Politik | Energie

Komplizierter Kreislauf

Die SEL widerlegt die Rechnung des Grünen Landtagsabgeordneten Ricardo Dello Sbarba. Doch es ist ein Erklärung mit einigen Lücken.

Das Ganze ist sehr kompliziert“, sagt Stefan Stabler freundlich, „aber die Rechnung, die Riccardo Dello Sbarba macht stimmt so einfach nicht“. Der Pressesprecher der SEL AG muss wieder einmal Feuerwehr spielen. Die salto.bz-Meldung über die Landtagsanfrage der Grünen Fraktion und die darin enthaltene Feststellung, dem Land würden durch die SEL-ENEL-Verträge zwischen Steuereinnahmen und Gewinnen allein 2013 75 Millionen Euro durch die Lappen gehen, hat für einige Aufregung gesorgt. Auch beim zuständigen Landesrat Richard Theiner.

Dello Sbarbas These

Die „SE Hydropower GmbH“, die zehn Südtiroler Großkraftwerke betreibt, gehört zu 60 Prozent der SEL und zu 40 Prozent dem italienischen Stromriesen ENEL. In einem Zusatzvertrag mit dem Titel „Contratto di fornitura di energia elettrica off-take” wird vereinbart, dass die ENEL den gesamten produzierte Strom übernimmt und verkauft. Doch die SE Hydropower muss den Strom an die ENEL zum Selbstkostenpreis verkaufen. 2013 waren das 28,15 Euro je MWh. Die SE Hydropower hat laut eigener Bilanz im Jahr 2013 2.419.000 MWh Strom produziert und dafür von der ENEL 67.692.000 Euro bekommen.
Die ENEL verkauft den Strom an der Strombörse aber zu Marktpreisen. 2013 lag der „Prezzo Unitario Nazionale“ (PUN) bei 65,75 Euro pro MWh. Damit nimmt der Stromriese über 159 Millionen Euro ein.
Dello Sbarbas Überlegung: Der SE Hydropower geht viel Geld verloren. Würde man den Stromverkauf normal regeln, hätte sich der Bilanzgewinn 2013 der SEL-Tochter um 52 Millionen erhöht. 32 Millionen davon stehen der SEL und damit der Südtiroler Öffentlichkeit zu.
Dazu komme aber noch ein Steuerverlust. Denn den großen Gewinn macht in diesem Geschäft die ENEL. Der italienische Stromkoloss hat seinen Sitz in Rom, wo auch die Steuern anfallen. Hätte die SE Hydropower den Stromverkauf zu Marktpreisen verrechnet, wären die Steuern aber in Südtirol angefallen. Die Grünen haben errechnet, dass dem Land zwischen IRAP, IRES, IVA und Robin Tax allein 2013 so über 43 Millionen Euro an Steuereinnahmen durch die Lappen gehen. Macht insgesamt: 75 Millionen Euro.

Die SEL-Entgegnung

Stefan Stabler konferiert schon seit Tagen genau in dieser Sache mit Journalisten. „Es gibt zwei verschiedene Verträge und die angeblich entgangenen Erträge fließen in Wirklichkeit alle wieder in die SEL zurück“, sagt Stabler. Auch gebe es keine Verlust an Steuereinnahmen für Südtirol.
Der Chefredakteur der Südtiroler Wirtschaftszeitung, Robert Weissensteiner, hat ebenfalls diese Wirtschaftsgeschichte recherchiert und traf sich dazu mit SEL-Finanzchef Paolo Vanoni. Weissensteiner schreibt am Freitag in der Wirtschaftszeitung:

Laut Vanoni ist die Lage folgende: Der genannte Off-Take-Vertrag sieht vor, dass die SE Hydropower die gesamte von ihr erzeugte Strommenge zu einem Preis an die ENEL abtritt, der den Produktionskosten plus Kapitalverzinsung entspricht und jedes Jahr festgelegt wird (2013 waren es 28,15 Euro je MWh). Diese Summe (68 Millionen) verrechnet SE Hydropower (mit 10 % MwSt) an ENEL. Weiters verrechnet die Produktionsgesellschaft Einnahmen aus weiteren Stromverkäufen (2013: knapp zwei Millionen Euro) und die Einnahmen aus den Grünen Zertifikaten (2013: 31, 7 Millionen plus 22% MwSt). Die gesamte MwSt fällt in Südtirol an und fließt zu 70 Prozent dem Land zu.

Paolo Vanoni erklärt der Wirtschaftszeitung dann auch den zweiten Teil der Operation. Die SEL verrechnet der ENEL den Wert des Bezugsrechtes („valore del diritto di prelievo“) für 60 Prozent des von der SE Hydropower produzierten Stromes. Dieser Wert ist genau die Differenz zwischen dem bereits bezahlten Selbstkostenpreis und dem Markpreis. 2013 sind das 33,95 Euro je Mwh. Damit gehen 49,4 Millionen Euro an die SEL zurück. Da die SEL an die Enel eine Rechnung stellt, fließen zudem 10 Prozent davon als Mehrwertsteuer nach Südtirol.
Nach dieser Erklärung wäre das ganze ein Nullsummenspiel.

Einige Lücken

Doch ganz so ist es nicht. Zum einen muss man sich fragen, warum man eine solche komplizierte Vertragsstruktur erfindet, wenn am Ende niemand daran verdient?
Dann hätte man das ganze viel einfacher lösen könnten. Komplizierte Verträge werden nur dann gemacht, wenn man einen Vorteil daraus hat. Und diesen gibt es auf jeden Fall für die ENEL.
Denn die SEL sagt eines nicht: Der Kreislauf den Paolo Vanoni in der Wirtschaftszeitung beschreibt, gilt für nur für jene 60 Prozent SE Hydropower-Strom, der der SEL gehören. Dort fließen die Gewinne an die SEL und die Steuereinnahmen an Südtirol zurück. Doch 40 Prozent ihrer Stromproduktion liefert die SE Hydropower zum Selbstkostenpreis an die ENEL.
Hier fließen sowohl die Gewinne, wie auch die Steuereinnahmen nach Rom. Weil der ENEL-Gewinn allein daraus über 40 Millionen Euro ist, gehen auch hier die Steuerverluste (IRAP. IRES, IVA) für Südtirol in die Millionen.
Vor allem aber bleibt ein Punkt offen. Die Landesenergiegesellschaft äußerst sich zum brisantesten Punkt in der grünen Landtagsanfrage nicht. Darf die SE Hydropower überhaupt den Strom unter dem Marktwert zum Selbstkostenpreis verkaufen? Oder ist das eine vom Gesetz verbotene Unterfakturierung.
Hier gehen die Meinungen der Experte auseinander. Bleibt zu hoffen, dass das Finanzamt es so sieht, wie jene die diesen Vertrag ausgehandelt haben.
Sonst könnte es eine böse Überraschung geben.

 

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Karl Pitschiller Fr., 03.10.2014 - 17:47

Zwei Fragen an die Sel-Gruppe:
1) Wieso eine so komplizierte Struktur aufbauen, welche nicht einmal die Fachleute klar erklären können und wer zieht daraus in welcher Höhe einen Nutzen?
2) Wenn dem Land 2013 Euro 75 Millionen durch die Unterfakturierung bei SE Hydropower verloren gegangen sind, in welchem Ausmaß und wo sind diese Gelder eventuell wieder zurückgeflossen? Mit anderen Worten das angebliche „Nullsummenspiel“ laut Finanzdirektor Vanoni soll wie folgt belegt werden:
Verlust des Landes bei SE Hydropower Euro 75.000.000,00
Gewinn zum Ausgleich der Unterfakturierung bei……………
Gewinn zum Ausgleich der Unterfakturierung bei……………
Saldo ………………………………

Fr., 03.10.2014 - 17:47 Permalink