Gesellschaft | Herbstmesse Bozen

Altern sie noch - oder leben sie schon?

Der Präsident der Genossenschaft Wohnen im Alter Otto von Dellemann über die heutige Seniorengeneration
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Wir werden immer älter. Dafür bleiben wir aber auch länger fit. So der aktuelle wissenschaftliche Stand. Dementsprechend groß ist die Sorge um die Zukunft und wie man auf dieses gesellschaftliche Phänomen reagieren soll. Die heimische Wirtschaft erkennt darin eine Chance, und beginnt, auf die Bedürfnisse der neuen Zielgruppe einzugehen. 14 Südtiroler Organisationen haben sich zur Genossenschaft Wohnen im Alter zusammengeschlossen um sich den neuen Herausforderungen zu stellen.

Auch die Bozner Herbstmesse widmet heuer vom 10.-13. November den Senioren einen eigenen Ausstellungsbereich. 65+- Ein Sektor für alle Junggebliebenen behandelt das gesamte Repertoire an Themen, die uns im Alter beschäftigen. Von Reisen und Sport über Wohnen bis hin zu Technologien oder praktischer Rechtsberatung. Neben einem bunten Programm wird es am 12.11. um 11.30 Uhr eine Pressekonferenz zur Genossenschaft Wohnen im Alter geben. Der Präsident der Genossenschft Otto von Dellemann hat mit Salto.bz bereits vorweg über die sogenannten Best-Ager gesprochen, über damit verbundene, neue Marketingstrategien und darüber, was der demographische Wandel alles leisten kann.

Der neue Ausstellungsbereich 65+ der Herbstmesse in Bozen richtet sich vor allem an die sogenannten "Best Ager". Was bedeutet dieser Begriff?

Dieser Begriff richtet sich im Besonderen an die Generation 50+. Man versteht darunter eine Zielgruppe von Personen mit einem Lebensalter von über 50 Jahren. Der Begriff wird vor allem im Marketing und in der Forschung verwendet. So werden alters- und milieuspezifische Bedürfnisse erfasst und entsprechende Angebote entwickelt. Diese Gruppe von Menschen nimmt immer mehr zu und damit wird sie auch interessanter für den Markt. Diese Personen haben mehr Freizeit, häufig auch ein sicheres Einkommen und sind noch sehr beweglich und mobil. Also für den Markt eine immer wichtigere Gruppe.

Inwiefern sind Senioren heute anders als früher? Welche neuen Ansprüche haben sie gegenüber der vorigen Generation?

Die Veränderung ist schon dahingehend gegeben, dass die Lebenserwartung zugenommen hat und zwar dass die Menschen heute nicht nur älter, sondern auch gesund älter werden. Aufgrund dieser Tatsache, sind Senioren nicht mehr Personen, die sich zu Hause verkriechen und sich nicht mehr einbringen, sondern aktiv interessiert und besonders auch mobil. Sie wollen mitmischen und sich nicht auf die Seite schieben lassen, und gesellschaftlich eine Rolle spielen. Sie lassen sich auch nicht als altes Eisen deklarieren, sondern sind bestrebt, mit ihren Erfahrungen und Ansprüchen, ihrem Wissen und Können selbständig zu agieren und eigenständig ihr Leben zu gestalten. Sie wollen auch nicht abgeschoben  und ins Abseits gedrängt werden. Dies ist vor allem mehr noch bei den Frauen feststellbar, die über eigene Einkünfte wie etwa der Rente verfügen. Gerade hierin besteht ein Unterschied zur vorhergehenden Generation.

Was bedeutet dies für die Wirtschaft?

Aus dem vorher Gesagten kann der Schluss gezogen werden, dass Senioren - gerade die Generation von 60 bis 80 Jahren - noch ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft und damit  des Marketings sind und darstellen. Ob dies bei Reisen, Fahrten, kulturellen Veranstaltungen oder bei der Bekleidung und Ernährung der Fall ist - der Markt ist auf diese Möglichkeit bereits seit einiger Zeit aufmerksam geworden und beackert ihn.

Es scheint einen neuen Marketing-Trend zu geben. Bei Angeboten, die sich an Senioren richten, wird oft mit  jugendlichen Slogans geworben, wie etwa bei der Ankündigung von 65+ - für alle Junggebliebenen. Fällt es uns zunehmend schwer, das "Alter" zu akzeptieren? Schwerer als früher? Wenn ja, woher, glauben Sie, kommt das?

Diese Aussage für alle Junggebliebenen kann nicht allgemein als akzeptierbar angesehen werden. Viele sind sich bewusst,  älter zu werden, aber trotzdem noch aktiv und selbständig. Viele sehen im Alter auch einen Mehrwert: man ist wohl älter, aber damit erfahrener, doch noch beweglich, und eigenständig. Es fällt schwerer als früher, mit 60 Jahren das Alter anzunehmen, so wie es oft dargestellt und konzipiert wird. Nicht umsonst wird über die Erhöhung des Pensionseintrittsalters diskutiert. Gerade deshalb spricht man heute von mindestens zwei Seniorenabschnitten: von 60 bis 80 und dann über 80 Jahren.

Dank medizinischer und technologischer Fortschritte, werden wir immer älter. Dieses Phänomen steht oft in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Herausforderungen für die Zukunft, wie etwa dem demografischen Wandel. Welche negativen Auswirkungen werden die Folgen der alternden Bevölkerung in Südtirol haben?

Das Älterwerden ist eine Tatsache und die Zunahme von Personen über 60 Jahren ebenso, wie auch die Abnahme der Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren. Wir dürfen uns aber vor diesem Phänomen nicht ängstigen, sondern es als Chance und als Veränderungsmöglichkeit bewerten. Es darf nicht immer von negativen Folgen bei alternder Bevölkerung gesprochen werden. Sicher, es wird anders, aber das bedeutet nicht unbedingt  negative Auswirkungen. Neue Herausforderungen werden entstehen: mehr Pflegepersonal, andere Struktur unserer Häuser, unserer Dörfer und Städte. Die Mobilität, die Strukturen im Allgemeinen werden notwendigerweise  anders sein - wo werden die Schwerpunkte gesetzt? Das ist die Frage! Ältere Menschen sind grundsätzlich kein Kostenfaktor! Entscheidend ist immer, wie eine Gesellschaft auf Veränderungen reagiert und ob diese zugelassen und akzeptiert werden. Wir dürfen nicht den Teufel an die Wand malen, sondern müssen zeitig der neuen Herausforderung begegnen. In diesem Zusammenhang müssen wir auch die derzeitige Einwanderungswelle sehen.

Würden Sie sagen, unser Land ist dem gewachsen? Was muss (noch) getan werden?

Sicher ist es möglich, den Auswüchsen der alternden Bevölkerung zu begegnen. Erste Schritte sind schon gesetzt worden, wie z.B. Pflegesicherung, Essen auf Rädern, Tages- und Kurzzeitpflege, betreutes Wohnen, Seniorenclubs, Citybusse, kostenlose Mobilität der 70 bzw. über 75-jährigen, Pflegehelfer, Notrufdienst u.v.m.. Diese Dienste und noch andere müssen sicherlich noch mehr ausgebaut werden, auch in der Peripherie. Es muss ein langsamer Übergang zwischen dem selbständigen Wohnen, dem betreuten Wohnen und dem Pflegewohnheim ermöglicht werden. Einiges ist noch zu wenig ausgebaut. Vor allem im Bereich der Demenz- und Alzheimer Erkrankungen muss noch Bewegung kommen und verstärkt werden. Auch im Wohnbereich sind neue Formen unbedingt anzudenken. Dies sind nur ein paar Blitzlichter in der breiten Palette der Initiativen. 

Wird das Phänomen des langen Alterns (für Südtirol) auch Vorteile bringen?

Ja sicher! Der Mensch lebt ja nicht als kranker und zu unterstützender länger, sondern Großteils als selbständiger, aktiver Senior. Wie viel leisten Senioren im Bereich der Familien-Betreuung der Enkelkinder, im familiären Dienst, im gesamten Ehrenamt, in Betrieben usw.. Fiele dies alles weg, um wie viel ärmer wäre unsere Gesellschaft? Außerdem tragen sie zur finanziellen Unterstützung der nachkommenden Generation bei, als Beispiel kann Wohnungs- und Hausbau angefügt werden.