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Wenn sonst nichts geht, presst du halt

Der FC Südtirol und Frosinone trennen sich 1:1. Dabei zeigen beide Trainerteams gutes Verständnis für Pressing, das Spiel mit Ball bleibt hingegen ein großes Manko.
Raphael Odogwu freut sich über den Treffer zum 1:1
Foto: Ufficio Stampa FCS - Foto Bordoni
  • Frosinone Calcio ist Letzter in der Serie B. Frosinone schießt keine Tore. Das heißt: zu wenige. Nur 6 in 11 Partien. Nur 6 Tore bei einem xG-Wert von 11,2. Wenn man dann auch noch die 16 Gegentore betrachtet (bei einem xGA von 13,7), die Frosinone bekommen hat, dann muss man sagen: Frosinone hat bis dato massiv unterperformed.

    Man kann diese Daten aber auch anders lesen, speziell die Differenz zwischen erwartbaren Toren und tatsächlich erzielten Toren. Ein bisschen Abschlusspech ist da immer mit drin, aber auch ein Teil Unvermögen – sei es technisches, wie mentales -, aus den sich bietenden Chancen, Zählbares rauszuholen. Was heißt das also vorab für die Partie Südtirols gegen Frosinones? 

  • Alles und nichts

    Zu erwarten war, dass sich Leandro Greco sehr genau auf den FC Südtirol vorbereiten würde. Greco war einst kurz Cheftrainer beim FC Südtirol, lange Zeit Co-Trainer und kennt die Mannschaft, den Verein und das Land (nehme ich an). Schon alleine deshalb: des besonderen Reizes wegen, es seinem ehemaligen Club zu beweisen, dass er es geschafft hat - würde Greco sein Team ganz genau vorbereiten. Das heißt, taktisch waren einige Phasen hohen Pressings zu erwarten – wobei meistens wohl auf tiefes Mittelfeldpressing angesagt sein würde. Südtirol hat nämlich große Probleme bei eigenem Ballbesitz – das wissen wir ja inzwischen, das weiß auch Greco. Genau das war auch von Beginn an zu beobachten. Ab und zu hohes Pressing, dann wieder tiefes MIttelfeldpressing. Südtirol fand so nie richtig seinen Rhythmus und Greco hatte das Spiel, das er sich wünschte: Einen wilden Schlagabtausch.

    Denn auch der FC Südtirol hatte an seinem Pressing gearbeitet. Valente ließ – zumal der Gegebenheiten: Heimspiel, gegen den Letzten, nach einer Niederlage – die gegnerische Aufbaukette früh mannorientiert anlaufen, Merkaj (startete für Odogwu als Sturmspitze) lief sogar bis zum Torhüter durch und erzwang so manch misslgückten Abschlag des Gästetorwarts, Michele Cerofolini.

  • Südtirol im Angriffspressing: Die Gegenspieler wurden mannorientiert verfolgt, Silvio Merkaj läuft den gegnerischen Torhüter an und erzwingt so einen Abspielfehler. Interessant auch, dass Arrigoni sehr weit aufrückt (im Gegensatz zu früheren Spielen). Foto: SALTO
  • Dadurch ergaben sich auch so manche Möglichkeiten. Rover hatte so eine Großchance nach 5 Minuten, dann verpasste derselbe Rover das rechtzeitige Zuspiel – ebenfalls nach einer Balleroberungen hoch in der gegnerischen Hälfte. Südtirol schaffte es aber genauso wenig, geordnet das eigene Spiel aufzubauen. Weil eben auch die Gäste situativ hohes Pressing praktizierten und der FCS ohnehin Probleme hat mit dem Spiel mit Ball – das wissen wir ja inzwischen.

  • Der FCS im Spielaufbau: Kurtic kippt hier zwischen die Innenverteidiger, Arrigoni wird sich auch noch weiter zurückfallen lassen. Die dadurch entstehende 5-zu-3-Überzahl ist nicht gut, weil nicht notwendig: Weiter vorne fehlen dadurch die Spieler. Foto: SALTO
  • Scheinbar mit der Rückkehr Jasmin Kurtics ins Team kehrte auch die merkwürdige Staffelung in der ersten Aufbaureihe des FCS zurück. Teilweise kippten beide Südtiroler Sechser ab – Arrigoni zwischen die Innenverteidiger, Kurtic links neben die Innenverteidiger. Das war alles grausam mitanzusehen und ich frage mich wirklich, woran das liegt – sieht das niemand oder will es niemand wahrhaben oder bekommt man es nicht aus den Spielern raus? 

    Das sind nämlich nicht nur ästhetische oder theoretische Einwände – ganz praktisch fehlen schlichtweg Spieler weiter vorne im Feld, wenn hinten in doppelter Überzahl das Spiel initiiert wird. Diese Spieler fehlen dann z. B. im Zehnerraum, den man besetzen sollte, wenn man zu Torchancen kommen will, die nicht nur auf Zufall basieren.

  • Südtirol über links: Der 10er-Raum wurde bei Südtiroler Ballbesitz weiterhin nicht besetzt. Alles lief über links. Foto: SALTO
  • Frosinone ging dann in Führung durch einen Konter auf einen Südtiroler Konter – Gegenkonter: Kofler kann den Lauf des Gegenspielers nicht verzögern, dieser leg zurück in den Rückraum und Riccardo Marchizza schließt ab. Aus dem Rückraum. Wieder so eine wichtige Zone, die in diesem Fall nicht besetzt war, weil Südtirols Sechser nicht rechtzeitig zur Stelle waren. 

    Südtirol hat dann aus der Schwäche (10er Raum nicht besetzen) eine Tugend, ein Stilmittel, gemacht: Kurtic kippte jetzt immer links heraus, Masiello schob ebenfalls höher und bildete gelegentlich mit Simone Davi ein Pärchen auf Linksaußen, dazu hielt sich auch der eingewechselte Daniele Casiraghi irgendwie dort auf und gelegentlich gesellte sich sogar der ebenfalls eingewechselte Mateusz Praszelik dazu. 

    Es war dann eigentlich nur folgerichtig, dass der Ausgleichstreffer (durch Odogwu) eben über diese linke Seite eingeleitet und aufgelegt wurde. „Alles geplant!“, werden da einige sagen – „Glaubt ihr ja selbst nicht!“, wird dann aber meine Antwort sein.