Patriotische Alternative?
Walter Blaas sieht keinen Anlass, sich zu schämen. Die mühsame Verabschiedung des Wahlgesetzes in der Nacht auf vergangenen Samstag mag von vielen als spettacolo vergognoso erlebt worden sein. „Ich bin völlig im Einklang mit mir und würde es noch einmal tun“, sagt der Freiheitliche Obmann und Landtagsabgeordnete. „Denn wenn es sich in diesem Fall nicht lohnt, alle Möglichkeiten auszunutzen, die ein Abgeordneter hat, kann ich gleich zu Hause bleiben.“ Immerhin ging es bei der Obstruktion, die der Freiheitliche im Regionalrat mit mäßiger Beteiligung seiner FraktionskollegInnen, doch in umso intensiverer Zusammenarbeit mit Unions-Abgeordneten Andreas Pöder betrieben hat, auch um die Rettung eines ehrgeizigen Projekts: eine deutschsprachige Alternative rechts der Volkspartei in Bozen zu ermöglichen. Doch die neu eingeführten Wahlhürden scheinen dem ohnehin schwierigen Unterfangen, ausreichend interessante Kandidaten für eine Einheitsliste der deutschsprachigen Mitte-Rechts-Parteien zusammenzubekommen, den definitiven Todesstoß versetzt zu haben. „Eine Drei-Prozent-Hürde kann auch von einem Dreier-Bündnis mit BürgerUnion und Südtiroler Freiheit nicht genommen werden“, ist der Freiheitliche Obmann überzeugt. „Und mittlerweile haben mir schon einige interessierte Personen zu verstehen gegeben, dass sie sich ohne eine reale Chance auf Erfolg nicht mit einer Kandidatur verbrennen lassen wollen.“
Freiheitliche Collage zum Kampf ums Wahlgesetz
„Die SVP hat mit diesem Wahlgesetz nicht für mehr Stabilität in Bozen, sondern für mehr Stabilität ihrer eigenen Partei gesorgt“, wettert auch der Buh-Mann der Mehrheit Andreas Pöder. Ohne die Drei-Prozent-Hürde, die laut seinen Berechnungen angesichts der ethnischen Zusammensetzung der Bozner Wählerschaft für deutschsprachige Parteien einer 11 %-Hürde gleichkomme, wäre die SVP „in arge Schwierigkeiten“ gekommen, meint Pöder. Nun dagegen scheint das rechte deutschsprachige Lager die Probleme als zu groß einzuschätzen, um sich auf ein Bozner Abenteuer einzulassen. Denn im Gegensatz zu italienischen Kleinparteien fehlen ihnen auch mögliche Bündnispartner, mit denen zumindest bis zum Eintritt in den Gemeinderat ein Zweckbündnis geschlossen werden könnte. „Ich will weiterhin mein Möglichstes versuchen, aber laut derzeitigem Stand sieht es nicht gut aus“, sagt Walter Blaas. „Sollten die beiden größeren Parteien doch noch etwas auf die Beine stellen, bekommen sie natürlich meine ganze Unterstützung“, meint Andreas Pöder. „Doch ich kann meine Kraft nicht mehr in das Projekt stecken.“
Knollscher Optimismus
Am meisten Optimismus verströmt dagegen der dritte mögliche Partner des Trios, das Walter Blaas anfangs mit Unterstützung des ehemaligen SVP-Manns Roland Atz als Promotor einer Bürgerliste zusammenschweißen wollte: die Südtiroler Freiheit, die sich vor allem nach dem Atz’schen Intermezzo von den möglichen Partnern distanziert hatte. Die hatten im November wiederum ohne Einbeziehung der Südtiroler Freiheit in einer Pressekonferenz eine parteiübergreifende Bürgerliste angekündigt. Seitdem hatte es laut Sven Knoll keinerlei weitere Gespräche mehr gegeben. „Ich bin zwar nach wie vor davon überzeugt, dass es in Bozen sinnvoll wäre, sich breiter in Richtung patriotische Bürgerliste aufzustellen“, sagt er. Doch wenn die beiden möglichen Partner dafür keine Kandidaten hätten, erübrige sich die Überlegung.
Damit ist das Projekt Bozen für die Südtiroler Freiheit aber nicht gestorben. Denn sie selbst habe durchaus Kandidaten. Wenn auch bisher nur „eine Handvoll“; darunter zwei Personen, die bereit wären, als Unabhängige auf der Liste zu kandidieren. „Die Gespräche sind in einer positiven Phase, aber die definitive Entscheidung steht noch aus“, so Knoll. Da ist nicht nur die Finanzierung eines Wahlkampfs, die noch einmal genauer analysiert werden muss. Allem voran wird eine Kandidatur davon abhängen, ob es gelingt noch mehr Menschen zu finden, die auf der unabhängigen Liste Gesicht zeigen wollen. „Denn die Ausgangssituation ist sicherlich nicht leichter geworden, deshalb braucht es eine möglichst breite Liste", sagt Knoll. So schwarz wie Blaas und Pöder sieht er die Lage dann jedoch keineswegs. „Nachdem es auf deutschsprachiger Seite zur Volkspartei praktisch keine Alternative gibt, denke ich schon, dass die Menschen bereit sind, eine Oppositionspartei zu wählen – vor allem, wenn sich darauf unabhängige Kandidaten wie bei uns finden.“ Obwohl es laut Knoll nicht darum geht, sich als Bewegung zu positionieren, stehe eine patriotische Ausrichtung der möglichen Bozner Liste außer Frage. „Denn diese Themen sind in Bozen in der Vergangenheit immer aufgrund von Koalitionsverbindlichkeiten auf der Strecke geblieben – selbst Minimalforderungen wie die Einrichtung eines Anti-Faschismus-Platzes als Konterpunkt dazu, dass im Bozner Gemeinderat ein offen bekennender Faschist saß.“