Gesellschaft | ein Dank

Radiovetter

Gut Gemacht, verehrte RAI-Südtirol!
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Radio
Foto: Pixabay

Die nicht mehr ganz Jungen in eurer Mannschaft und auch wir nicht mehr so ganz junge Zuhörer, um deren Gesundheit sich heute alle so hingebungsvoll sorgen - ja, wir nicht mehr so ganz Jungen erinnern uns noch an den „Radiovetter“, den verdienten Sandro Amadori, der in den 60er Jahren (oder?) in unzähligen Radiogesprächen die Fragen der „Kattl“ (Katharina, für jene, die es nicht verstehen) zu allen möglichen sozialen Fragen (Renten, Krankenkasse u.ä.) beantwortet hat.

So ist es verdienstvoll, dass ihr euch in der Coronakrise wieder an das bewährte Format erinnert und die Fragestunde mit Prof. Dr. Bernd Gänsbacher eingerichtet habt. Ich gestehe, die Sendung übt eine gewisse Faszination auf mich aus. Ja, ich ertappe mich öfter in stillen imaginären Gesprächen mit ihm. Radiovetter, sag ich da zu ihm, Radiovetter, gut machst du es. In dieser Zeit großer Not und Verwirrung brauchen die Menschen Orientierung und klare Antworten. Da bist du der Fels der Wissenschaft mitten in der Brandung. Da strahlst du Bodenständigkeit aus, ein großes Gut in dieser Zeit. Da bist du der Vater, der weiß, der tröstet, der geduldig und genau Antwort gibt, ungeduldig und streng wenn es sein muss, der spürt, wenn sich ein Fragender der Grenze des erlaubten Fragens nähert und den du vor gefährlichem Schlingern bewahrst. Autorität ist gefragt in dieser Zeit. So verweigert dir auch keiner den Professorentitel, außer ein paar Kühne, die sich auf „Doktor“ beschränken und einzelne Freche, die über „Herr Gänsbacher“ nicht hinauskommen. Aber Schwamm darüber.

Total schön und berührend finde ich es, Radiovetter, wenn du „Krankenschwestern“ sagst. Nix da mit Krankenpflegerin. Seelenlos! Du ahnst nicht, was das in mir auslöst. Da ist Hilfe, Schutz und Trost, da bin ich nicht Klient oder Patient, nein, da bin ich ein kranker Mensch und ein leibhaftiges, menschliches, weibliches Wesen aus Fleisch und Blut neigt sich herab zu mir, ohne Mundschutz. Da gäbe es noch Vieles, aber das ginge hier zu weit und geht niemand etwas an - hat wohl damit zu tun, dass ich mich als 18-jähriger Blinddarmoperierter  in meine Krankenschwester verliebte und rasend schnell gesundete. Auch wenn es nicht gut erforscht ist, aber so etwas prägt dich fürs Leben, Radiovetter. Danke jedenfalls.

Und noch eins, Radiovetter, und dann bin ich still  – du weißt es vielleicht nicht – aber mit einem Satz, den du uns immer wieder eingehämmert hast – mit einem Satz hast du tief hineingegriffen in die Essenz dessen, um was es geht. Dein Satz: „Es gibt nur eins: entweder der Virus killt den Menschen, oder der Mensch killt den Virus!“ Immer wieder dieser Satz. Mensch, Radiovetter, ich sag Vergelt’s Gott. Wir sind sterblich, alle! Nichts anderes willst du uns damit sagen. Oh, wie konnten wir das vergessen! Und wir haben es vergessen und wenn wir es wussten, so haben wir es nicht verstanden. Weil wenn wir es verstanden hätten, dann stünden wir jetzt nicht so trostlos da, umgeben von haushohen Krisen. Und jetzt: peng! Memento mori! Und du weißt nicht wann. Jeder Tag kann der letzte sein. Vanitas soweit das Auge reicht. Alles steht. Und wir glotzen und schwitzen und langsam dämmert es. Und wir sind – genau wie du es so krass sagst - brutal mit der kruden Natur konfrontiert, mit der da draußen und mit unserer eigenen. Schutzlos. Dabei dachten wir, wir seien ganz spezielle Oberschlaue, jenseits und über der geistlosen Natur, mit der wir ziemlich lange grölend unsere Späße getrieben haben.

Radiovetter, ich kenn dich ja nicht, aber ich will dich mir vorstellen im härenen Mönchsgewand, gütig und streng zugleich, wissend, dass die schlichten Fragen, die zu beantworten du dir in Demut auferlegt hast, Abgründe an Fragen verbergen. Und du stehst da, hoffend, wir möchten verstehen – richtig verstehen, wirklich verstehen, jenseits und tiefer, als das Offensichtliche, mit dem wir zu dir pilgern.