Politik | Volksabstimmung in Meran 1899 und in Brixen 2014

Bürgerbeteiligung vor 115 Jahren einfacher und fairer

Schon im 19. Jahrhundert konnte man in Südtirol als Bürger – damals tatsächlich nur Männer – über wichtige Investitionsvorhaben der eigenen Stadt direkt abstimmen. So waren im fernen Jahr 1899 alle Meraner aufgerufen, über den Bau eines neuen Stadttheaters abzustimmen. Das zum Großteil von Meran selbst finanzierte Vorhaben wurde dann mehrheitlich gutgeheißen und gebaut. 115 Jahre später ist man in Brixen von einem solch transparenten und fairen Vorhaben weit entfernt.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Die Meraner konnten 1899 während der Amtsöffnungszeiten an einem Montag ihre Stimme zum Theaterbau abgeben, dessen Kosten genau beziffert und das entsprechende Darlehen gedeckelt war. Interessant, dass das Nichterscheinen eines Stimmbürgers als Zustimmung gewertet wurde, nicht als Ablehnung, wie es sich beim heutigen Beteiligungsquorum (z.B. in Brixen 40%) auswirkt.

Die Brixner Bürger und Bürgerinnen können dagegen beim Seilbahnprojekt nach St. Andrä zu Recht das Gefühl bekommen, von ihrer Stadtregierung zum Narren gehalten zu werden. Die Stadtratsmehrheit, die verbissen ihr Projekt einer Seilbahn über die Stadt hinweg verfolgt, hat nicht nur schon einmal eine von den Bürgern geforderte Volksabstimmung darüber verhindert, sondern will bei einer neuen Volksabstimmung folgende Frage vorlegen: „Was sollte die Gemeinde tun, um die Verbindung nach St. Andrä zu verbessern? 1. Eine Seilbahn mit Start vom Bahnhof bauen; 2. Die Busverbindung verbessern; 3. Nichts, alles soll bleiben wie es ist.

Diese Fragestellung ist gleich auf den ersten Blick manipulativ, weil eine weitere, also vierte Option (eine Seilbahn am Hang, etwa von Milland aus) gar nicht aufgeführt wird und ein Seilbahnprojekt als Alternative zur Verbesserung der Busverbindung gestellt wird, zwei Projekte, die sich gar nicht ausschließen. Zudem ist die Fragestellung widersprüchlich, denn wenn man grundsätzlich eine Verbesserung gegenüber dem Status Quo anstrebt, ist „Nichtstun“ keine logische dritte Option.

Doch steckt eine Strategie hinter dieser Fragestellung: die Befürworter des Standorts Bahnhof würden geschlossen für diese Variante stimmen, die Gegner würden die Stimmen zwischen zwei Möglichkeiten, die sich kaum widersprechen, verzetteln. Nicht umsonst kritisiert der Verein ProAltVor in seinem Faltblatt diesen Trick: „Wir sind gegen Fallen und erpresserische Fragestellungen.“ Das seit Monaten andauernde Tauziehen um die richtige Fragestellung zeigt auch, dass die direkte Bürgerentscheidung in Brixen schlecht geregelt ist. Eine pluralistisch besetzte Kommission müsste frei von politischen Winkelzügen eine klare Frage bezogen auf ein Projekt vorgeben. Wenn mehrere Projekte zur Abstimmung stehen (eines seitens der Stadtverwaltung, ein anderes seitens der Bürger), muss zusätzlich eine Stichfrage zur Entscheidung zwischen den beiden Projekten gestellt werden. Da hatten es die Meraner vor 115 Jahren leichter.

Thomas Benedikter

 

Bild
Profil für Benutzer Franz Linter
Franz Linter Fr., 04.07.2014 - 23:18

Nicht nur, dass der Standort Milland, den sich viele Bürger wünschen, fehlt (Umfrage in Brixner 2012: weniger als 30% für den Bahnhof, mehr als 50 % für Sportzone Milland); laut BM Pürgstaller betrachtet die Gemeindeverwaltung das Ergebnis als nicht bindend, falls eine Zustimmung für beiden Projekte nicht erreicht wird.
Und das ungeachtet des Artikels 46 Absatz 10: "Das Ergebnis der Volksabstimmung bindet die Gemeindeverwaltung und den Gemeinderat."

Fr., 04.07.2014 - 23:18 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Franz Linter
Franz Linter Fr., 04.07.2014 - 23:37

Noch 2 Anmerkungen:
- Brixen hat kein Beteiligungsquorum mehr, sondern fordert für eine Zustimmung, dass eine Fragestellung die Mehrheit der Stimmen hat, mehr Stimmen als "soll bleiben wie es ist" bekommt und die Anzahl der Stimmen mindestens 25% der Wahlberechtigten entspricht.
- Das "soll bleiben wie es ist" muss bei Fragestellungen mit Alternativen immer dabei sein, es stellt das Nein der einfachen Fragen dar. Der Wähler kann bei Alternativen nur mehr eine Position ankreuzen, es gibt kein ja oder nein.

Fr., 04.07.2014 - 23:37 Permalink