Economy | Interview
„Lebensmittel nichts mehr wert“
Foto: Fotografie Anna Gruber
salto.bz: Herr Piscopiello, welches Gemüse kann man im Oktober noch pflanzen?
Daniele Piscopiello: Das hängt davon ab, in welcher Lage man sich befindet, wie viel Sonne es gibt, ob man im Tal oder am Berg ist. Sachen wie Salat, Spinat, Radieschen oder Rettich, die schnell wachsen, können noch gesät und gesetzt werden.
Was bauen Sie auf Ihrem Hof an?
Wir bauen auf 2,5 Hektar Fläche Obst, Gemüse, Getreide und Schnittblumen im Vinschgau und in Algund an.
Welche Vorteile hat der Bio-Anbau im Vergleich zum Konventionellen für Sie als Bauer?
Im Bio-Anbau gibt es keine Handbremse, sprich eine chemische Keule oder ein Herbizid. Deshalb muss man vorausdenken, wie man anbaut, und das macht es interessant. Man lernt wieder, Prozesse und Abläufe in der Natur zu beobachten und orientiert sich beim Anbau daran.
Wann wurde Ihr Betrieb auf Bio umgestellt?
Wir haben den Betrieb 2017 offiziell gegründet und von Anfang an mit Bio angefangen.
Wir vermarkten alles direkt und können den Preis ein wenig anpassen.
Wer ist „wir“?
Meine Lebensgefährtin Anna Gruber und ich führen den ‚DA Genussgarten‘, DA steht für Daniele und Anna.
Haben Sie auch Angestellte?
Wir sind ein reiner Familienbetrieb. Wenn viel Arbeit ansteht, dann helfen meine Eltern, meine Schwester und die Cousinen mit.
Beim Bioland-Verband haben heuer 25 Betriebe gekündigt, weil die Energiepreise höher sind, die Konsumenten zu billigeren Produkten greifen und außerdem konventionelle Anbieter mit „Nachhaltigkeit“ werben. Ist es auch für Sie schwierig, in dieser Zeit rentabel zu arbeiten?
Wir arbeiten eigentlich gleich gut wie vor der ganzen Krise, weil wir in unserem Betrieb viele Kreisläufe geschlossen haben. Viele Kosten wie Strom oder Kraftstoff können wir ausschließen. Wir machen fast alles mit geschickten Handgeräten, nur für die Bodenbearbeitung nehmen wir einen Schlepper mit einer Achse, der wenig Energie verbraucht. Als Dünger verwenden wir Mist und Zwischenfrüchte. Wir vermarkten alles direkt und können den Preis ein wenig anpassen. Hauptsächlich geht das über die Solidarische Landwirtschaft, so sind unsere Kunden immer mit eingebunden und verstehen, wenn etwas auch einmal ein paar Cent teurer ist.
Wie beurteilen Sie es, dass der Absatz von Bio-Produkten bis Juli 2022 laut Daten von ISMEA in Italien um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist?
Lebensmittel allgemein sind nichts mehr wert für die Leute. Wir sind in einer Konsumgesellschaft, in der ein teures Handy oder Auto wichtiger ist als ein Lebensmittel. Man sollte aber mal nachdenken, was man eigentlich zum Leben braucht. Dabei ist gutes Essen, denke ich, zehnmal wichtiger als zweimal im Jahr in Urlaub zu fahren. Das ist das Problem, unabhängig von Bio oder nicht Bio. Es haben sich die Werte von Konsumenten verändert. Den Menschen ist nicht mehr bewusst, was wirklich wichtig ist. Die Ausgaben für Lebensmittel haben sich im Vergleich zu vor 20 Jahren drastisch verringert und man gibt viel weniger von seinem Gehalt für Lebensmittel aus.
Heute werden zudem günstige Produkte als „nachhaltig“ deklariert.
Ich finde, dass der EU-Bio-Standard der Mindeststandard sein sollte, um ehrlich arbeiten zu können. Es ist ein Standard, der kontrolliert wird und den jeder Bauer einhalten sollte, um wirklich gesunde Lebensmittel an den Mann oder an die Frau zu bringen. Alles was darüber hinaus geht, ist umso besser. Die ganzen Verbände wie Bioland oder Demeter oder Naturland haben höhere Standards. Der EU-Bio-Standard sollte das Mindeste sein, um Produkte dann auch als biologisch vermarkten zu können.
Er erinnert mich an das Wort Agrikultur, aus dem agricoltura in Italienisch, denn Landwirtschaft, Kultur und Kunst lassen sich wunderbar verbinden.
Welche Zertifizierung haben Sie?
Wir sind Bioland-zertifiziert.
Wie kann die regionale Artenvielfalt in der privaten Küche mehr genutzt werden?
Das ist eine schwierige Frage. Es gibt Konsumenten, die auf Regionalität schauen und die, denen es egal ist. Es sollte niemand gezwungen werden, regionale Bio-Produkte zu kaufen. Es ist ein Prozess, den jeder Konsument durchmachen muss. Unser Motto ist hier, global zu denken und lokal zu handeln. Wieso müssen wir eine Tomate von Südspanien kaufen, die zig Kilometer hinter sich hat und unter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und menschenunwürdigen Bedingungen angebaut wird, wenn es auch hier welche gibt? Es ist ein Denkprozess, der durchlaufen werden muss, um zu verstehen, dass aus globaler Sicht beispielsweise ein regionales Bio-Produkt besser ist als ein konventionelles Produkt aus Übersee.
Was bedeutet Ihnen der Ort Caldera?
Er erinnert mich an das Wort Agrikultur, aus dem agricoltura in Italienisch, denn Landwirtschaft, Kultur und Kunst lassen sich wunderbar verbinden. Lisa Mazza und Simone Mair von BAU haben einen flotten Ort geschaffen, wo man das leben kann.
Was würden Sie gerne Ihren Workshop-Teilnehmenden bei Caldera Growing mitgeben?
Da möchte ich etwas ausholen. Unser Projekt ist aus einem reinen Selbstversorgergedanken entstanden. Wir fingen mit dem Garten an, uns selbst zu versorgen, und es wuchs und wuchs. Unser utopisches Ziel wäre, dass Südtirol lebensmittelsouverän wird, also 100 Prozent Lebensmittel herstellt, um die Südtiroler zu ernähren. Bis zu einem gewissen Prozentsatz ist das sicher möglich und ausbaufähig. Jetzt momentan sind wir bei einem viel zu geringen Prozentsatz. Deshalb bieten wir Kurse an, da wir finden, dass zu dieser Lebensmittelsouveränität auch die Privatgärten dazugehören. Sie sind ein wichtiges Standbein. Bei diesem Workshop am Samstag möchte ich den Teilnehmern mitgeben, wie man sich auch mit einem kleinen Garten durch das ganze Jahr bis zu einem gewissen Prozentsatz mit Obst und Gemüse versorgen kann.
Please login to write a comment!
Danke Herr Daniele. Le sue
Danke Herr Daniele. Le sue parole mi ricordano scene viste e riviste di persone che per il proprio cane o addirittura per la propria macchina scelgono solo il meglio, e poi per loro stessi li vedi al discount a comprare chimica sottocosto...
Der Mensch ist, was er isst.
Der Mensch ist, was er isst. Es ist klar, dass bei schmaler Brieftasche auch auf den Preis geschaut werden muss, aber das ist längst nicht bei allen zutreffend, die beim Einkaufen geizig werden. Und dass Lebensmittel nicht den gebührenden Stellenwert erhalten, ist auch schon eine Binsenweisheit.