„Die Hymne der Minderheiten“
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SALTO: Herr Sullmann, wie ist es dazu gekommen, dass Sie Trainer der Südtiroler EUROPEADA-Mannschaft geworden sind?
Manuel Sullmann: Der Koordinator Siegfried Stocker hat mich angerufen, da der Trainer der letzten Ausgabe diese Rolle nicht mehr machen wollte. Als er mich kontaktiert hat, musste ich nicht lang überlegen und habe sofort zugesagt. Es ist ein „bäriges“ Turnier und eine „bärige“ Aufgabe Südtirol hier als Trainer zu vertreten.
Wie haben Sie das Team auf das Turnier vorbereitet?
Zuerst haben wir die Spieler ausgesucht, da schauten wir darauf, alle Vereine des ganzen Landes ein wenig einzubinden. Vor allem Ober- und Landesligaspieler wurden einberufen. Einen Monat vor Turnierbeginn haben wir uns zum ersten Mal getroffen und ein paar Trainingseinheiten sowie Freundschaftsspiele absolviert, auch um sich als Mannschaft und Gruppe besser kennenzulernen bevor wir letzten Samstag hier angekommen sind.
„Es wird immer schwieriger, weil alle Südtirol schlagen wollen, damit nicht immer Südtirol gewinnt wie es bis jetzt war.“
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Die EUROPEADA
EUROPEADA ist die Europäische Fußballmeisterschaft der autochthonen nationalen Minderheiten in Europa. Das Turnier ist ein großes Sportereignis mit mehr als 1000 Teilnehmern, das fairen Wettbewerb und die Spannung eines Sportfestes mit den Anliegen der autochthonen nationalen Minderheiten verbindet. Neben den Fußballspielen liegt der Schwerpunkt der Veranstaltung auf dem kulturellen Austausch zwischen den Minderheiten. Auf und neben dem Spielfeld geht es um Fairplay, Respekt, Toleranz und internationales Verständnis. Die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN), die größte Dachorganisation der autochthonen nationalen Minderheiten, Nationalitäten und Sprachgruppen Europas, ist Gründer und Koordinator des Turniers und organisiert die EUROPEADA gemeinsam mit den örtlichen Veranstaltern. Sie findet seit 2008 alle vier Jahre statt, üblicherweise im selben Jahr wie die Europameisterschaft. 2024 findet das Turnier im deutsch-dänischen Grenzgebiet statt.
Die Südtiroler Herren haben alle vier bisherigen Ausgaben des Turniers gewinnen können. Der Trainer des diesjährigen Teams, Manuel Sullmann, war selbst langjähriger Fußballspieler und spielte etwa für St. Georgen in der Oberliga. Zuletzt trainierte er den SV Stegen.
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Das heißt, die Auswahl der Spieler war auch darauf ausgelegt, Spieler aus vielen verschiedenen Vereinen einzuberufen?
Wir wollten die besten Spieler. Unser Ziel ist es, das Turnier zu gewinnen. Aber natürlich muss man auch darauf schauen, dass die Spieler zusammenpassen, sportlich sowie menschlich harmonieren. In zweiter Linie haben wir aber darauf geschaut, wenn es möglich war, alle Vereine ein wenig miteinzubeziehen.
Gab es spezielle technische beziehungsweise taktische Aspekte auf die Sie hingearbeitet haben?
In erster Linie, dass sich die Spieler finden und als Mannschaft zusammenwachsen, auch menschlich, das ist uns wichtig. Bei so einem Turnier ist so was auch ausschlaggebend, wenn man eine „bärige Truppe“ hat. Bestimmte Systeme haben wir ausprobiert und eingeübt. Mittlerweile sind wir auf einem guten Weg, wir sind gut gestartet [7:0 gegen Nordschleswig, Anm. d. Red.], heute folgt das zweite Spiel. Schritt für Schritt und es geht immer besser.
Als Rekord- und einziger Turniersieger – ist der fünfte Titel das klare und erklärte Ziel oder rückt bei so einem Turnier das Sportliche auch leicht in den Hintergrund?
Das Sportliche ist sicher das erste Ziel. Wir sind hier, um das Turnier zu gewinnen, unser Land gut zu vertreten, in erster Linie sportlich, aber auch um Werte, die wir in Südtirol leben, nach außen tragen zu können.
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Wer sind die stärksten Gegner heuer?
Es sind sechs-sieben Minderheiten, mit gut aufgestellten Mannschaften, die schon bei der letzten Ausgabe gute Teams hatten, gegen die sich die Südtiroler schwergetan haben. Es wird immer schwieriger, weil alle Südtirol schlagen wollen, damit nicht immer Südtirol gewinnt wie es bis jetzt war. Die Occitània haben bespielsweise eine gute Mannschaft, ebenso wie Südschleswig oder Team Koroška.
Was sind die Besonderheiten des Turniers im Vergleich zum „normalen“ Fußballturnier?
Organisatorisch ist da ein großer Aufwand dahinter. Die Tage, die man hier ist, sind sehr intensiv zwischen Trainings und Spiele. Man ist hier immer zusammen und hatte nicht viel Möglichkeit, sich einzuspielen. Die Mannschaften müssen sich schnell finden.
„Man erhält einen anderen Blick auf den Fußball und wie er in anderen Kulturen gelebt wird. Das ist das, was das Turnier ausmacht, dieser kulturelle-sportliche Austausch.“
Wie ist die Stimmung bei den Zuschauern auf den Rängen und wie viele sind dort?
Die Stimmung ist gut, beim gestrigen Spiel gegen Nordschleswig hatten wir etwa 200 Zuschauer, das Team ist allerdings auch ein Veranstalter. Südschleswig, ebenfalls Veranstalter, hatte bei seinen beiden bisherigen Spielen über 1.000 Zuschauer.
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Eine Teilnahme an der EUROPEADA ist jedenfalls ein guter Weg, um die kulturelle Identität von Minderheiten durch den Sport weiterzutragen?
Ganz genau. 27 europäische Minderheiten haben sich gemeldet, von denen 24 gekommen sind. Man lernt andere Kulturen kennen, auch aus sportlicher Sicht. Man erhält einen anderen Blick auf den Fußball und wie er in anderen Kulturen gelebt wird. Das ist das, was das Turnier ausmacht, dieser kulturelle-sportliche Austausch. Südtirol ist seit dem ersten Turnier dabei, damals waren acht Teams dabei im Vergleich zu heuer, das Turnier hat über die Zeit viel an Wertigkeit gewonnen.
Verfolgen Sie nebenher die UEFA-Europameisterschaft?
Sehr sogar. Nach jedem Spiel schauen wir im Hotel gemeinsam das Abendspiel. Das schweißt das Team noch mehr zusammen, wenn man gemeinsam bei den Spielen mitfiebert.Wie war die Stimmung an der deutsch-dänischen Grenze während des Achtelfinalspiels zwischen Deutschland und Dänemark?
Man hat es gespürt. In der Ortschaft, in der wir untergebracht sind, haben wir es zwar ein bisschen weniger mitbekommen, da wir im Hotel mitschauten. Man hat aber gemerkt, wie speziell das Spiel für die Dänen und Deutschen ist.
Was erwarten Sie heute Abend beim Spiel gegen Ils Rumantschs, die Graubündener Rätoromanen?
Wir versuchen konzentriert in das Spiel reinzugehen und unsere Leistung abzurufen, dann ist ein Sieg möglich. Dazu schauen wir sportlich sowie als Gruppe einen weiteren Schritt nach vorne zu machen.
„Es ist etwas besonderes, vor dem Spiel die Hymne der Minderheiten zu hören.“
Eine spezielle Art des Rematches von Samstag, Italien gegen Schweiz…
Die Rätoromanen sind ja aus einer ähnlichen Sprachfamilie wie die Südtiroler Ladiner. Das ist auch das Interessante, man hat diesen Ländervergleich, das macht die EUROPEADA aus. Dieses Zusammentreffen und der Austausch kleiner Kulturen und auch die neue sportliche Sicht, die man bekommt, wenn man sieht, wie das in anderen Ländern abläuft.
Was ist für Sie persönlich das Schönste an diesem Turnier?
Es ist etwas besonderes, vor dem Spiel die Hymne der Minderheiten zu hören. Das ist ein spezieller Moment. Ich bin stolz, dass ich als junger Trainer die Möglichkeit habe, dieses Amt zu übernehmen. Die Möglichkeit, die besten Spieler des Landes herauszusuchen und zu trainieren, ist etwas ganz besonderes.
Also wenn Sie wieder gefragt werden, würden Sie es nochmal machen?
Sofort (lacht).
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Das Spiel Südtirol gegen Ils Rumantschs (heute, 2. Juli um 17.30 Uhr) können Sie hier im Livestream mitverfolgen
Alle weiteren Informationen rund um das Turnier finden Sie hier.
Die Endrunde (Viertelfinale bis Finale) findet vom 4.-6. Juli statt.
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