Kultur | Salto Afternoon

Ein Gruß aus der Küche

Nach „Triangle of Sadness“ steht ein neuer Film mit satirischer Gesellschaftskritik in den Startlöchern. „The Menu“ überzeugt, zumindest inhaltlich.
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Foto: 20th Century Fox

Das Menü wird gereicht auf einer idyllischen Insel fern der Küste, weit draußen im Meer. 1250 Dollar kostet der exquisite Abend, zu dem sich zwölf Menschen versammeln. Margot, gespielt von Anya Taylor-Joy, ist eine von ihnen – oder ist sie das? In erster Linie begleitet sie. Taylor (Nicholas Hoult), einen jungen Mann, der nahezu besessen ist von dem Gedanken, vom Starkoch Slowik (Ralph Fiennes) bekocht zu werden. Der hat sich ein raffiniertes Menü für den Abend überlegt. Er nennt sich selbst einen Geschichtenerzähler, erhebt also den Anspruch, mehr als nur ein einfacher Profikoch zu sein, vielmehr ein Künstler, der dem Publikum, dem filmischen, wie auch dem im Kinosaal, eine Show bieten möchte. Nach und nach werden die Gänge kredenzt. Schnell fällt auf, Slowik hat seinen ganz eigenen Humor. Da werden Soßen serviert, die mit Brot zu tunken sind, doch das Brot fehlt, nur eine Notiz liegt auf dem Teller, ein Rezept für das nicht vorhandene Brot. Alles wirkt liebevoll zubereitet, verkünstelt und gleichzeitig einfach. Die sogenannten „Foodies“, also selbsterklärte Feinschmecker, so wie Tyler einer ist, fotografieren das schön drapierte Essen für Instagram & Co., schmecken vorgeblich alle enthaltenen Zutaten, schaukeln sich hoch in einer Art frenetischem Personenkult. Der Chefkoch ist wenig gerührt von Tylers Begeisterung, auch nicht von den skeptischen Blicken der anderen Gästen, unter denen sich eine berühmte Restaurantkritikerin, einige Neureiche und Alteingesessene tummeln. Sie alle, Margot ausgenommen, eint das liebe Geld, und die elitäre Einstellung, die sie zur Gourmetküche haben.
 

Ein Chefkoch, der sich als Künstler begreift, sein Schaffen als Kunst...


Bald wird klar, hier wird über Essen gesprochen, als wäre es Kunst. Das ist natürlich Auslegungssache, um den Film zu begreifen, sollte man jedoch seinen Standpunkt einnehmen. Oder, konkreter formuliert, den des Chefkochs. Der sich als Künstler begreift, sein Schaffen als Kunst, die vor ihm stehen muss. Er verabscheut den Personenkult um sich, da der einen langen Schatten wirft, die Kunst verdeckt. Dazu kommt, dass die Anwesenden ohnehin wenig Sinn für die kulinarische Kunst haben. Sie konsumieren sie scheinbar blind, sie „essen“ sie, ohne zu „schmecken“. Hat eben viel Geld gekostet, und wer es sich leisten kann... Kunst als elitäres Feld ist sicherlich nichts Neues. „The Menu“ schafft es jedoch, klug und überraschend subtil, einen Angriff auf die kulinarische Welt, aber auch die der Kunst insgesamt zu starten. Es soll an dieser Stelle nicht weiter auf die Handlung des Films eingegangen werden, da diese hier und da überrascht, und sich in ein Genre begibt, das man, sofern man blind in den Film geht, zunächst nicht erwartet.

 


Die kluge Geschichte und ihre clever verpackte Gesellschaftskritik ist im Vergleich zu Ruben Östlunds „Triangle of Sadness“ wesentlich subtiler und origineller gestaltet. Es geht hier nicht bloß um ein Herumhacken auf den Reichen, stattdessen macht der Film jene Reiche zum Spielball für einen viel weitreichenderen Diskurs. Es geht um den unverstandenen Künstler, sein Werk und dessen Rezeption, oder Nicht-Rezeption, sollte man eher sagen. „Reiche“ Kunst wird nicht rezipiert, sie wird gekauft.
 

Es darf auch einem Mainstream-Publikum ästhetischer Anspruch zugemutet werden.


So interessant „The Menu“ sein Thema verhandelt, so uninspiriert kommt die Inszenierung desselben daher. Der Regisseur Mark Mylod erzählt seinen Film in klassischer Hollywood-Manier. Ästhetisch ohne irgendwelche besonderen Einfälle wird das Drehbuch nach den stilistischen Merkmalen eines modernen Thrillers stur durchexerziert. Durch seine gefällige Präsentation erreicht der Film so sicherlich ein breiteres Publikum. Das ist zwar an sich positiv, jedoch wird der Kompromiss zwischen künstlerischem Anspruch und Massentauglichkeit zu weit getrieben. Es darf auch einem Mainstream-Publikum ästhetischer Anspruch zugemutet werden. Dieses kann den Film letztlich lesen, wie es ihn lesen will. Ob als gefälligen Thriller mit schwarz-humorigen Elementen, oder eben als kluge Kritik an der Kunstwelt. Ob sich der Chefkoch in den Augen des Publikums letztlich zur Heldenfigur oder zum Antagonisten hochschaukelt, sagt viel über selbiges aus, und legt den eigenen Zugang zur Kunst, ihren Schöpfern, und der Wertschätzung von beidem frei.
 

Trailer / Quelle: Searchlight Pictures


Interessant wäre eine Verfilmung des Drehbuchs durch europäische Autorenfilmer, rein inhaltlich könnte man sich etwa eine Adaption durch Michael Haneke vorstellen. Es wäre ein völlig anderer Film, im besten Falle jedoch eine Inszenierung, die das gelungene Drehbuch von Seth Reiss und Will Tracy verdient.