geben, sondern das wechselseitige Interesse, die richtigen Leute auf bestimmte Posten zu hieven. Boschi soll jetzt eine Art Fürsprecherin der Südtirol-Autonomie in Rom werden, also statt klaren inhaltlichen Abmachungen nur mehr Vitamin B?
Überdies kann sich der PD nicht mehr anmaßen, die einzige oder wichtigste Partei Italiens zu sein, die für mehr Rechte der Regionen und Autonomie einsteht. Und Renzi ist nach der gescheiterten Verfassungsreform nicht recht glaubwürdig als Premier, der den Regionalismus fördern wird. Liegt es noch im Interesse der Südtirol-Autonomie, wenn die SVP jetzt für Boschi den Steigbügel hält? Wenn Boschi bei ihrer Linie bleibt, wählen die SVP-Wähler in Bozen-Unterland eine Frau, die sich für die Abschaffung der autonomen Regionen ausgesprochen hat und für mehr Zentralismus eintritt. Wieviel lassen sich SVP-Wähler zumuten?