Wirtschaft | Landwirtschaft

Schulers Gipfel

Was kommt heraus, wenn Landesrat Arnold Schuler Südtirols Landwirtschaftsvertreter an einen Tisch setzt? Über einen Zukunftsdialog, der zumindest Hoffnung macht.

Wo steht Südtirols Landwirtschaft und vor allem, wohin soll sie sich entwickeln? Fragen, die sich nicht nur angesichts der dramatischen Meldungen vom europäischen Milchmarkt, sondern vor allem nach den intensiven Diskussionen der vergangenen Jahre aufdrängen. Ob Pestizidverbote, Glyphosat oder Gülle – immer zentraler geht es dabei um den Begriff Nachhaltigkeit. Die Gräben, die sich auch außerhalb von Mals zwischen der konventionellen Landwirtschaft bzw. dem integrierten Anbau und jenen Bauern auftun, die sich dem ökologischen Ansatz verschrieben haben, waren auch auf dem kleinen Landwirtschaftsgipfel spürbar, den Landesrat Arnold Schuler am Dienstag am Steidlerhof im Bozner Obermagdalena einberief. „Zukunftsdialog – nachhaltige Landwirtschaft in Südtirol“ nannte sich das Experiment, die verschiedenen Lager samt ExpertInnen an einen Tisch und ins Gespräch zu bringen. Am Diskussionsbedarf fehlt es sicher nicht, zeigten fast drei intensive Stunden mit vielen Inputs und Wortmeldungen. Dass man von einem gemeinsamen Tisch aber immer noch weit entfernt ist, wurde schon allein anhand der selbst gewählten Sitzordnung am Steidlerhof deutlich: An einem der langen Tische die Vertreter der biologischen Landwirtschaft, an dem daneben jene der großen Landwirtschaftsverbände wie Bauernbund, Sennereiverband und diversen Konsortien.

Dabei wären alle Südtiroler Landwirte bestens beraten, gemeinsam neue Strategien in Sachen Ökologisierung auszuarbeiten, zeigte die Diskussion. Schließlich sieht Landwirtschaftslandesrat Schuler den Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit neben dem knappen Raumangebot und der zunehmenden Distanz zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft als größte Herausforderung für die Branche. Auch die beiden geladenen Experten des Abends wurden nicht müde, immer wieder auf den Megatrend Bio hinzuweisen. „Die Landwirtschaft muss sich in Richtung weniger Umweltbelastung bewegen“, war das Fazit von Robert Baur, Leiter des Forschungsbereichs Agrarökologie und Umwelt am Schweizer Forschungszentrums Agroscope. Auch Gülle-Mediator Matthias Gauly von der Freien Universität Bozen bezeichnete die Weiterentwicklung und Ankurbelung der biologischen Landwirtschaft und die Entwicklung neuer Produkte und Märkte als wichtigste Schlüssel zum Erfolg. Anhand einer deutschen Studie zeigte der Uni-Professor auf, dass Landwirte, die ausschließlich ökologisch arbeiten, wirtschaftlich besser abschneiden können als jene, die Kraftfutter einsetzen. „Auch wenn man solche Ergebnisse nicht 1:1 auf Südtirol übertragen kann, sollten sie uns dazu anregen, sehr intensiv in diesen Bereich hineinzuschauen“, so Gauly.

Doch so lobenswert Schulers Initiative sein mag, so sehr machte sie auch klar, dass zuerst einmal mentale Hürden ausgeräumt werden müssen, bevor Gaulys Ratschlag tatsächlich umgesetzt werden kann. Das fängt schon beim Landesrat selbst an, der auf das Stichwort Bio reflexartig mit der Aussage antwortet, dass ohnehin schon jeder zweite Bio-Apfel in Europa aus Südtirol kommt und ein Ausbau schnell zu einer Übersättigung des Marktes führen könnte. Auch tendiert Arnold Schuler letzthin dazu, die integrierte Produktion als ökologisch anzupreisen und für die Zukunft eine zunehmende Annäherung der unterschiedlichen Produktionsmethoden zu prophezeien. Aussagen, die wiederum bei überzeugten Bio-Produzenten Ängste vor einer zunehmenden Verwässerung wach rufen.


"Dann schauen wir uns das fehlende Stückl einmal an...."

Zwischen fünf und sieben Prozent der landwirtschaftlichen Produktion wird in Südtirol nach biologischen Richtlinien hergestellt. Die wohl größte Hürde für einen Ausbau dieser Nische scheint die Angst zu sein, dass herkömmliche Produktionsmethoden dadurch abgewertet werden könnten. „Wir dürfen nicht ins Schwarz-Weiß-Denken verfallen“, lautet das Mantra des Landesrats und vieler Bauernvertreter. Symbolisch dafür stand bei dem Treffen ein leider unterbrochener Disput zwischen einem Bio-Bauern und einem konventionellen Viehbauern. „Es gibt nicht nur Bio, das gut ist und alles andere ist schlecht“, verteidigte der Obmann der Vereinigung der Tierzuchtverbände Michael Treyer den eigenen Stand. „Auch mir fehlt nur ein kleines Stückl, und ich würde biologisch produzieren.“ „Dann schauen wir uns dieses kleine Stückl doch einmal an“, konterte ein Bio-Bauer. „Fehlt es im Hirn, fehlt es beim Futter.....“.

Nicht nur bei der Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte spielen Bilder im Kopf eine große Rolle, machte dieser Abend klar. Stimmt das auch am Dienstag beschworene Bild, dass jeder Landwirt von Natur aus nachhaltig arbeitet, weil er in Generationen denkt und dem eigenen Boden ohnehin nie schaden würde? Wie sehr bremst das Klischee vom Bio-Bauern als verschrobener Spinner den Mut vieler Bauern, sich nach alternativen Produktionsmethoden umzusehen? Dass diese ein Must sind, wenn jedes Jahr rund 100 landwirtschaftliche Betriebe für immer schließen, steht zumindest für den Obmann von Bioland Südtirol Michael Oberhollenzer außer Frage. „Wenn mir jedes Jahr zwei bis drei geschlossene Höfe zur Pacht angeboten werden, stimmt etwas im System nicht“, meinte er. Dabei gebe der Markt ohnehin längst vor, wohin die Reise gehen soll. „Wenn die Einkaufsgenossenschaft Hogast signalisiert, dass sie an einem Biofrühstück interessiert ist, lade ich die Verantwortlichen dazu ein, diese Nachfrage proaktiv anzugehen“, erklärte er. Doch immer noch würden Milchbauern heute ihre Höfe lieber aufgeben als sich neu zu orientieren, konstatierte der Bioland-Obmann. „Dabei gäbe es zum Beispiel im Bereich Fleisch eine Riesenchance und ein tolles Konzept von Bio-Beef“, gab er ein Beispiel. „Doch hier fehlen mir auch klare Stellungnahmen von Politik und Bauernbund.“

"Wenn mir jedes Jahr zwei bis drei geschlossene Höfe zur Pacht angeboten werden, stimmt etwas im System nicht.“

Warum können Bio-Forellen nur aus Deutschland importiert werden, warum muss man für Bio-Ferkel bis Österreich fahren? Und warum wird der neue Renner Heumilch ohnehin seit jeher von der Hälfte der Vinschger Milchbauern produziert, aber bisher nie entsprechend vermarktet, wie Sennereiobmann Joachim Reinalter einwarf. Viele der Fragen, die im vollbesetzten Saal des Steidlerhofs aufgeworden wurde, wiesen auch auf künftige Potenziale für Südtirols Landwirtschaft hin. Mitziehen müssen dabei auch die Konsumenten, unterstrich Bauernbundobmann Leo Tiefenthaler. Er zitierte eine Aspiag-Umfrage, wonach 80 % der Konsumenten Bio toll finden, doch nur 3 % wirklich bewusst Bio-Produkte kaufen.

Als Ausrede, selbst nicht auch stärker zu einem Abweichen vom gewohnten Weg zu motivieren, dürfen solche Zahlen dennoch nicht dienen. „Wir stecken mitten in einem Umdenken“, erklärt Universitätsprofessor Gauly. „Lange wurde auch von der landwirtschaftlichen Ausbildung her nur eine Richtung vorgegeben. Doch jetzt erkennen auch die dickköpfigen Südtiroler langsam, dass es auch andere Richtungen gibt.“


Türöffner für Gentechnik?

Nicht alle führen dabei zwingend in Richtung biologische Landwirtschaft. Um die Belastung von Böden und Produkten mit chemischer Behandlung zu reduzieren, gibt es auch andere Wege wurde beim Zukunftsdialog klar gemacht. Viele sind allerdings gesellschaftlich schwer durchzubringen. Ein gutes Beispiel dafür? Die Komplett-Einnetzung von Obstanlagen, die zwar Pflanzenschutzmittel überflüssig machen würde, im Gegenzug aber auch das Landschaftsbild zerstört. Ein interessanter Diskurs ergab sich rund um das Thema resistenter Sorten. Noch ist die Forschung nicht an dem Punkt, dass die bestehenden Produkte vom Konsumenten akzeptiert werden, waren sich die Vertreter der Apfel- und Weinwirtschaft einig. Doch noch zählt man auch darauf, dass Qualität und Geschmack dieser Sorten künftig steigen werden.

Zumindest einen Spalt weit geöffnet wurde die Tür in dem Zusammenhang auch für das Thema Gentechnik. Das, was gesellschaftlich verpönt ist, ist die Gentechnik der Neunziger Jahre, erklärte Laimburg-Direktor Michael Oberhuber. Heute dagegen arbeite man in der Gentechnik mit weit weniger invasiven Methoden. Die erlaubt laut Robert Baur allerdings auch Eingriffe am Erbgut, die im Endprodukt kaum mehr nachweisbar sind. Was heißt das für Südtirols stolz proklamierte Gentechnikfreiheit? Kann diese überhaupt noch glaubhaft kontrolliert werden bzw. inwiefern legt sich die Landwirtschaft damit auch selbst ein Hindernis in der Produktinnovation auf?

Der Diskussionsbedarf, das zeigten auch die intensiven drei Stunden im Steidlerhof, scheint in der Landwirtschaft derzeit unerschöpflich. Klarer denn je wurde dabei aber auch, dass Scheuklappen und Polarisierungen ganz sicher nicht aus der aktuellen Krise führen. „Dieses Treffen soll auch signalisieren, dass wir zu den Problemen stehen, die wir haben und versuchen wollen, in einer offenen Diskussion Lösungen zu finden“, erklärte Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler. Die Theorie klingt einmal gut. Nun fehlt nur noch die praktische Umsetzung.