Wirtschaft | Wiederaufbaufonds

Sterzings ehrgeiziges Projekt

Biodiversitätszentrum, Schaugarten, Kunstgalerie, Wohnraum für junge Familien – das möchte die Gemeinde Sterzing mit 20 Millionen Euro aus dem Wiederaufbaufond umsetzen.
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Foto: Martin Schaller
„Ich rechne mir gute Chancen aus, dass unser Projekt ausgewählt wird. Schließlich erfüllen wir mit unserem Plan exakt die Vorgabe“, erzählt der Sterzinger Wirtschaftsstadtrat Markus Larch. Der Kommunalpolitiker spricht damit jenes Projekt an, das im Rahmen des gesamtstaatlichen Wiederaufbaufonds (Piano Nazionale di Ripresa e Resilienza – PNRR) mit bis zu 20 Millionen Euro gefördert wird. Eine Bewertungskommission, die in der Landesabteilung Deutsche Kultur angesiedelt ist, wird die eingereichten Vorschläge begutachten und bis spätestens 15. März die Entscheidung darüber treffen, welches Projekt dem Kulturministerium in Rom zur endgültigen Entscheidung übermittelt wird. 
Die Gemeinde Sterzing ist dabei mit einem sehr ehrgeizigen Projekt angetreten, das einen beträchtlichen Eingriff in den historischen Stadtkern darstellt. Das Projekt sieht nicht nur den Erwerb des historischen Ansitzes Jöchlsthurn samt Enzenberggarten vor, dessen Kernbau bis ins 13. Jh. zurückreicht und auf rund 4,6 Millionen Euro geschätzt wird, sondern auch dessen Umgestaltung zu einem „Biodiversitätszentrum“ sowie die Schaffung von leistbarem Wohnraum für junge Familien am historischen Stadtplatz, die Errichtung eines „Mehrgenerationen-Cafès“, einer Kunstgalerie und diverser Räumlichkeiten für die verschiedenen Vereine der Gemeinde Sterzing.
 
 

Enger Zeitrahmen

 
Um sämtliche geforderten Unterlagen bereit zu stellen, blieb dem Team rund um Larch, der als Koordinator fungierte, nicht sehr viel Zeit. In gerade einmal fünf Wochen stellten Bürgermeister Peter Volgger, Stadträtin Christine Eisendle Recla, Architekt Siegfried Delueg mit seinem Team, Julian Dittlmann, Lorenz Frei, Werner Plank, Martin Martinelli, Martin Schaller und Matthias Karader sämtliche benötigten Unterlagen zusammen. Gefordert waren auch die Mitarbeiterinnen der Gemeinde, Lydia Mair und Karin Hochrainer, welche die Vorgaben überprüfen, die Anträge ausformulieren, Besprechungen koordinieren und das Gesamtkonzept versandfertig machen mussten. Diese seien sehr strikt gewesen, wie Larch erklärt, „allerdings war nicht immer völlig klar, was und in welcher Form konkret gefordert wurde.“ Noch während des Arbeitsprozesses seien die Vorgaben immer wieder präzisiert worden. Auch der Umfang des Projektes stellte die Mitarbeiter vor große Herausforderungen, „schließlich hat keine Gemeinde ein 20-Millionen-Projekt einfach so in der Schublade herumliegen“.
 
 

Sterzing als Biodiversitätszentrum

 

„Wir möchten mit unserem Projekt nicht nur den historischen Ortskern wiederbeleben und ihn als leistbaren und attraktiven Wohnort gestalten, sondern auch den Nachhaltigkeitsgedanken in der Gesellschaft fördern und die Gemeinschaft für Umwelt und Biodiversität sensibilisieren“, so Larch. Das Projekt steht damit ganz im Kontext der Fortführung und Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Initiative „Essbare Stadt“, die im Rahmen eines Interreg-Projektes finanziert wurde. Bereits mit dem Vorläufer-Projekt wandte man sich von der klassischen Stadtbegrünung ab hin zu einer biodiversen und insektenfreundlichen Gestaltung der Grünflächen sowie der Förderung des Obstanbaus mit alten Sorten. Ziel sollte es sein, den Menschen wieder mehr Wertigkeit für die Landschaft und die Natur zu vermitteln. „Viel altes Wissen, das wir mit diesem Projekt versucht haben wiederzubeleben, war nämlich bereits verloren gegangen“, erklärt der Stadtrat. Im Rahmen des 20-Millionen-Projektes soll der Biodiversitätsgedanke fortgeführt und mit der Forschungstätigkeit kombiniert werden. „Wir haben bereits Gespräche mit dem Versuchszentrum Laimburg geführt, die sehr positiv verlaufen sind“, so Larch, der betont, dass der Wunsch Sterzings mehr als nachvollziehbar sei, „schließlich ist das Wipptal der einzige Bezirk, der weder über eine Forschungseinrichtung noch eine Hochschulstätte verfügt“.
Vorgesehen ist, die Außenstelle der Laimburg im Ansitz Jöchlsthurn anzusiedeln. Die verschiedenen Prunksäle des Gebäudes sollten der Allgemeinheit für Veranstaltungen wie beispielsweise Tagungen zur Verfügung stehen. Nach einer Generalsanierung vor rund 20 Jahren müssten auch kaum Umbaumaßnahmen vorgenommen werden, ausgenommen der Einbau eines Lifts, für welchen das Denkmalamt aber bereits grünes Licht gegeben hat.
 

Der Garten – Treffpunkt der Generationen

 

Der Ansitz Jöchlsthurn verfügt über eine beeindruckende barocke Gartenanlage, die besonders den älteren Sterzingerinnen und Sterzingern noch in guter Erinnerung ist. Bis zu seiner Schließung vor rund 25 Jahren war der Garten für die Allgemeinheit zugänglich und ein beliebter Treffpunkt. Konzerte und verschiedene Veranstaltungen fanden hier statt, auch ein Spielplatz für Kinder war angesiedelt. Die bereits bestehende Freifläche könnte laut Plan auch zukünftig wieder für Konzerte und Theateraufführungen genutzt werden. Dadurch würde der Stadtplatz, auf dem derzeit der Großteil der Veranstaltungen abgehalten werden, entlastet, gleichzeitig würde der Freizeitbereich der Stadt erweitert.
Aus Gründen des Denkmalschutzes müsse der barocke Charakter des Gartens zwar erhalten bleiben, das schließt jedoch nicht die Bepflanzung mit Heilkräutern und biodiversen Pflanzen aus“, so Larch. Wie der Garten soll auch ein didaktischer Wanderweg zum Roßkopf, der über verschiedene Höhenstufen führt, zur Sensibilisierung der Bevölkerung für die Bedeutung des Biodiversitätsgedankens beitragen.
 
 

Zurück zu alter Größe

 

Im Großprojekt miteinbezogen sind auch das historische Hospiz sowie das ehemalige Schulgebäude am Stadtplatz. „Unser Plan sieht eine Revitalisierung des alten Stadtkerns vor. Durch verschiedene Umbaumaßnahmen soll er seine historische Bedeutung wiedererlangen und wieder mit Leben gefüllt werden“, so Larch, der erklärt, dass man während der Projekterstellung zwar erkannt habe, dass sehr viel Wohnkubatur vorhanden ist, diese aber zum großen Teil ungenutzt bzw.  untergenutzt wird. Deshalb ist die Schaffung von rund 30 Wohnungen vorgesehen, die vor allem jungen Familien zur Verfügung stehen sollen. Die Büros der Tourismusgenossenschaft Sterzing - Pfitsch - Freienfeld sollen weiterhin im Gebäude des alten Hospizes angesiedelt bleiben, daneben ist aber die Errichtung einer kleinen Galerie vorgesehen, die für Kunstausstellungen genutzt werden kann. Im ehemaligen Schulgebäude ist ein „Mehrgenerationen-Café“ geplant sowie Versammlungsräume für die verschiedenen Vereine.
Im Zuge der Wildbachverbauung wird zudem die Brücke über den Eisack erneuert und der Treppenaufgang zum Ufer benutzerfreundlicher gestaltet. Gleichzeitig mit den Umbaumaßnahmen soll auch die Versorgung mit Glasfaser im historischen Stadtkern abgeschlossen werden. „Ich glaube, dass wir die Aufgabenstellung bestens erfüllt haben“, erklärt Larch, der betont, dass man, sollte man den Zuschlag erhalten, einen bedeutenden Spielraum habe, um die Stadt entsprechend weiter zu entwickeln. „Leider ist die Gemeinde Sterzing durch den Einsturz der Eishalle vor beinahe genau einem Jahr in finanzielle Engpässe geraten. Ohne zusätzliche finanzielle Mittel können wir kaum den institutionellen Aufgaben nachkommen, geschweige denn derart wichtige Projekte umsetzen.“