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Foto: upi
Society | #alsodann

Familien-Bande

Eine globale Bande möchte mich wieder an den Herd ketten und meinen Mann in die raue Welt boxen. Seit gestern wird das Projekt in Verona besprochen.
 
Der 13. Weltfamilienkongress versammelt in Verona alles, was sich nach Hintergestern sehnt. Familie kann ja nett sein. Zufällig habe auch ich eine. Aber was würde ich tun, wenn der Zufall es anders gewollt hätte, wenn ich unfruchtbar wäre oder gar lesbisch? Würde ich den Mut aufbringen, es zu sagen? Öffentlich? Würde ich mich trauen, Hand in Hand mit meiner Frau durch die Lauben zu gehen? Gesetzlich wäre es erlaubt. Der Bande passt das gar nicht.
Gesetzlich wäre es auch erlaubt, abgetrieben zu haben. Ich müsste mich also nicht verstecken. In meiner Jugend war Abortus noch verboten, gefährlich und teuer. Kollege Ferrandi hat hier schon erzählt, welche Auswege das Bozner Bürgertum gefunden hatte. Allen anderen blieben nur riskante Engelmacher oder das Ausland.
 
 
Familie kann ja nett sein. Zufällig habe auch ich eine.
Später kamen bessere Zeiten, man durfte sich scheiden lassen, durfte es wagen zu sagen, dass man schwul oder lesbisch ist ohne gleich die Existenz zu riskieren, und frau durfte abtreiben, wenn's unbedingt sein musste. Die Bewegung fürs Leben saß zwar im Warteraum und sorgte fürs schlechte Gewissen, und die Gewissensverweigerer unter den Ärzten machten es den Kollegen schwer, aber das Gesetz war klar. Welche Frau, welches Paar hat sich aber in Südtirol je getraut, öffentlich zuzugeben, dass es/sie abgetrieben hat? Würde ich es sagen, wenn ich hätte? Würde ich damit meinen Job aufs Spiel setzen? Und dürfte ich, wenn ich hätte, auch sagen, dass ich eigentlich froh über die Möglichkeit war, weil's eh nicht anders gegangen wäre, dass ich dieses Frohsein aber nie denken durfte. Oder müsste ich zwingend dazusagen, dass ich schwer traumatisiert war? Schuldgefühle waren die Mindeststrafe, Schweigen Pflicht.
 
Bald werden Ehebrecherinnen gesteinigt werden. Das gibt mir zu denken.
Die Bande, die nach Hintergestern strebt, sitzt bei uns mit auf der Regierungsbank. In Rom hat sie gerade beschlossen, dass ich den Fremden in meinem Garten über den Haufen schießen darf. Bald werden Ehebrecherinnen gesteinigt werden. Das gibt mir zu denken.
„Mögest du dir und deiner Heimat nie eine Schande machen“, hatte mir meine mich liebende Lehrerin ins Poesiealbum geschrieben. Was sie mit Schande meinte, weiß ich nicht. Vielleicht wollte sie mich vor einer walschen Liebschaft warnen. Die hatte ich zufällig nicht. Eins kann ich ihr aber garantieren: Ich würde mich nie mit den Menschenfeinden ins Bett legen, die neue Schießereien und alte Aufmärsche in die Vergangenheit anzetteln und so tun als hätten sie die Moral gepachtet.