Society | Uni-Gesichter 1

„Habe Bozen auf google earth gesucht"

Der Weg der türkischen Designerin Secil Uğur Yavuz an die unibz.
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Foto: Salto.bz
Seçil Uğur Yavuz stammt aus der türkischen Schwarzmeer-Region Tokat. Ihre Familie  lebte zunächst in Izmir, dann in Tokat. Sie studierte an der technischen  Universität Istanbul und erwarb dort einen Bachelor in Industrial Product Design. 
 „Wir hatten damals Gelegenheit, auch für Unternehmen zu arbeiten", schildert sie ihre ersten Erfahrungen in der türkischen Hauptstadt. Doch Istanbul blieb für sie nur eine Zwischenstation: „Mein Traum war ein Designstudium in Mailand." 
Am Politecnico der lombardischen Hauptstadt meldete sich für ein Master-Studium in Product-Service-System Design - es war die Erfüllung dieses Traums. „Mailand war für mich die Metropole des Designs und ich lernte dort schon bald eine ganze Reihe von Professoren und Designern kennen, darunter Raffaella Mangiarotti, eine exemplarische Künstlerin, von der ich vieles gelernt habe.
Dann erfüllte sich der nächste Traum: „Ich wurde vom international bekannten Unternehmen poltrone Frau zunächst zu einem Training und dann zu einem Praktikum eingeladen, anschließend kontaktierte mich die Möbelfirma Cassina." Ein Kontakt kam zum anderen. Nach Cassina habe ich mich für ein Doktorat am Mailänder Politecnico entschieden, wo ich im Bereich der tessuti intelligenti und der tecnologia indossabile arbeitete. Dadurch habe ich auch die Gelegenheit erhalten, meine Prototypen im Wearable Senses-Lab der Eindhoven Tecnical University zu kreieren.
 
 
2015 stieß Yavuz im Internet auf die Stellenausschreibung der Freien Universität Bozen. „Das Angebot schien mir verlockend, von der Stadt wusste ich gar nichts. Ich suchte sie zunächst auf google earth, sah mir ein paar Bilder an und las einige Artikel und Beschreibungen. Dann meldete ich mich an, stieg ich den Zug und fuhr hin. Schon beim Blick aus dem Fenster fiel mir auf, dass die Landschaft immer mehr der meiner türkischen Heimat um Tokat ähnlich sah - Berge und Apfelbäume. 
Vom Bahnhof steuerte ich die nahe Universität an. Die Architektur der Stadt wirkte auf mich eher nordisch, am Waltherplatz sah ich mich um und steuerte dann die nahe Universität an. Dort gewann ich einen positiven Eindruck. Das Universitätsgebäude war eher neu, die Arbeitsräume hell, die Atmosphäre einladend. Stadt und Universität passten. Ich musste nur noch die Stelle erhalten. Das passierte tatsächlich. 
Die Genugtuung darüber war mit einem Dilemma verbunden: die Übersiedlung an die unibz würde meinen Mann zu einem Dauerpendler zwischen Mailand und Bozen machen. So entschied sich auch er spontan für einen Wechsel des Arbeitsplatzes. Eine Stelle als Ingenieur war bald gefunden. So übersiedelten wir beide an unseren neuen Wohn- und Arbeitsplatz - eine Entscheidung, die wir nie bereut haben."     
                      
 
Uğur Yavuz arbeitet an der Fakultät für Design und Künste gerne mit Kindern. Dabei geht es beispielsweise um die Fertigung von traditionellen Stoffen oder e-textiles, um Webtechniken oder die Herstellung kleiner, interaktiver Objekte. „Obdachlos in Bozen" nannte sich ein letzthin abgeschlossenes Projekt, an dem sich über 40 Studierende der Fakultät für Design und Künste beteiligten. Bei dem von Prof. Kuno Prey geleiteten Projekt erarbeiteten die Studenten aus nichtmehr verwendbaren Materialien der Unternehmensgruppe Salewa Projektvorschläge, um Obdachlosen das Überleben im Winter zu erleichtern. Zwei der Ideen wurden realisiert und in Zusammenarbeit mit der Sozialgenossenschaft Smart in Trient hergestellt.
Es handelt sich um eine Kombination aus Gürtel und Brieftasche, die dazu dient, dass Obdachlose kleine und persönliche  Gegenstände bei sich tragen und schützen können. Das zweite ist ein Rucksack, der sich in eine große Hülle verwandeln lässt, in der man vor Kälte geschützt schlafen kann - Design im Dienst der Obdachlosen