Nicht jetzt, nicht hier
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Es ist bereits die vierte Ausstellung, die der junge Kulturverein „Lasecondaluna“ in diesem Jahr organisiert hat. Damit kann der in Leifers aufgegangene Zweitmond den Takt unseres ersten Erdtrabanten sogar überholen. Ob dieser Rhythmus das ganze Jahr anhalten wird? Wir wünschen dem Team aus Leifers doch etwas mehr Ruhezeit.
Die Ausstellungsräumlichkeiten für Silvia Morandis erste Ausstellungsretrospektive „Before, Beyond“ in der Leiferer Weissensteiner Straße hat man gründlichst auch nach außen abgedunkelt. Wer sich davon innerhalb der Öffnungszeiten (Infobox am Ende des Artikels) nicht abschrecken lässt, wird abgeholt in eine abgekapselte Paralleldimension. Für deren Gestaltung sind Kurator Michele Fucich, der mit Morandi bereits früh zusammenarbeitete, verantwortlich sowie der, in dieser Ausstellung in besonderer Weise wichtige, für das bestechend atmosphärische Lichtdesign verantwortliche, Giorgio Seppi. Dieser setzt auf viele kleine Lichtquellen, die Bilder mitunter auch einzeln beleuchten und die dafür sorgen, dass die Videos genug Dunkelheit für gute Kontraste vorfinden.
Seppi hätte man bei allen Danksagungen und Würdigungen beinahe vergessen, denn auch wenn „Before, Beyond“ eine Personale ist, so ist das Selbstverständnis nach Künstlerin und Kurator doch ein weiteres und die beteiligten Künstler sind damit auch Videomaker, Fotografen, Drucker und mehr. Das zweite Wort im Titel der Ausstellung, dieses „darüber hinaus, jenseits“ soll darauf ein Hinweis sein und ermöglicht der Performance-Künstlerin eine neue Perspektive in der Außensicht.
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Bemerkenswert sind auch die rund 30 Videostils und Fotoarbeiten von Morandis Performances, die auf die Räume aufgeteilt werden. Richtig gehört, bei einigen der Bilder handelt es sich „nur“ um Screenshots. Kurator Fucich sprach bei der Eröffnung über den Umgang mit dieser Bildquelle: „…in Wahrheit sind es Übersetzungen des Films, die zu herausfordernden Drucken werden.“ Diese Drucke hat Morandis Drucker des Vertrauens in Verona ausgeführt und es sei dabei „eine neue Materie entstanden, die sich nicht an - angenommene - Regeln zu halten braucht. Es wurde Wert auf die Lesbarkeit gelegt und es sind Arbeiten in ‚Pastell‘ entstanden.“ Diesen Arbeiten sieht man ihre Herkunft - gerade bei schwachem Licht in der Aufnahme - oft an, aber nicht immer. Statt nur an ein Zwischenbild in einem Video zu erinnern, bei dem auf Pause gedruckt wurde, haben sie insbesondere in Bewegungsunschärfen auch eine fast malerische Qualität.
Aufgespannt wird die Vielfalt zwischen zwei Beamer-Projektionen, den schwarzen und weißen Polen dieser Ausstellung. Im kleineren, diesem einzelnen Video vorbehaltenen Raum ist es „White Zero. The Rustle of Nothing“, eine Performance, die den Raum knistern und die Performerin in Lagen weißen Papiers verschwinden lässt. „Obscuritas“, eine Arbeit mit schwarzen Stoffbahnen, ist das Yin zum hellen Yang und findet sich am anderen Ende der Ausstellung. Beiden Arbeiten werden dabei Stil-Auszüge des jeweils anderen Werks zur Seite gestellt, Bahnen die von der Decke hängen trennen den Raum und ermöglichen Sichtschutz.
Wer mitgezählt hat, der wundert sich vielleicht, dass sieben Videoarbeiten auf einen Raum entfallen. Es ist die „Obscuritas“-Projektion, die den Ton im Raum angibt. Auf fünf Röhrenfernseher sowie auf einen Flat-Screen (mit „Presenza-Action“ 1 und 2, bei denen Morandi Regie führte, statt selbst im Bild zu sein) sind Kopfhörer verteilt. Es handelt sich bei diesen leider um jene günstigen On-Ear Kopfhörer, die das Audio mit dem des Umfelds verschmelzen lassen und eine Vertiefung in die Filme erschweren. Dennoch, bei all dem Trubel rund um die Vernissage war es erstaunlich leicht, sich auf die Bildebene einzulassen und einen Moment lang performativer Langsamkeit und bedeutsamen, aber gleichsam kryptischen Gesten zu folgen. Oder auch, um einfach den Raum auf sich wirken zu lassen, der etwas vom Kontrollraum einer großen, von Kameras überwachten Struktur hat. Die Art des Voyeurismus, die man dabei empfindet, kann etwas Spannendes haben. Unwohl fühlt man sich als Betrachter nicht, anders als der eine oder die andere, der in der ersten Reihe einer Performance nicht weiß, wie er oder sie sich zu verhalten hat. Wir haben den Vorteil der Distanz zu Silvia Morandis Performances. Diese entschärft und verändert sie.
Der kritische Text zu Silvia Morandis Schaffen seit 2017 vermag gut in die Bewegungs-Poetik, die Vorgehensweise und den Background der aus Bozen stammenden Künstlerin offen zu legen, die aus Kino, Tanz- und Performancekunst gleichermaßen schöpft. Zu den einzelnen Performance-Videos liegen eigene Texte auf, die in wenigen Zeilen etwas Kontext verschaffen. Die Frage, ob es aber nicht viel eher eine emotionale Dimension ist, die an den erst rätselhaft anmutenden Akten der Präsenz, die Morandi verübt, anziehend ist, als dieser rationale Diskurs, bleibe an dieser Stelle offen. Sie schwebt durch den Raum wie die kleine Mehlschwalbe, von der die Fotoarbeiten aus dem Projekt „Anima Condivisa“ zeugen und die Morandi aufgepäppelt hat. Sie ist zärtliche Nähe, die nicht unbedingt Verständnis, sondern nur Vertrauen braucht.
Für die Ausstellung, die noch bis 23. März in den Ausstellungsräumen in der Weissensteiner Straße 29 in Leifers, Dienstag bis Samstag von 16 bis 19 Uhr, sowie Freitag und Samstag auch von 10 bis 12 Uhr besucht werden kann, ist auch ein Rahmenprogramm geplant.
Am Samstag in zwei Wochen, am 16. März ist eine Führung durch die Ausstellung mit Künstlerin und Kurator von 17 bis 18 Uhr geplant, ab 18.30 Uhr steht der gemeinsame Talk “I linguaggi della performance” an.
Am 21. März - einem Donnerstag - bietet sich an, mit der Künstlerin und Yogalehrerin Isabella Nardon in der Ausstellung von 18.30 bis 19.30 Uhr an einer Yogastunde teilzunehmen.
Für beide Veranstaltungen ist der Eintritt - wie für die Ausstellung selbst - frei, eine Anmeldung per E-mail an [email protected] ist verpflichtend vorgesehen.