Kultur | Gastbeitrag zu Hipstamatic Alps

Bergfotos im old style

Für manche ist es eine Plage, für manche Kult: Was ist dran, am Fotografiermodus vieler Smartphones à la Polaroid im Stile des Klick-Klack-Pssscht? Von Leonhard Angerer
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Foto: OEW Ecotex

Die Älteren unter uns mögen sich an die SX-70 Polaroid erinnern. Filmkassette einlegen, das typische Polaroid- Klick-Klack-Psschht-Geräusch und fertig war das Bild. Quadratisch, mit weißem Rahmen und zumeist ein akzeptables , nicht immer kontrollierbares Ergebnis. Ein Polaroid eben.

Die Foto-App Hipstamatic für das iPhone erinnert genau an diese Bilder. Aufnahmen die aussehen wie Fotos aus den 1960er oder 1970er Jahren mit den Farben und Formen von gestern. Der Retrotrend in der Fotografie ist nicht neu. Statt sich der Avantgarde zu widmen, blickt man zurück.

Beispiele dafür gibt es zur Genüge. So die chinesische 6x6 Plastikkamera Holga aus dem Jahre 1982, die in wenigen Jahren von einer erschwinglichen Volkskamera zur Kultkamera in Europa wird. 2008 bringt „The Impossible Project“ den Polaroidfilm wieder auf den Markt und selbst bei Photoshop und Lightroom gibt es Vintagefunktionen. Ein Widerspruch. Auf der einen Seite entmaterialisiert sich die Fotografie und wandert ins Netz ab, wie der Galerist und Fotograf  Rupert Larl in seinem Aufsatz zur Tiroler Fotografie „Klick das leben, Klick die Welt“ schreibt, und auf der anderen fotografiert man wie einst Oma und Opa.

Nun, was ist die Hipstamatic App wert? An Smartphonebildern, die mit Hilfe der Filter-Apps entstanden sind, scheiden sich die Geister. Kritiker bezeichnen sie als Plage, abschätzend ist von sogar „Möchtegern-Warhols“ die Rede. Aber es gibt auch den Pulitzer-Preisträger Damon Winter, der 2009 mit seinem iPhone US-Soldaten bei Einsätzen fotografiert und  für seine Fotoreportage die Auszeichnung »Picture of the Year International« erhält.

Ich selbst habe bisher mit allen möglichen Apparaten fotografiert hat (von der Hutschachtel bis zur Hasselblad) und  es war nahe liegend, das Anwendungsprogramm, verspätet aber doch,  in den Bergen in und um Südtirol auszuprobieren. Die wichtigsten Fragen, die mich dabei beschäftigten: Warum ist Retro immer noch modern? Und ist das, was herauskommt, Kunst Kitsch, oder einfach nur Fotografie? Eine Erklärung für diesen Kult hab ich nicht gefunden, die Interpretation, in Zeiten der Globalisierung würden die Menschen nach bleibenden Werten suchen, greift für mich zu kurz. Auch deshalb, weil die vielen jungen Menschen, die heute mit den Smartphones im Stil der analogen Kameras aus den 1970ern fotografieren, die Zeiten zuvor nur vom Hörensagen kennen. Und was das Thema Kunst oder Kitsch betrifft so überlasse ich das dem Betrachter. In jedem Falle ist es ein Foto. Ein Foto  ohne den Gestus des Mühsamen. Kein Geschleppe mehr. Raus aus der Hosentasche. Klick, Klick, Doppelklick. Bis man überdrüssig wird von all den satten Farben und Fotos.

„Fotografie ist ein Segment des Marktes. Der Fotoapparat funktioniert für die Fotoindustrie. Nicht der Besitzer des Apparates ist mächtig, sondern dessen Hersteller und Vermarkter“, schreibt Vilém Flusser in seiner Philosophie der Fotografie. Damit hatte er sicherlich Recht. Apple & Co  kennen die Trends und mischen  kräftig mit.

 

Mehr zu Leonhard Angerer: www.leonhardangerer.com