Sport | Muay Thai

„Weil ich gerne Leute zusammenschlage“

Magdalena Pircher bereitet sich auf den Kampf um den Europatitel im Thai-Boxen (Fliegengewicht) vor. Von Vorurteilen, Verzicht und ihrer Liebe zum härtesten Kampfsport.
Magdalena Pircher
Foto: Critelli
Im Kalender der Bozner Sportlerin Magdalena Pircher dürfte der 6. Mai rot markiert sein. Dann wird sie im Four Points Sheraton mit der Spanierin Claudia Perona um den Europatitel im Muay Thai - oder Thai-Boxen - in ihrer Gewichtsklasse kämpfen. Ausgerichtet werden die Kämpfe von Sing Noi Muay Thai, einem nicht profitorientierten Sportverein mit Sitz in Bozen, der neben der Tätigkeit als Veranstalter und der Verbreitung des Sports in besonderer Weise auf die Förderung lokaler Athletinnen setzt. Der Verein baut auf die jahrzehntelange Vorarbeit von Barbara Callegarin und Franz Haller auf. Letzterer ist dem Verein als Trainer treu geblieben. In die Salto Redaktion haben Magdalena Pircher Stefan Mohr, ihr Trainer, sowie Elias Bonell begleitet. Gemeinsam organisieren sie die Muay Thai Arena (siehe Infobox) in deren Rahmen Magdalena Pircher um den Europa Titel des World Muaythai Council kämpfen wird.
Wir drücken ihr die Daumen.
 
Salto.bz: Frau Pircher, haben Sie mit den Vorbereitungen auf den Kampf bereits begonnen? Wie kann man sich Ihr Training vorstellen?
 
Magdalena Pircher: Es dauert noch fünf Wochen bis zum Kampf, deswegen haben wir letzte Woche mit den Vorbereitungen begonnen. Wir trainieren am Morgen, treffen uns um 6 Uhr und gehen eine halbe Stunde laufen und trainieren dann noch eineinhalb bis zwei Stunden in der Halle. Gegen Ende April wird das noch intensiver, teilweise auch mit zwei Trainings am Tag.
 
Mit kurzen Rundenzeiten (3 Minuten), fünf Runden und kurzer Distanz zwischen den Kämpferinnen ist Thai Boxen ein sehr schneller Sport. Wie sehr zählen da Reflexe und wie viel muss man einstecken können?
 
Es ist vielfach schon noch die Reaktion. In solchen Momenten, wenn man vielleicht sieht, dass der Gegner anfängt zu schlagen, muss man dementsprechend reagieren. Man weicht aus oder blockt und kontert auf jeden Fall.
 
Wie lernt man einen Treffer einstecken zu können? Gerade im Training wird auch zum Schutz der Sportlerinnen auf Schoner gesetzt.
 
Wir machen Profikämpfe, bei denen gibt es keine Schützer. Beim Training schon, zum Teil wird man da aber auch in der Defensive abgehärtet. Da ist sicher auch viel Gewohnheit dabei. Man muss sicher einstecken können und das lernt man auch im Training.
 
 
Es ist so, dass mit Bein-, Knie- und Ellenbogenstößen einiges im Muay Thai erlaubt ist. Hat man da anfangs Berührungsangst und wie überwindet man die?
 
Ich denke, die meisten Personen haben wenn sie anfangen mehr Angst, andere zu verletzen als sich selber. Auch das passiert auf Trainingsebene: Es wird versucht, einen Kampf zu simulieren, ohne dass man sich so verletzt wie bei einem Kampf. Im Training gebe ich mein Bestes, aber mit den anderen „Gitschen“ unserer Halle werfen wir uns nicht alles um die Ohren.
 
Ist Muay Thai für Sie bereits eine globalisierte Sportart, oder ist es noch so, dass Sportlerinnen in Thailand einen gewissen Heimvorteil haben? Und gibt es vielleicht ein Handicap hier in Südtirol?
 
In Südtirol und Italien ist es sicher ein Problem, dass es viel zu wenige Veranstaltungen gibt. Als ich vor Kurzem in Thailand war, habe ich erlebt, dass man jeden Tag die Möglichkeit hat zu kämpfen. Hier, in Italien, haben auch durch Corona viele Veranstalter aufgehört. Es steckt ein großer Aufwand und Kosten hinter den Kämpfen, deswegen sehen sich die meisten, außer unserer Halle nicht darüber hinaus irgendwelche Veranstaltungen zu organisieren.
 
Welches sind die größten Kostenpunkte für so ein Event?
 
Elias Bonell: Zum einen der Veranstaltungsraum selbst. Danach unterscheidet es sich nach Art des Kampfes. Ein internationaler Kampf, wie in diesem Fall heißt, wir müssen auch internationale Punktrichter verpflichten. Diese erhalten natürlich ihre Entlohnung, müssen eingeflogen, untergebracht und verpflegt werden. Da kommt eins zum anderen. Der größte Kostenpunkt ist sicher die Halle, aber dazu kommen viele kleine und das summiert sich eben.
 
 
Zum Kampfsport kommt man aus verschiedenen Motiven. Wenn Sie mittlerweile auch auf professionellem Niveau aktiv sind, wie war das anfänglich? Was hat Sie bewogen mit Muay Thai zu beginnen?
 
Magdalena Pircher: Das war reine Neugierde. Ich habe bei einer anderen Halle, mit einem Freund begonnen und der hatte nach dem zweiten, dritten Mal dann nur mehr wenig Lust. Ein Jahr später kam ich zu Franz Haller und habe mit ihm trainiert. Er hat mir von Anfang an gesagt, dass ich Wettkämpfe machen kann und das habe ich nach acht, neun Monaten Training bei ihm getan. Seit diesem Moment bin ich bei dem Sport geblieben.
 
Wenn ich bei Ihrer Neugier nachhaken darf: Was hat sie am Sport neugierig gemacht?
 
Ich denke, einfach mal zu wissen, wozu man fähig ist und die Möglichkeit, über mich selbst hinaus zu gehen.
 
Welche Ziele haben Sie aktuell als Sportlerin? Wohin möchten Sie?
 
Ich denke, das nächste Ziel ist sicherlich der 6. Mai, der Europatitelkampf. Danach weiterhin internationale Kämpfe, vielleicht irgendwann mal ein Weltmeistertitel. Das ganz große Ziel wäre sicher bei einem großen, internationalen Verband unter Vertrag zu kommen, damit man das wirklich als Profi machen kann. In unserem Fall sind es nur Profikämpfe, aber das bedeutet nicht Profi in dem Sinn, dass ich von dem Sport leben könnte.
 
Womit bestreiten Sie dann Ihren Lebensunterhalt?
 
Ich bin Exportmanager und verkaufe weltweit Käse und andere Milchprodukte.
 
 
Können Sie von Ihrer sportlichen Tätigkeit etwas mit in Ihren Job einbringen?
 
Vielleicht meine Hartnäckigkeit macht es mir da etwas einfacher.
 
Sie haben den Kampfnamen „Meggy“. Warum nichts einschüchterndes?
 
Dazu kam es irgendwie nie. „Meggy“ ist eigentlich nur mein Spitzname, so nennt mich jeder. Irgendwie hat mir nie jemand anderes einen anderen Namen gegeben. Es war für mich nicht der Fall gegeben, mir selber einen Namen zu geben.
 
Wie schätzen Sie Ihre Gegnerin ein? Was sehen Sie bei Claudia „La Bruja“ Perona für Stärken und Schwächen?
 
Sie ist sehr technisch. Ich denke Sie ist, was ihr Niveau betrifft auf meinem Level. Zu einfach sollte es ja auch nicht sein, aber wir haben recht gute Chancen das zu gewinnen.
 
Glauben Sie der Kampf wird über die Runden gehen?
 
Also ich hoffe nicht, dass ich fünf Runden machen muss. Ich hoffe, es vorher zu beenden, aber das muss man aus dem Moment heraus einschätzen. Die erste Runde ist sowieso eine Kennenlern-Phase in der man sieht, wie die Gegnerin reagiert. Aber ab der zweiten Runde startet man voll durch.
 
Weil es doch Stereotype im Zusammenhang mit Kampfsport gibt, werden Sie mit solchen konfrontiert?
 
Das bin ich schon und die Kommentare und Reaktionen sind leider immer die gleichen. Es heißt dann: „Warum machst du das? Du bist ein Mädchen.“, „Das ist brutal.“, oder „Das ist doch schade, wenn du dir weh tust.“ Weil es bei Frauen oft nur um das Äußere geht. Da sieht keiner meine Passion dahinter und es will keiner den Grund verstehen. Das fängt bei meiner Oma an, die natürlich einer anderen Generation angehört. Sie fragt mich dann immer, ob ich turnen gehe. Sie weiß zwar, dass ich Boxen gehe, ist aber klarer Weise nicht begeistert.
 
 
Wie kontern Sie, wenn solche Statements, abgesehen von Ihrer Oma, gemacht werden?
 
Meistens mit Sarkasmus. Wenn mich jemand fragt, warum ich „so etwas“ tue, dann sage ich: „Ganz einfach, weil ich gerne Leute zusammenschlage.“ Irgendwo ist das Sarkasmus und irgendwo ist es auch mein voller Ernst. Im Alltag kommt es nicht so weit, da man mit einem gewissen Selbstbewusstsein auf die Straße geht. Es passiert einem gar nicht, dass man, etwa beim Ausgehen, von jemandem genervt wird.
 
Als Sportlerin, die auf Ihr Gewicht achten muss, sind Sie sicher mit Verzicht eng vertraut. Haben Sie Ratschläge für Personen, die am Ende der Fastenzeit mit den guten Vorsätzen zu kämpfen haben?
 
Ich faste eigentlich nicht. Aber ich finde, man sollte, was die Ernährung anbelangt nicht auf alles verzichten. Wenn man abnehmen oder fasten möchte, sollte man dennoch von allem etwas haben. Bei unseren „Weight-Cuts“ ist das meistens so, dass man für so lange Zeit auf etwas verzichtet, dass man es im Anschluss total damit übertreibt. So ist das bei uns oft. Ich weiß, das sind jetzt meine 40 Tage und ich verzichte da auch viel auf soziale Kontakte. Zwischen Arbeit und Training muss ich auch noch schlafen, dann ist nicht mehr so viel Zeit für Freundinnen. Ausgehen und etwas essen oder trinken, das ist das, worauf man verzichten muss. Generell verzichten wir auf Süßigkeiten und Alkohol. Nach dem Kampf trainiert man weiter, achtet aber nicht mehr so auf die Ernährung und es gibt - wie bei jeder Diät - einen Jo-Jo-Effekt, weil man versucht das alles nachzuholen.
 
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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer So., 02.04.2023 - 06:36

Boxen und weitere Spitzensport-Unarten, die Verletzungen bis zur Früh- Invalidität, ja sogar Todesfälle verursachen können, sollten sich die Veranstalter und die Fans selber bezahlen und nicht auch noch dauernd um Steuermittel für ihre perversen ... betteln.

So., 02.04.2023 - 06:36 Permalink