Im Kurzflug zurück
Österreich hat gewählt. Knapp 6,4 Millionen Wahlberechtigte waren am Sonntag aufgerufen, ihre Stimme abzugeben und die 183 Sitze im Nationalrat neu zu besetzen. Die Wahlbeteiligung am Wahlsonntag lag bei 60,6% (die Briefwähler sind dabei noch nicht berücksichtigt).
Schon kurz nach Schließung der Wahllokale um 17 Uhr stand fest: Der große Wahlsieger heißt Sebastian Kurz. Seine ÖVP kann im Vergleich zu 2017 deutlich zulegen und bleibt mit großem Abstand stärkste Partei. Dahinter, die SPÖ mit ihrem historisch schlechtestem Ergebnis. Auf dem dritten Platz landet die FPÖ, die die größten Wahlverluste aller Parteien einfährt und deutlich unter den Umfrageergebnissen bleibt. Die Grünen feiern einen fulminanten Wiedereinzug ins Parlament. Auch die Neos können leicht zulegen, während die Liste Pilz aus dem Nationalrat fliegt.
Das vorläufige Wahlergebnis gibt das Bundesministerium für Inneres kurz nach 21 Uhr bekannt (es sind einzig die Stimmen der Urnenwähler berücksichtigt, die im Vorfeld abgegebenen Wahlkarten werden erst ab Montag ausgezählt):
ÖVP | 38,4% | +6,9 | 73 Sitze | +12 |
SPÖ | 21,5% | -5,3 | 41 Sitze | -11 |
FPÖ | 17,3% | -8,7 | 32 Sitze | -18 |
Grüne | 12,4% | +8,6 | 23 Sitze | +23 |
Neos | 7,4% | +2,1 | 14 Sitze | +4 |
Liste Pilz | 1,9% | -2,5 | 0 Sitze | -6 |
Die Sieger
Trotz jüngsten Enthüllungen über Ungereimtheiten bei Parteispenden und Spesenabrechnungen legt die ÖVP um 6,9 Prozentpunkte auf 38,4% zu. “Fast sprachlos” sei er, sagt Spitzenkandidat und Parteiobmann Sebastian Kurz am Wahlabend und spricht von einem “historischen Tag”. Tatsächlich war der Abstand zwischen erster und zweiter Partei in Österreich noch nie so groß: 16,9 Prozentpunkte trennen ÖVP und SPÖ.
Auch für die Grünen ist es ein Jubeltag: Mit 12,4% ziehen sie mit ihrem Ergebnis von 2013 – dem bisher besten in der Parteigeschichte – gleich und kehren mit 23 Mandataren ins Parlament zurück, aus dem sie 2017 geflogen waren. Für den Spitzenkandidaten Werner Kogler ist es ein “Sunday for future”.
Neben Türkis und Grün ist Pink die Gewinnerfarbe am Wahlsonntag: Die Neos legen um 2,1 Prozentpunkte auf 7,4% zu. Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger ist zufrieden mit dem “besten Ergebnis einer liberalen Partei bei einer Nationalratswahl in Österreich”.
Die Verlierer
Herbe Verluste müssen die skandalgebeutelten Freiheitlichen hinnehmen. Die FPÖ verlieren 8,7 Prozentpunkte und kommen auf 17,3%. Spitzenkandidat Norbert Hofer ist vom Wahlergebnis “nicht begeistert”.
Die Sozialdemokraten erleiden ihr historisch schlechtes Erlebnis und landen bei 21,5% – ein Minus von 5,3 Prozentpunkten. “Ich hätte mir ein besseres Ergebnis gewünscht”, gesteht SPÖ-Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner.
Peter Pilz fliegt mit seiner gleichnamigen Liste aus dem Parlament. Mit 1,9% und einem Minus von 2,5 Prozentpunkten liegt der Ex-Grüne deutlich unter der 4-Prozent-Hürde. Er werde jetzt “die Seite wechseln” und Journalist werden, sagt Pilz den Medienvertretern.
Und jetzt?
Er werde nun “Gespräche mit allen Parteien führen” und “danach den Regierungsbildungsauftrag erteilen, naturgemäß dem Wahlsieger”, kündigt Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Wahlabend an.
Sebastian Kurz hat mehrere Optionen. Es gehen sich gleich drei Zweier-Koalitionen aus, die auf eine Mehrheit von über 92 Sitzen kommen: Fortsetzung von ÖVP-FPÖ, Zurück zu ÖVP-SPÖ, Premiere für ÖVP-Grüne.
Noch am Sonntag schließt die gesamte Führungsriege der FPÖ eine Wiederauflage von Türkis-Blau aus. Man will aus der Opposition “die Regierung vor sich hertreiben”, sagt etwa Herbert Kickl.
Die Grünen geben sich verhalten, hat man sich doch im Wahlkampf klar gegen den Kurs, den die ÖVP unter Kurz eingeschlagen hat, kritisiert. Die Volkspartei müsse sich wieder “mehr auf die christlich-sozialen Wurzeln besinnen”, legt Werner Kogler der ÖVP nahe. Doch man nimmt wahr, dass ein Bündnis zwischen den beiden großen Wahlsiegern in den Reihen der ÖVP durchaus auf Sympathien stößt – auch wenn es keiner der hohen Parteifunktionäre sich offen dafür ausspricht. Eine Neuauflage der ehemaligen Großen Koalition zwischen ÖVP und SPÖ gilt als unwahrscheinlich – war es doch Sebastian Kurz gewesen, der die letzte Schwarz-Rote Regierung 2017 vorzeitig beendet hat.
Sebastian Kurz selbst will sich am Wahlabend noch nicht festlegen. Er werde mit allen Parteien Sondierungsgespräche führen und dann entscheiden, mit wem eine neue, “stabile Regierung” möglich ist.
Reaktionen aus Südtirol
Naturgemäß hat man in Südtirol die Wahl in Österreich aufmerksam verfolgt. Die am Sonntag abgegebenen Stimmen sind noch nicht fertig ausgezählt, da meldet sich schon Arno Kompatscher zu Wort. Als “ein Ergebnis, das zuversichtlich stimmt”, bezeichnet der Landeshauptmann den Wahlausgang. Persönliche Gratulationen gehen an ÖVP und Spitzenkandidat: “Sebastian Kurz hat einen großen Erfolg eingefahren und dazu gratuliere ich ihm herzlich.” Insgesamt freue er sich über den “Zugewinn der proeuropäischen Kräfte”, so Kompatscher, und zeige sich “optimistisch, dass Österreich bald wieder eine stabile Regierung haben wird”. Er sei auch “zuversichtlich, dass Österreich für Südtirol weiterhin ein verlässlicher Ansprechpartner sein wird”.
SVP-Obmann Philipp Achammer gratuliert seinem langjährigen Freund Kurz direkt vor Ort in Wien:
Als “klares Votum der jungen Wählerinnen und Wähler für das Klima und soziale Gerechtigkeit” deuten die Südtiroler Grünen das gute Abschneiden ihrer Parteifreund in Österreich. “Mit dem großartigen Wahlergebnis haben unsere grünen FreundInnen in Österreich gezeigt, dass die großen ökologischen und sozialen Fragen der Gegenwart grüne Antworten brauchen.”
Team Köllensperger gratuliert gleich mehrfach: den Neos, die man als Schwesterpartei in Österreich sieht, zum “tollen Ergebnis”; Sebastian Kurz “für den klaren Wahlsieg” und “den Grünen fürs erfolgreiche Comeback”. “Das tut der Demokratie gut!”, heißt es von Team K.
Die Südtiroler Freiheit, wie könnte es anders sein, fordert gleich nach Schließung der Wahllokale die (noch zu bildende) neue Regierung auf, die doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler zu realisieren und kündigt an, “schon in den kommenden Tagen mit allen Abgeordneten” Kontakt aufnehmen zu wollen, “um die nächsten Schritte zur Umsetzung des jüngsten Parlamentsbeschlusses zu besprechen”.
Und die Freiheitlichen. Haben
Und die Freiheitlichen ? Haben Sie keine Zeit oder Lust gehabt das Debakel ihrer Idole zu
kommentieren ?
Spannend die Bundesländer:
Spannend die Bundesländer: Türkis hat nirgends so stark zugelegt wie in Salzburg, die SPÖ nirgends so stark verloren wie in Tirol. Die Grünen haben in Wien den größten prozentualen Stimmenzugewinn, die Neos in Vorarlberg. Und ausgerechnet Kärnten hat die FPÖ am meisten abgestraft.
In reply to Spannend die Bundesländer: by Benno Kusstatscher
Ja das ist de facto
Ja das ist de facto interessant...die betuchte (und/oder) intellektuelle Elite (Salzburg mit so einigen Zugezogenen, oder solchen, die dort ihren Zweit- oder Drittwohnsitz etc. haben - mit Austria-Pass) wählt die 'Nummer sicher'.