„Wer Ohren hat, der höre endlich“

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Die Seceda in Gröden rückt immer mehr ins Zentrum der Diskussionen, wenn es um das Thema Massentourismus in Südtirol geht; seit einigen Tagen gilt sie als Sinnbild eines Hotspots. Zurecht. Denn die Bilder und Videos, die sich derzeit wie ein Lauffeuer auf verschiedensten Plattformen ausbreiten, zeigen riesige Menschenmassen und ewig lange Schlangen vor der Seilbahn, die auf die Seceda führt. Neben dem Alpenverein meldet sich nun auch die Co-Vorsitzende der Grünen, Elide Mussner, mit Kritik und einer klaren Forderung zu Wort.
„Was in diesen Tagen in Gröden vor sich geht“, schreibt Mussner in einer Mitteilung an die Medien, „sprengt alle Grenzen des Zumutbaren. Verkehrschaos tagein, tagaus, Tagestouristen, die in ihren Autos stundenlang die Mobilität ganzer Dörfer blockieren.“ Die Besucher wollten für 52 Euro pro Person auf die Seceda, die Dolomitenpässe sehen, abknipsen und dann wieder gehen. Mehr nicht. Die Bevölkerung vor Ort aber sei wütend und frustriert. „Ich wandere aus! So will ich hier nicht mehr leben!“, habe ihr gestern (22.07.) eine Dame anvertraut.
„Pure digitale Anarchie, die Wahlen manipuliert, Radikalismus fördert und eben auch Lebensräume zerstört.“
Die Seceda sei zum Social-Media-Hotspot geworden. Wieso, wisse man nicht genau. Was auf und durch die Social-Media-Plattformen vor sich geht, scheint für Laien schon seit langem unkontrollierbar: „Pure digitale Anarchie, die Wahlen manipuliert, Radikalismus fördert und eben auch Lebensräume zerstört“, meint Mussner. Man kenne das Beispiel von Hallstatt, wo man mit einem hohen Zaun versucht hat, die „Fotoknipser“ einzudämmen. Und man kenne es vom Pragser Wildsee, wo man mit der Kontingentierung versuche, wieder Ordnung zu schaffen. Man kenne das Phänomen, aber es scheine, als kenne man keine Lösung. Neulich habe ihr ein Bekannter, der in London lebt, erzählt: „In der Portobello Road hat man angefangen, die Häuser schwarz anzumalen. Der Ansturm und das Benehmen der Fototouristen sind nicht mehr auszuhalten. Durch die schwarze Wandfarbe hofft man, die Straße als Fotomotiv weniger attraktiv zu machen und endlich ein wenig Ruhe zurückzugewinnen.“
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Schwarze Berge?
„Die Bergspitzen auf der Seceda werden wir schlecht schwarz anmalen können, aber hier muss dringend was geschehen, denn dieser Menschenansturm ist schon lange nicht mehr tragbar und wird von Jahr zu Jahr dramatischer“, kommentiert die Grüne. Die Bauern auf der Seceda hätten versucht, mit dem Drehkreuz am Weg die Aufmerksamkeit zu gewinnen. Der Künstler Aron Demetz habe mit der Aktion der weiß-roten Schranke in Pontives am Taleingang provoziert. Die Touristiker hätten sich öffentlich zu Wort gemeldet. „Diese Situation ist als Notsituation zu behandeln.“ Ein Numerus Clausus für die Bergbahnen sei dringend und wäre umsetzbar. Schon jetzt sei es möglich, die Tickets im Voraus online zu kaufen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass man gefühlt unendlich viele Menschen auf die Berge chauffieren dürfe, ohne Rücksicht auf den Backlash, die lokale Bevölkerung, die Grundbesitzer, die Umwelt und die Qualität des Tourismus zu nehmen. „Wer Ohren hat, der höre endlich, bevor es wirklich zu spät ist“, schließt Mussner ab.
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„Südtirol braucht klare Regeln“
Auch die Soziale Mitte der SVP schlägt in die gleiche Kerbe wie die Grünen und schreibt an die Medien: „Südtirol ist beliebt – vielleicht zu beliebt. An Wochenenden und in der Hochsaison sind Wanderwege, Hütten und Straßen vielerorts überfüllt. Für Einheimische heißt das oft: die eigenen Berge und Seen meiden, weil kaum mehr Platz bleibt.“ Die Soziale Mitte fordere deshalb ein Umdenken im Tourismus. Wenn Gäste willkommen bleiben sollen, dürfe man nicht zulassen, dass die Bevölkerung ihr eigenes Land meidet. Der aktuelle Tourismus gefährde nicht nur die Lebensqualität der Menschen vor Ort und den Charakter des Landes – er betreibe auch Raubbau an den natürlichen Ressourcen und damit an der Lebensgrundlage der Kinder. Südtirols Natur habe Grenzen – und diese müssten endlich respektiert werden, betonen Gabriele Morandell, Vorsitzende der Organisation, und der gesamte Vorstand.
„Tourismus darf nicht zur Belastung und schon gar nicht zum Ausverkauf unserer Zukunft werden.“
Um die Lage zu entschärfen, schlägt die SVP-Mitte Slot-Systeme und digitale Reservierungspflichten für überlastete Hotspots wie bekannte Aussichtspunkte, Almen oder Seen vor. Durch Planungstools sollen Besucherströme gelenkt und Staus vermieden werden. Zentral ist für die SVP-Mitte außerdem ein verbindlicher Dialog zwischen Gemeinden und Tourismusorganisationen, damit lokale Lösungen entstehen, die sowohl Natur als auch Bevölkerung schützen.
„Unser Ziel ist klar: Südtirol muss lebenswert bleiben – für uns und für kommende Generationen. Tourismus darf nicht zur Belastung und schon gar nicht zum Ausverkauf unserer Zukunft werden. Mit vorausschauenden Konzepten können wir sicherstellen, dass Gäste willkommen sind, ohne dass Einheimische und ihre Kinder zurückstecken müssen“, so Morandell abschließend.
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Alles richtig! Politik, Tourismusorganisationen, HGV, am besten im Zusammenspiel, müssen eine Lösung für die offensichtlichen Probleme finden, die der Massenansturm von Touristen mit sich bringt. ABER jeder von uns sollte bei allem, vielleicht sogar berechtigtem, Touristenbashing nicht vergessen, dass auch wir häufig genug Touristen sind... oder wer hat noch nicht ein Foto/Selfie am Trevi Brunnen, auf der Rialto Brücke, vor dem Big Ben oder wo auch immer geschossen?
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Bettenstopp: wie Hans Punter richtigerweise sagt: da lachen die Hühner. Das Bettenstoppdekret von 2022 hat sich als Bettenbaubeschleunigungsgesetz erwiesen. Damals gab es 229.000 Betten, und heute stehen wir bei 264.000 Betten und es geht weiter in diesem Tempo. Eine Bettenobergrenze - das war der erklärte Zweck der geltenden Regelung - ist immer noch nicht in Sicht. Der Bettenzubau, also das wachsende Angebot schafft sich geradezu zwingend auch die dazugehörige Nachfrage, investiert gewaltig in die Werbung. Die Investoren stört weder die Tourismuskritik noch der Overtourism.
Die Soziale Mitte könnte auch mal etwas konkreter werden und von der Landesregierung die Kürzung der IDM-Ausgaben für die Tourismuswerbung fordern (heuer wieder 20 Mio. Euro). Natürlich stehen da auch immer noch Social Media Influencer auf der Honorarliste.
Antwort auf Bettenstopp: wie Hans Punter… von Thomas Benedikter
Wieviele dieser 35.000…
Wieviele dieser 35.000 zusätzlichen Betten wurden wirklich gebaut? Ich vermute, es handelt sich hier hauptsächlich um Richtigstellungen von Betten, die bereits seit langem existiert haben. So haben sich viele illegale Vermieter (vor allem Besitzer von "seconda casa") entschieden um eine Vermieterlizenz anzusuchen, da sie sonst ihren Gästen keine Mobilcard aushändigen können. Oder Hotels haben die Bettenanzahl nach der Meldung der effektiv genutzen Bettenanzahl berichtigt. So hatte z.B. ein Hotel in St. Christina auf einmal 100% mehr Betten vorzuweisen, als laut Lizenz bisher aufschienen.
Ich habe im Ausland die…
Ich habe im Ausland die Erfahrung erlebt wo bestimmte Wanderwege nur mit kostenfreie Vormerkung begehbar waren. Jeder hatte seinen QR-Kode den beim Zugang gescanned wurde. Das Ticket war zu einer bestimmten Zeit gebunden.
Ich denke man könnte die Lösung übernehmen und wo möglich umsetzen. Ich denke es wäre besser wenn dies die Naturpark Behörde übernimmt.
Leider ist die Fläche am Secëda, die zum Naturpark gehört sehr gering. Aber ich würde trotzdem diese Lösung überprüfen.
Meiner Meinung nach kann man einer privaten Seilbahn den Verkauf nicht einschränken. Aber die Wanderwege, Naturgebiete gehören trotzdem vor der Überfüllung geschützt. Auch um das Erlebnis der Besucher zu verbessern.
Solche Bilder kenne ich aus…
Solche Bilder kenne ich aus Cinqueterre. Dort steht man auf einem Bahnsteig wie in der Rushhour von Tokio, folgt dann der Masse zum sentiero d'amore an dessen Beginn ein Schild in vier Sprachen darauf hinweist, dass ab hier Schuhe ohne Vibramsohle verboten sind. An den Aussichtsplattformen stellt man sich für das obligatorische Selfie an und dann zwängt man sich in eines der Restaurants, wo einem lieblos zubereitete Gerichte von geringer Qualität für hohe Preise kredenzt werden. Wer soll es den Wirten auch verdenken, am nächsten Tag wird die Bude wieder genauso rammelvoll sein, mit Leuten die etwas besonderes machen wollten und dann zu Hause erzählen wie toll alles war.
Nennt sich Massentourismus.
Scheinbar will man das ja auch hier haben.
Antwort auf Solche Bilder kenne ich aus… von Ludwig Thoma
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Der Sentiero dell'Amore war viele Jahre gesperrt, hat erst wieder heuer im Februar geöffnet und Vormerkung und Ticket sind jetzt obligatorisch.
Man hat diese Masse an…
Man hat diese Masse an Touristen mit allen Mitteln angelockt. Zur lebenswertesten Region Europas wollte man werden und hat in der Hybris alle Hebel in Gang gesetzt, die Nächtigungen zu steigern. Jetzt sollen wir alle ja nicht vergessen, wie viel Wertschöpfung damit verbunden ist, sonst wären wir ja wieder das arme rückständige Bauernland der Sechzigerjahre. Inzwischen ist das ein schlechter Deal, würde ich sagen, und die Nachhaltigkeitspolitik ist ein Hohn angesichts des Ansturms an Instagram-Touristen.
... + die Landes-Regierung…
... + die Landes-Regierung macht mit der Stopfung der IDM, der BETTEN-BEFEUERUNG + der BETONIERUNG -f r ö h l i c h- weiter ... ...!!!
"Die Geister die ich rief,…
"Die Geister die ich rief, werde ich nicht mehr los": die Einheimischen haben längst die Nase voll. Wie effizient die LR dieses Problem - für das sie mitverantwortlich ist - löst, hat sie bereits beim Bettenstopp-Gesetz und bei der IDM-Neuausrichtung zum Ausdruck gebracht.
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Il problema e stato creato…
Il problema e stato creato gia anni fa,quando la politica dei stolti ha deciso che con tutte le bellezze naturali e culturali dell Italia e nell nostro caso dell Sudtirolo non serve piu industria e artigianato,tanto noi si vive di turismo.Il resto e ' bilancia commerciale(senza turista coreano,niente samsung per capirci)Grazie alla lungimiranza di pochi sindaci nelle nostre valli qualche comune a puntato sull artigianato e quelli, e non dico quali sono ,hanno un tenorte di vita ben piu alto dei comuni turistici.E proprio i giovani ambiziosi e qualificati si trasferiscono in quei posti.Interessante anche che se cerchi un ristorante serio aperto tutto l anno,per mangiare bene,o un negozio che ha anche altre cose,non la solita saliva per turisti lo trovi proprio li.