Hinter den Bildern
Bereits seit einiger Zeit widmet die Galerie Foto Forum in der Bozner Weggensteinstraße ihre Aufmerksamkeit der Dokumentarfotografie. Sie ist jenes Genre, das durch die digitalen Möglichkeiten zur Bilderproduktion quantitativ ungemein gewachsen ist und eine Teilhabe von vielen ermöglicht. Nicht mehr nur Berufsfotografen, Reporter oder Künstler produzieren Fotos und bilden Realitäten ab, sondern vor allem die Bilderflut all jener die mit Smartphones, Kleinbild- und Videokameras knipsend und filmend durch die Welt gehen, lassen neue Dimensionen und Fragen zur künstlerischen Dokumentation aufkommen. Solchen Fragen gehen die drei Künstler nach, die derzeit in der Galerie Foto Forum zu sehen sind:
Raphaël Dallaporta, Giorgio Di Noto und Monica Haller befassen sich in ihren Arbeiten mit den Themen Krieg und Konflikt und haben alle drei das Medium Fotografie als Hauptausdrucksmittel gewählt. Auch dies ein Klassiker: Wer kennt sie nicht, die Bilder des Krieges, wie jenes des Kriegsreporters Nik Ut, der ein vor Entsetzen schreiendes nacktes Mädchen auf der Flucht vor einem Napalmangriff abbildete, oder jenes eines sterbenden Soldaten während des Spanischen Bürgerkriegs von Robert Capa. Die Fotos sind Medienikonen geworden und die Kriegsfotografie wurde zum Schauplatz eines regelrechten Bildersturms – wer kommt näher ran, wem gelingt der eindrucksvollste Treffer?
Die drei jungen Künstler - sie sind allesamt nach 1980 geboren - gehen ganz andere Wege. Sie interessiert nicht das Geschehen vor Ort, sondern welche Zusammenhänge hinter den Reduktionen auf Bilder und Fotos stehen. Der französische Fotograf Raphael Dallaporta spielt in seiner Serie „Antipersonnel“ mit der Ästhetik von Werbefotos und legt uns Zuschauern anstatt harmloser Produkte handelsübliche Antipersonen-Minen vors Auge. Er holt die Minen aus ihrer mörderischen Unsichtbarkeit hervor und präsentiert sie schön aufgereiht hinter Glas, formal stringent.
Der Italiener Giorgio di Noto thematisiert in seiner Arbeit die diversen Aufstände und Revolutionen in Nordafrika in den Jahren 2010-2012. "The Arab Revolt" besteht aus einer Serie von dreißig Polaroid-Fotografien, die er von den diversen Videos machte, die so zahlreich im Netz zu finden waren oder noch sind. Die Vergänglichkeit dieser Dokumente habe ihn interessiert, und die Tatsache, dass der Arabische Frühling vor allem von Bürgern via handy dokumentiert wurde. Als Künstler wollte er jedoch vor allem der Frage nach der Funktion von Fotojournalismus nachgehen; das Verwandeln von bewegten Bildern in Standbilder und das Übersetzen des Digitalen ins Analoge mittels einer Polaroidkamera holen das vorgefundene Material in eine andere Dimension, um so die Bildbetrachter zu einer reflektierten Beschäftigung mit dem Thema zu bewegen.
Über die reine Fotografie hinaus geht die Buchreihe „Veterans Book Project“ der Amerikanerin Monica Haller. Sie zeigt nicht nur die Gräueltaten des Krieges, sondern in erster Linie das Alltagsleben der Soldaten während ihres Einsatzes im Irak und in Afghanistan. Entstanden sind diese Tagebücher im Rahmen von mehreren Workshops zwischen 2009 und 2014, an denen die Ex-Soldaten teilgenommen haben; sie selbst brachten Fotos, Notizen und sonstige Erinnerungsstücke mit und gestalteten ihr jeweiliges Buch, kuratiert von Monica Haller. Eine fast therapeutische Arbeit, die mit der Ausbildung Hallers zu tun hat. Sie studierte Peace and Conflict Studies sowie Kunst und Fotografie, und bringt so die Erlebnisse der Veteranen nicht nur dokumentarisch, sondern auch künstlerisch zur Geltung. Wer sich die Zeit nimmt, der findet in diesen Tagebüchern die dramatischen, banalen und berührenden Erfahrungswelten von amerikanischen Kriegsteilnehmern der jüngsten Stunde.
Die Ausstellung Kapitel II - Der Konflikt der Bilder zeigt mit diesen drei jungen Fotokünstlern, wie künstlerisch vielfältig und ethisch sensibel mit den Themen Krieg und Konflikt umgegangen werden kann.