Rechtliche Grauzonen

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Während Länder wie die Schweiz oder die Niederlande etablierte Verfahren für den assistierten Suizid oder die aktive Sterbehilfe haben, sind andere europäische Länder erst auf dem Weg dahin. So hat Österreich in den letzten Jahren erste Schritte unternommen, um klare Regelungen zu schaffen. Anders in Italien oder Deutschland, dort wird immer noch auf ein Gesetz gewartet.
Um ein besseres Verständnis über die unterschiedlichen europäischen Verfahren zu erhalten, ist es wichtig, die verschiedenen Arten der Sterbehilfe zu kennen. Wichtig zu beachten ist, dass es sich dabei um Menschen handelt, die sich am Lebensende befinden. So bezeichnet die aktive Sterbehilfe (eutanasia) die gezielte Verabreichung eines tödlichen Mittels von außen, das den Tod des Patienten unmittelbar herbeiführt. Diese bleibt in Italien, Deutschland und Österreich strafbar. Der assistierte Suizid (suicidio medicalmente assistito) ist ein Prozess, bei dem einem Patienten ein tödliches Mittel zur Verfügung gestellt wird, das dieser selbst einnimmt. Dieser ist in allen drei Ländern erlaubt, allerdings fehlen in Deutschland und Italien klare Gesetze.
Die passive Sterbehilfe (l’interruzione e rifiuto delle terapie) bedeutet das Beenden oder Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen, wenn der Patient dies wünscht. Der Patient stirbt an seiner Krankheit, ohne dass eine aktive Handlung erfolgt. Bei der indirekten Sterbehilfe (sedazione palliativa) werden lebenserhaltende Behandlungen beendet, während das Bewusstsein durch pharmakologische Mittel gezielt herabgesetzt wird. Die durch den Abbruch der Behandlung entstandenen Beschwerden sollen so gelindert werden, um dem Patienten unnötiges Leiden zu ersparen. Beide dieser Verfahren sind in allen drei Ländern erlaubt und werden angewandt.
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Das Recht auf Sterbehilfe
Mit dem Inkrafttreten des Sterbeverfügungsgesetzes (StVfG) am 1. Januar 2022 hat Österreich erste klare Regelungen für den assistierten Suizid geschaffen. Die aktive Sterbehilfe, also die gezielte Tötung auf Verlangen, bleibt nach § 77 StGB weiterhin strafbar.
Das Gesetz ermöglicht volljährigen, entscheidungsfähigen Personen mit einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit, assistierten Suizid in Anspruch zu nehmen. Zwei Ärzte müssen je unabhängig voneinander die betroffene Person untersuchen und aufklären, wobei einer der Ärzte eine palliativmedizinische Zusatzqualifikation besitzen muss. Für die Errichtung der Sterbeverfügung erfolgt nach einer Wartefrist von mindestens zwölf Wochen, wobei diese Frist in Fällen mit einer Lebenserwartung von unter zwölf Wochen auf zwei Wochen verkürzt werden kann. Die Sterbeverfügung muss durch einen Notar erfolgen und in einem zentralen Sterbeverfügungsregister eingetragen werden. Diese Verfügung ist anschließend ein Jahr gültig und kann von der sterbewilligen Person jederzeit zurückgerufen werden.
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Begleitpersonen nicht mehr strafbar: Eine rechtliche Absicherung und Sicherheit sind nicht nur für die Sterbewilligen, sondern das gesamte Umfeld wichtig. Foto: pixabay, Hallmackenreuther
In Deutschland entschied das Bundesverfassungsgericht 2020, dass das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidhilfe (§ 217 StGB) verfassungswidrig ist. Die aktive Sterbehilfe, wird weiterhin als „Tötung auf Verlangen“ gewertet und bleibt nach § 216 StGB strafbar. Das Gericht argumentierte, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben geschützt sei, wodurch der assistierte Suizid an sich nicht mehr strafbar ist und durchführbar, jedoch ohne klare gesetzliche Regelungen. Ärzte und Organisationen agierten in einer rechtlichen Grauzone, solange keine eigennützigen Motive vorlagen. Der Bundestag versuchte immer wieder anhand von Gesetzesentwürfen etwas Klarheit in die Grauzone zu bringen, so etwa in den Jahren 2022 und 2023. Allerdings scheiterten diese und Reformen zur Sterbehilfe blieben erneut aus.
Die strafrechtliche Relevanz für die Begleitpersonen, die früher in beiden Ländern verfolgt wurden, wurde so geändert, dass Begleitpersonen nicht mehr strafbar sind, solange sie nicht aktiv an der Tötungshandlung beteiligt waren.
In Österreich sowie in Deutschland sind die Bundesländer nicht befugt, grundlegende Regelungen zur Sterbehilfe zu treffen, da dies durch das jeweilige Bundesrecht festgelegt wird. Allerdings haben sie Einfluss auf praktische Aspekte wie den Zugang zu palliativmedizinischen Angeboten und Beratung, was die Unterstützung und Durchführung von Sterbehilfe betreffen kann.
Der Weg ins AuslandIn Deutschland und Österreich gibt es zahlreiche Organisationen, die sich für das Recht auf Sterbehilfe einsetzen und Menschen beraten, die sich für assistierten Suizid entscheiden. Dazu gehören unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) und der Deutsche Hospiz- und Palliativ Verband e.V.. Auch in Österreich gibt es Organisationen wie EXIT und die Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende (ÖGHL), die Menschen unterstützen und über rechtliche und praktische Aspekte der Sterbehilfe informieren und auch dabei helfen in anderen Ländern Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen.
In Ländern wie der Schweiz und den Niederlanden gibt es längst etablierte Regelungen zur Sterbehilfe, weshalb sie von Sterbewilligen aus Deutschland oder Österreich genutzt werden, um dort assistierte Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Die Schweiz erlaubt assistierten Suizid, solange dieser nicht aus selbstsüchtigen Motiven erfolgt. Organisationen wie Dignitas oder Exit bieten solche Dienstleistung an, meistens gegen eine Kostenbeteiligung, die je nach Organisation unterschiedlich ausfallen kann. Belgien und Luxemburg erlauben sowohl den assistierten Suizid als auch die aktive Sterbehilfe unter bestimmten Umständen. In Belgien, Luxemburg und der Schweiz gilt anders als in den Niederlanden keine Wohnsitzpflicht, was den Zugang erleichtert.
Die Debatte über die Sterbehilfe bleibt eine ethisch komplexe. Sie wirft zentrale Fragen über die Autonomie und Sicherheit Sterbewilliger auf, über den rechtlichen Rahmen und die Möglichkeiten aller Beteiligten. Während in Österreich der assistierte Suizid klar geregelt ist, befinden sich Deutschland und Italien in einer rechtlichen Grauzone, da zwar Verbote aufgehoben wurden, aber keine eindeutige gesetzliche Neuregelung existiert. Wie in vielen anderen europäischen Ländern muss an einer gerechten Lösung gearbeitet werden und endlich Klarheit geschaffen werden. So wird sich auch in Südtirol zeigen, wie die Zukunft des selbstbestimmten Todes aussehen wird.
Dieser Artikel ist Teil unserer Serie zu Sterbehilfe, die weiteren Artikel zum Thema finden Sie hier. Die Podcast-Reihe „In der Streitergasse“ zum Thema ist heute ab 13 Uhr online.
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