Politics | Regierungswirren

“Neuwahlen? Am besten sofort!”

Paul Köllensperger und Manfred Schullian warnen vor dem Radikalisierungskurs, den die Lega fährt. Und doch sind beide für zügige Neuwahlen.
Strand
Foto: Pixabay

Sie mögen ihn beide nicht, stellt sich heraus. Dennoch können weder Paul Köllensperger noch Manfred Schullian Lega-Chef Matteo Salvini in Abrede stellen, dass er gut gepokert hat.

Mit seinem Beharren auf Paolo Savona als Wirtschaftsiminister in einem vom Movimento 5 Stelle (M5S) und Lega geführten Kabinett Conte hat Salvini das Veto des Staatspräsidenten regelrecht herausgefordert. Und als Sergio Mattarella am Sonntag Nein zu Savona gesagt hat, war klar: Es wird zu Neuwahlen kommen – die vor allem der Lega einen Zuwachs an Wählerstimmen bringen werden.

“Diese Regierung hätte einen Systembruch dargestellt und vieles auf die Reihe gebracht, angefangen beim Anti-Korruptionsgesetz”, ist Paul Köllensperger überzeugt. Am Dienstag Abend war er gemeinsam mit dem SVP-Kammerabgeordneten und Fraktionssprecher des Gruppo Misto, Manfred Schullian im TV-Studio der RAI Südtirol bei Pro & Contra zu Gast. Mit seinem Veto habe Mattarella bei den Wählern den Eindruck entstehen lassen, dass ihre Stimme nichts mehr zählt und das Land fremdbestimmt werde – vor allem weil sich der Staatspräsident am Sonntag bei seiner Rede auf die Märkte und den Spread bezogen habe, so Köllensperger. “Es wäre besser gewesen, eine M5S-Lega-Regierung an den Fakten zu messen. Jetzt hingegen kommt eine technische Regierung, die keine Mehrheit im Parlament hat, während eine, die eine Mehrheit hätte, nicht zustande kommt.” Köllensperger bezieht sich auf Carlo Cottarelli, der von Mattarella als Übergangspremier designiert wurde.

 

Radikal im Aufschwung

Am Dienstag Nachmittag war der renommierte Wirtschaftswissenschaftler beim Staatspräsidenten. Doch ergebnislos. Weil Cottarelli kommentarlos den Quirinalspalast verließ, wird spekuliert, dass auch er es nicht schaffen wird, ein Kabinett auf die Beine zu stellen – und dass es bereits am 29. Juli zu Neuwahlen kommen könnte.

“Genau das hat Salvini gewollt”, meint Manfred Schullian. Es sei der Lega-Chef, der in den Koalitionsverhandlungen mit den Grillini den Ton angegeben und schließlich verschärft habe, so der SVP-Abgeordnete. “Genau”, pflichtet Köllensperger bei. Anfangs seien die Verhandlungen seriös geführt worden, aber Mattarella habe ihm die Möglichkeit, alles in die Luft zu jagen mit seinem Veto gegen Savona praktisch “auf dem Silbertablett präsentiert”. “Es war eine geschickt gestellte Falle von Salvini, in die der Staatspräsident getappt ist”, stimmt Schullian zu.

Beide, Köllensperger und Schullian, haben eine Radikalisierung in Italien ausgemacht, die sie beiden der Lega zuschreiben – und die angesichts bevorstehender Neuwahlen eine Gefahr darstellen könnte. “Ich erwarte mir noch schärfere Töne, eine noch schrillere Kampagne und durchaus nicht eine Mitte-Rechts-, sondern eine Rechts-Rechts-Regierung”, sagt Köllensperger. “Das Szenario gefällt mir nicht.” Auch weil ihm Europa am Herzen liege.

 

Zu spät für Umkehr?

Um das Feld nicht ganz den radikalen Kräften zu überlassen, rät Köllensperger seiner Partei, sich klar als “Gegenpol zur Lega” zu positionieren. Man solle vielmehr inhaltliche Differenzen herausstreichen, sich um soziale Probleme kümmern “und nicht dem Radikalisierungskurs nachlaufen”. Manfred Schullian hingegen sieht M5S-Chef Luigi Di Maio “ziemlich verbraucht”: “Er ist als Person nicht gestärkt.” Anders als Köllensperger wünscht sich Schullian naturgemäß nicht, dass die 5 Sterne Bewegung bei Neuwahlen zulegen wird – und erklärt auch, warum das Gegenteil passieren könnte: “Es besteht ein Vakuum im Mitte-Mitte-Links-Bereich und die Chance, dass viele enttäuschte PD-Wähler, die am 4. März die 5 Sterne gewählt haben, sich wieder abwenden und zurück zum PD wandern, weil die 5 Sterne kein Garant für eine vernünftige Änderung der Politik sind.”

Am Mittwoch Vormittag wird Carlo Cottarelli für ein weiteres Gespräch bei Staatspräsident Mattarella erwartet. Danach wird feststehen, ob es zu einer Übergangsregierung kommt – die würde die Geschäfte wahrscheinlich nur bis nach der Sommerpause führen, da sie im Parlament keine Mehrheit haben wird –, ob tatsächlich bereits Ende Juli erneut gewählt wird, oder ob nicht doch wieder M5S und Lega auf den Plan treten. Am Dienstag Abend meldeten nationale Medien, dass die beiden Parteien dem Staatspräsidenten erneut Gesprächsbereitschaft signalisiert hätten.

Geht es nach Köllensperger und Schullian, sollte “am besten sofort” beziehungsweise “so schnell wie möglich” gewählt werden.