Der Weg in den Autoritarismus

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Natascha Strobl gehört zu den markantesten politischen Intellektuellen des deutschsprachigen Raums. Sie ist Politikwissenschaftlerin, Autorin und eine der schärfsten Beobachterinnen jener Prozesse, in denen sich Sprache, Macht und Ideologie gegenseitig durchdringen.
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SALTO change im Oktober
„Die Demokratie und die Gefahr von rechts“ lautet das Thema von SALTO change im Oktober:
Alle Artikel der Reihe SALTO change findet ihr unter www.salto.bz/change
Wenn ihr Ideen für weitere SALTO-change-Themen habt, schickt uns eure Vorschläge und Anregungen an [email protected].
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In einer Zeit, in der sich demokratische Diskurse zunehmend verhärten und polarisieren, liefert Strobl präzise Begriffe und analytische Werkzeuge, um zu verstehen, wie Politik heute funktioniert – und wie sie sich gefährlich verändern kann.
Ihren großen Durchbruch erlebte Strobl 2021 mit dem Buch Radikalisierter Konservatismus. Eine Analyse, das im Suhrkamp Verlag erschien und schnell zu einem Bestseller wurde.
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Strobls Buch wirkt auch heute noch weit über den akademischen Kontext hinaus, weil es eine sprachlich zugängliche und gleichzeitig fachlich fundierte Diagnose unserer gegenwärtigen politischen Landschaft liefert. Strobl legt darin dar, wie sich der klassische Konservatismus in vielen westlichen Demokratien schrittweise radikalisiert, ohne offen in den Bereich des Extremismus überzugehen. Gerade in dieser Zwischenzone, argumentiert sie, entstehe eine gefährliche politische Dynamik: autoritäre Tendenzen werden normalisiert, demokratische Diskurse verschoben, und die Grenze zwischen demokratischer Repräsentation und rechtspopulistischer Demagogie zunehmend verwischt. Wer in diesen Tagen den politischen Eiertanz der CDU und der CSU in Deutschland näher beobachtet, findet darin eine Bestätigung für Strobls viel diskutierte Thesen – und muss zudem noch zur Kenntnis nehmen, dass die AfD davon profitieren kann.
Die systematische Verschiebung des Sagbaren
Der Schlüssel dazu liegt in der von Strobl beschriebenen „Radikalisierung der Normalität“. Sie legt dar, wie konservative Parteien in Reaktion auf rechtspopulistischen Druck Elemente jener Rhetorik, Strategie und Themenübernahme praktizieren, die ursprünglich von der extremen Rechten stammen. Der Radikalismus zeigt sich dabei nicht in offenen Gewaltaufrufen, sondern in der systematischen Verschiebung des Sagbaren, in der Entwertung politischer Gegner und im Einsatz emotionalisierter, polarisierender Kommunikation. Wem fällt in diesem Zusammenhang nicht das maßlose Herabwürdigen der Person von Robert Habeck und die systematische verbale Verprügelung der Grünen ein, die von konservativen PolitikerInnen in Deutschland betrieben wurde?
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Über die Autorin
Geboren 1985 in Wien, studierte Natascha Strobl im norwegischen Bergen sowie an der Universität Wien. 2010 schloss sie ein Skandinavistik-Studium mit ihrer Diplomarbeit zu den Sozialsystemen in Norwegen und Österreich als Magistra ab, 2012 ihr Politologiestudium mit einer Diplomarbeit über Ideologie und Strategie der Neuen Rechten. Strobl spezialisierte sich früh auf Rechtsextremismusforschung und politische Ideologien.
Bereits in den 2010er Jahren machte sie sich mit Studien über die Neue Rechte und die Identitäre Bewegung einen Namen. Ihre gemeinsam mit Kathrin Glösel und Julian Bruns verfassten Bücher „Die Identitären“ (2014) und „Rechte Kulturrevolution“ (2015) gelten heute als grundlegende Arbeiten zur modernen europäischen Rechten. Darin verbindet sie ideengeschichtliche Analyse mit politischer Soziologie und Medienkritik – ein Stil, der zu ihrem Markenzeichen werden sollte.
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Strobl analysiert auch Phänomene wie den „Opfermythos“ des politischen Establishments, das sich gegen angebliche moralische Eliten und gegen Medien wendet, oder den Missbrauch von Begriffen wie Freiheit und Sicherheit zur Legitimation von Ungleichheit und Ausgrenzung. Das Buch zeigt überzeugend, wie der politische Stil selbst – also Sprache, Medienstrategie, Emotionalisierung – zur Triebkraft der Radikalisierung wird. Diese Verschiebung beschreibt sie anhand zahlreicher Beispiele aus Europa und den USA, wobei sie vor allem die Politik Donald Trumps, Viktor Orbáns oder Sebastian Kurz’ als paradigmatisch versteht.
Den Anschein von Normalität bewahren
Strobls Analyse geht über eine reine Ideologiekritik hinaus. Sie richtet den Blick auf Strukturen und Dynamiken moderner Mediengesellschaften, auf Kommunikationsmechanismen und die Ökonomie der Aufmerksamkeit. Sie weist nach, dass der heutige radikalisierte Konservatismus kein Randphänomen mehr ist, sondern in den Zentren der Macht angekommen ist – und dass seine Stärke gerade darin liegt, den Anschein von Normalität zu bewahren. Ihre Sprache ist bewusst klar, zugänglich und ohne akademischen Jargon, was den großen Erfolg des Buches mitbegründet hat. Es war wochenlang auf Bestsellerlisten, wurde breit in Feuilletons diskutiert und 2021 mit dem Anerkennungspreis des Bruno-Kreisky-Preises für das politische Buch ausgezeichnet.
Strobls Buch hat in den letzten Jahren nichts an Relevanz und Treffsicherheit eingebüßt – im Gegenteil: Die aktuellen Entwicklungen bestätigen Ihre Thesen und Aussagen auf beeindruckende Weise.
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„start.klar. im UFO Bruneck“
Am 22.10. findet „start.klar. im UFO Bruneck“ statt. Das Thema lautet „Demokratie in Gefahr | Was macht den Rechtsextremismus so verführerisch?“. Zu Gast bei Moderator Markus Lobis sind die Wiener Politologin und Extremismusexpertin Natascha Strobl und der Sozialpädagoge und OstWestClub-Macher Thomas Kobler aus Meran. Der Livestream des start.klar.-Abends wird auf SALTO übertragen.
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Die einzige Ideologie, die…
Die einzige Ideologie, die es geschafft hat, mit Rechtswirkung die "systematische Verschiebung des Sagbaren" zu erzwingen, ist die Linke. Wenn ich in einer Stellenausschreibung nicht ":innen" beifüge, werde ich rechtlich zur Verantwortung gezogen. Ist das keine "systematische Verschiebung des Sagbaren"?
Ist es keine "Entwertung politischer Gegner", wenn Meloni im Wahlkampf als Mussolini 2.0 dargestellt wurde? Ich habe noch keine Schwarzhemden in Südtirol beobachtet.
Ist es kein "Einsatz emotionalisierter, polarisierender Kommunikation", wenn man als Rassist beschimpft wird, nur weil man gegen eine offene Migrationspolitik ist?
Radikalisierung findet auf beiden Seiten des politischen Spektrums statt, und die Darstellung, dass sie nur auf einer Seite geschieht, zeugt von der Einseitigkeit und Unsachlichkeit der Autorin.
Zitat: “Radikalisierung…
Zitat: “Radikalisierung findet auf beiden Seiten des politischen Spektrums statt, und die Darstellung, dass sie nur auf einer Seite geschieht, zeugt von der Einseitigkeit und Unsachlichkeit der Autorin”:
Das Buch heißt nun einmal “Radikalisierter Konservatismus. Eine Analyse”, Sie könnten ja ein Buch ‘Radikalisierte Linksideologie’ schreiben, dann haben Sie die Linke zum Thema.
Wer über die Berge schreibt, dem darf man nich vorwerfen, er hätte das Meer vergessen und sei daher einseitig, möchte ich meinen.
Antwort auf Zitat: “Radikalisierung… von Peter Gasser
Danke für diese Klarstellung…
Danke für diese Klarstellung. Ich habe manchmal den Eindruck, man muss nur ein paar Stichworte fallenlassen und schon rattern die rhetorischen Maschinengewehre los ...
Antwort auf Zitat: “Radikalisierung… von Peter Gasser
Ja und nein. Wenn ich das…
Ja und nein. Wenn ich das Buch "Smartphonesucht bei Frauen" schreibe, in dem ich beschreibe, wie immer mehr Frauen smartphonesüchtig werden, aber nicht darauf eingehe, dass in der gesamten Gesellschaft eine zunehmende Smartphonesucht besteht, dann ist das Buch einseitig und unsachlich, denn der Leser würde den Eindruck gewinnen, dass es sich um ein spezifisches Frauenproblem handelt.
Man kann durchaus ein Buch nur über Rechtsextremismus schreiben, aber insbesondere wenn man eine breitere Gesellschaft als Zielgruppe hat, sollte man es im Kontext darstellen und wenigstens darauf hinweisen, dass Radikalismus im Allgemeinen auf dem Vormarsch ist.
Antwort auf Ja und nein. Wenn ich das… von gorilla
Haben Sie das Buch gelesen?
Haben Sie das Buch gelesen?
Antwort auf Haben Sie das Buch gelesen? von Markus Lobis
Ich habe es überflogen, und…
Ich habe es überflogen, und es ist genau so, wie man sich den Titel vorstellt: eine einseitige Hasstirade gegen Trump, die ÖVP & Co. ohne jegliche Neutralität oder Konstruktivität.
Antwort auf Ich habe es überflogen, und… von gorilla
Trump wird 292 Mal erwähnt.
Trump wird 292 Mal erwähnt.
Antwort auf Haben Sie das Buch gelesen? von Markus Lobis
Haben Sie das Buch gelesen?…
Haben Sie das Buch gelesen? Wenn ja, dann bitte erklären Sie mir was Sie daran gut finden.
Wer schreibt als nächstes…
Wer schreibt als nächstes das Buch: "Radikalisierter Wokeismus"?
Oder gibts das schon?
Den gibt es längst...und…
Den gibt es längst...und zwar unter dem Links-Diktat. (laut Vince Ebert und anderen Leuchten)
Natascha Strobl über die…
Natascha Strobl über die rechte Reichshälfte zu befragen ist in etwa so objektiv als würde man Götz Kubitschek dazu einladen, über die linke Reichshälfte zu sprechen. Leider ist vielen Leuten nicht bewusst, dass Natascha Strobl nicht neutral ist. Sie war Vorsitzende der SPÖ-Studentenorganisation und hat im Büro eines SPÖ-Politikers gearbeitet. Sogar ihr Gatte arbeitet für ein von der SPÖ betriebenes Online-Medium.
Diese Frau ist also befangen. Sicher haben ihre Publikationen einen gewissen wissenschaftlichen Wert, allerdings sollte man sich beim Umgang damit stets dieser Interessenskonflikte bewusst sein (Quelle: https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/J/16429/fnameorig_1587620.ht…)
Antwort auf Natascha Strobl über die… von Oliver Hopfgartner
Da wir nicht in einem "Reich…
Da wir nicht in einem "Reich" leben, gibt es auch keine "Reichshälften". Wenn Götz Kubitschek spricht, kommt Verschiedenstes (und Immergleiches) raus, aber keine Wissenschaft. Frau Strobl (weder verwandt noch verschwägert) ist eine politische Frau und schreibt als Wissenschaftlerin. Man kann versuchen, die Wissenschaftlichkeit ihrer Aussagen zu überprüfen. Das ist ein normaler Vorgang und wissenschaftliches Alltagsgeschäft, die kritischen Herren und Gorillas seien dazu eingeladen. Und man kann Frau Strobls politische Einschätzungen kommentieren und kritisieren. Dabei würden aber belastbare Argumente einen schlanken Fuß machen.
Antwort auf Da wir nicht in einem "Reich… von Thomas Strobl
Genau, Natascha Strobl ist…
Genau, Natascha Strobl ist eine anerkannte Wissenschaftlerin MIT Haltung. Das geht sehr gut zusammen, denn die Beschäftigung mit Wissenschaft kann auch persönliche Haltungen verstärken. Ihre Thesen und Erkenntnisse stehen für kritische Betrachtung zur Verfügung und wenn jemand sie inhaltlich kritisieren will, gibt es am 22. Oktober im UFO Gelegenheit dazu. Wie natürlich auch hier auf diesen Seiten.
Antwort auf Natascha Strobl über die… von Oliver Hopfgartner
Wissenschaftler dürfen im…
Wissenschaftler dürfen im Privatleben und außerhalb ihrer wissenschaftlichen Arbeit auch politische Menschen sein.
Antwort auf Natascha Strobl über die… von Oliver Hopfgartner
Irgendwie finde ich eine…
Irgendwie finde ich eine Person die bei suhrkamp veröffentlicht wird glaubwürdiger, als einen rechtsradikalen Burschenschafter der versucht, diese Person in einer parlamentarische Anfrage zu deligitimieren.
Den Moment in dem die SPÖ linksradikal geworden ist, habe ich wohl verpasst. Danke.