Neuer Sarner Wind
Weil die Europawahlen Vorrang hatten, trudeln die Ergebnisse der Gemeinderatswahlen in Sarntal erst mit einiger Verspätung ein. Nach Auszählung der Stimmen am Montag Nachmittag steht nun fest: Die (flächenmäßig) größte Gemeinde des Landes bleibt fest in den Händen eines SVP-Bürgermeisters.
Aber: Die neu gegründete Oppositionsliste “Zukunft Sarntal” wird in Zukunft mitmischen. Wogegen der neue Bürgermeister nichts hat.
Der Neue
Nach dem Einzug von Franz Locher in den Landtag führte Christian Albert Reichsigl die Gemeinde Sarntal als Vizebürgermeister weiter. Nun übernimmt Reichsigl offiziell den Sessel von Locher. Bei den Gemeinderatswahlen vom gestrigen Sonntag (26. Mai) hat der SVP-Kandidat die Wahl zum Bürgermeister klar gewonnen. 54,2% reichen Reichsigl. Mit 2.290 Stimmen erhielt er beinahe gleich viele wie sein langjähriger Vorgänger 2015: Locher erhielt damals insgesamt 2.552 Stimmen. Reichsigl, der mit dem Slogan “Gutes erhalten, Neues wagen” angetreten war, ist von Beruf Kaminkehrer.
Der zweite Kandidat der SVP, Josef Mair – er wurde vom Bauernbund und Ex-Bürgermeister Locher höchstpersönlich unterstützt –, kommt auf 1.393 Stimmen (33%). Ein beachtliches Ergebnis, wenn man bedenkt, dass der zweite SVP-Bürgermeisterkandidat im Sarntal 2015 nur auf 615 Stimmen kam. Trotzdem spricht Reichsigl von einem “super Erfolg”. Letzthin habe nämlich vieles darauf hingedeutet, dass das parteiinterne Rennen um den Bürgermeistersessel ziemlich knapp werden könnte. “Umso mehr freut es mich, ein so gutes Ergebnis eingefahren zu haben”, sagt der frischgebackene Sarner Bürgermeister zu salto.bz. “Es war schließlich meine erste Kandidatur als Bürgermeister.” Was ihn von seinem internen Konkurrenten unterscheidet? “Im Gegensatz zu Mair, der aus der Landwirtschaft kommt, vertrete ich vielmehr das bürgerliche Lager der großen Ortschaften im Sarntal” – allen voran des Hauptortes Sarnthein, aus dem Reichsigl auch stammt.
Die Neuen
Erstmals trat bei den diesjährigen vorgezogenen Gemeinderatswahlen eine neue Oppositionsliste an. Die junge Gruppierung – erst Mitte April nahm “Zukunft Sarntal” Gestalt und Name an –, die dem Team Köllensperger nahesteht, stellte mit Tobias Nussbaumer einen eigenen Bürgermeisterkandidaten. Nussbaumer kam am Sonntag über 543 Stimmen (12,8%) nicht hinaus.
Trotzdem zeigt er sich positiv gestimmt. “Als Quereinsteiger und Vertreter einer Liste, die sich erst vor wenigen Wochen gegründet hat, bin ich zufrieden.” Als ihn salto.bz kontaktiert, sind die Ergebnisse der Wahlen zum Gemeinderat noch ausständig. Doch mit mindestens zwei Mandaten im 18-köpfigen Gemeinderat rechnet man bei “Zukunft Sarntal” fix. “Womöglich werden es mehr”, wagt Nussbaumer eine Prognose. Er sollte Recht behalten, wie die vorläufigen Ergebnisse zeigen.
SVP verliert kräftig an Prozenten
Gegen 19 Uhr werden die Daten veröffentlicht: Die SVP verliert im Sarntal ganze 12,5 Prozentpunkte im Vergleich zu den Gemeinderatswahlen 2015 und kommt auf 71,36% (3.110 Listenstimmen; 2015 waren es 3.379). “Zukunft Sarntal” kommt beim Debüt in der Sarner Gemeindepolitik auf Anhieb auf 1.248 Listenstimmen und 28,64%. Das ist fast doppelt so viel wie die bisherige Oppositionskraft Sarner Bürgerliste 2015 erzielte, die sich inzwischen aufgelöst hat.
In Mandaten umgerechnet dürften sich deren fünf für “Zukunft Sarntal” ausgehen, 13 blieben der SVP, die zwei verlieren würde.
Noch etwas Neues?
“Wir treten nicht an, um in die Opposition zu gehen. Wir setzen uns selbst die Latte höher. Konkret heißt das: Wir wollen mitregieren.” Mit dieser Ansage präsentierte Listen-Mitgründer Manfred Heiss “Zukunft Sarntal” Mitte April. Diesen Anspruch werde man nun weiter verfolgen, bestätigt Nussbaumer: Keine knallharte Oppositionsarbeit, sondern versuchen, über die Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten, die Bürger mehr einbeziehen. Mit Christian Reichsigl als Bürgermeister sieht Nussbaumer die Voraussetzungen mehr als gegeben: “Ich bin sicher, dass wir mit ihm viel reden können.”
Es wäre ein neuer Wind, der da im Sarntal wehen würde, wo es in den vergangenen Jahren an Polemiken zwischen der Sarner Bürgerliste und SVP sowie an gegenseitigen Anschuldigungen und Vorwürfen nicht mangelte.
“Mein Ziel ist es, unter Einbeziehung aller, an einem für alle lebenswerten Sarntal zu arbeiten. Der menschliche Aspekt darf dabei nicht verloren gehen, reden wir miteinander, nicht übereinander”, meinte Reichsigl im Vorfeld der Wahlen. Die ausgestreckte Hand von “Zukunft Sarntal” will er nicht wegschlagen. “Eine Zusammenarbeit im Gemeinderat sehe ich positiv und auf alle Fälle erstrebenswert, wenn wir Dinge ausdiskutieren”, sagt der neue Bürgermeister. “Wir wollen ja alle das Beste für Sarntal geben und können so auch im Land geschlossen auftreten, wenn es um die Interessen unserer Gemeinde geht.”