Riposi in pace?
„Chiude il mercato delle pulci sul Talvera“: Die Schlagzeile, die am Donnerstag in Südtirols italienischen Tageszeitungen zu finden ist, ist keine Überraschung mehr. Spätestens seit vergangenen Herbst hat sich abgezeichnet, dass die ersten Samstage im Monat, an denen der traditionelle Flohmarkt seit 22 Jahren abgehalten wurde, gezählt sind. Abgeschafft werden sollte er bereits vor fünf Jahren. Damals setzte der Gründer und langjährige Organisator Giorgio Zaninelli vom Verein Zot der Gemeinde ein Protestschreiben mit mehr als 5500 Unterschriften vor. Zwei Jahre später wurde dann ebenfalls mit einer Unterschriftensammlung verhindert, dass der Austragungstag von Samstag auf Sonntag verhoben wird. Doch seit einigen Monaten ist klar, dass die Gemeinde diesmal tatsächlich ernst machen will.
Zu viele professionelle und auswärtige Händler ist die offizielle Begründung, mit der der Stadtrat bereits im Dezember ankündigte, die Organisation von Flohmärkten selbst übernehmen zu wollen und keinen Konzessionen an Private mehr zu vergeben. Zumindest nicht für jene private organisierten Initiativen, die neben der Talferpromenade unter dem Titel „Il baule del nonno“ auf dem Gerichtsplatz und der Talferwiese abgehalten wurden. Weiterhin aufrecht bleiben dürfen dagegen die Märkte in der Bozner Industriezone, also der Happymarkt auf dem Vives-Gelände, sowie der Flohmarkt auf dem Parkplatz des Revisionszentrums bei der Gobettistraße, auf den der Verein Zot im vergangenen Herbst ausgewichen ist.
Bereits im März 2014 hatte Zaninelli mit seinem Verein die Talferwiesen verlassen. „Damals hatte sich das Amt für Handel erfunden - und das sage ich bewusst, weil meine Recherchen das Gegenteil ergeben haben - dass wir laut Rechnungshof über die Reinigungsgebühren hinaus einen Batzen Geld für die Benutzung der Talferpromenade zahlen müssen“, erklärt er. Bedingungen, zu denen der Verein ohne Gewinnabsichten nicht mehr mitspielte und sich zurückzog. Die vergangenen zwei Jahre hatte dann die Multiple Sklerose Vereinigung Südtirol die Organisation des traditionellen Marktes übernommen.
"Sicher ist: die Gemeindeverwaltung wollte diese privaten Flohmärkten noch nie"
Ob der neue Betreiber weniger Energie hatte, die Schließung ein weiteres Mal abzuwehren, oder Probleme der Gemeinde mit dem neuen Konzessionär zu dem nunmehrigen Beschluss beigetragen hatten, wie von manchen hinter der Hand gemunkelt wird, sei dahingestellt. „Sicher ist: die Gemeindeverwaltung wollte diese privaten Flohmärkten noch nie und hat uns immer Steine zwischen die Füße gelegt“, sagt Giorgio Zaninelli. Dass es Gemeindefunkionären nun gelingt, den ursprünglichen Geist der Flohmärkte in einzelnen Stadtvierteln wiederauferstehen zu lassen, wie es laut der politischen Begründung des Schritts versprochen wird, glaubt der langjährige Flohmarkt-Organisator nicht. „Um erfolgreiche Flohmärkte abzuhalten, braucht es vor allem viel Leidenschaft“, meint Zaninelli. Die spüre er selbst, seit er im Oktober 1994 den ersten Flohmarkt auf der Talferwiese ermöglichte. „Das Konzept, solche Märkte privat zu organisieren, habe ich mir aus dem deutschprachigen Ausland abgeschaut“, erzählt er. „Wir waren damals nicht nur der erste privat organisierte Flohmarkt in Südtirol, sondern in ganz Italien.“ In all den Jahren habe er nicht nur immer wieder Anrufe von Reiseagenturen in Norditalien erhalten, die Busse zum Bozner Flohmarkt organisierten. „Vor allem habe ich Anrufe von Gemeinden bis hinunter nach Sizilien erhalten, die von uns lernen wollten“, so Zaninelli.
Nicht nur für ihn bricht mit dem Markt im Herzen der Stadt, auf dem die Bewohner aus den Stadtteilen rechts und links der Talfer zusammenkamen, ein wichtiges Stück Bozen weg. „Ich werde gegen diesen Beschluss Sturm laufen“, kündigt auch SVP-Gemeinderätin Sylvia Hofer von einer Tagung in Innsbruck aus an. Bereits in der kommenden Woche will sie das Thema in der Wirtschaftskommission noch einmal auf den Tisch bringen. „Es ist schon in Ordnung, wenn man die Stadtviertel beleben möchte“, sagt sie. „Doch dafür muss man nicht einen solch traditionellen Treffpunkt aller BürgerInnen abschaffen.“ Schließlich hat nicht nur die steigende Zahl an wirtschaftlich schwachen Bevölkerungsgruppen, sondern auch die zunehmende Abkehr von einer Wegwerfgesellschaft die Bedeutung von Flohmärkten heute zusätzlich gesteigert. Studenten oder Migranten auf der Suche nach günstigen Möbeln oder Küchenutensilien, Kinder, die ihre alte Spielzeugkollektion verkaufen, Mütter, die das Schlittschuhsortiment der Familie größenmäßig erneuern, Antiquitätliebhaber auf Schnäppchenjagd Menschen, die sich durch die Räumung ihres Kellers eine Rechnung zahlen können: „Was man bei der Gemeinde nie verstanden hat, ist die große soziale Funktion von Flohmärkten“, kreidet Giorgio Zaninell an. „Statt zu beschließen, was Benko will, sollte die Gemeindeverwaltung endlich einmal etwas machen, das auch den Bürgern einen Vorteil bringt“, so seine harte Kritik.
„Ich werde gegen diesen Beschluss Sturm laufen“
Ganz so weit geht SVP-Gemeinderätin Hofer zwar nicht. Doch auch für sie bleibt es ein Rätsel, warum sich die Gemeinde gegen eine so beliebte und sinnvolle Initiative stellt. Sollte es tatsächlich dabei bleiben und die Gemeinde versuchen, den Flohmarkt-Geist in den Stadtvierteln zu beleben, ist es laut der langjährigen Gemeinderätin essentiell, dass dies ohne großen bürokratischen Aufwand geschehe. Wenn solche Märkte mit viel Zetteln, Formularen und Anmeldefristen verbunden werden, seien sie von vornherein zum Scheitern verurteilt, prophezeit Hofer.Denn, wie sie sich selbst an zahlreiche Flohmarktsamstage erinnert: „Genau das war die Freiheit für uns alle – am Abend davor zu beschließen: Morgen machen wir einen Stand.“