Politik | Autonomiekonvent

“Keine Blitzaktion”

Für Francesco Palermo ist, was zuletzt im Konvent der 33 passierte, ein Missverständnis. Der Senator klärt auf, und bedauert das Niveau der politischen Debatte im Land.

Herr Palermo, die jüngste Sitzung des Konvent der 33, der Vorschläge für die Überarbeitung des Autonomiestatus ausarbeiten soll, wurde abgebrochen nachdem Riccardo Dello Sbarba darauf hingewiesen hatte, dass ein Gesetzentwurf im römischen Parlament vorliegt, in dem die Südtiroler und Trentiner Senatoren – darunter Sie – ihrerseits Vorschläge für eine Statutsreform unterbreiten. Dello Sbarba spricht von einem “schiaffo in faccia” für die Arbeit des Konvents, Luis Durnwalder nennt die Aktion “gravierend”.
Francesco Palermo: Ich kenne die Geschichte und auch die Polemik. Ich glaube, hier handelt es sich um ein Missverständnis.

Versuchen die Parlamentarier, die Arbeit des Konvents zu untergraben, indem sie in Eigeninitiative in Rom eine Autonomiereform einleiten wollen?
Nein, auf keinen Fall. Eines möchte ich vorausschicken: Der Konvent ist kein verfassungsgebendes Organ. Sondern nur ein Hilfsorgan für den Landtag, den er mithilfe einer partizipativen Methode unterstützen soll. Die Arbeiten des Konvent fließen in den Landtag ein, der dann einen Beschluss fasst. Wenn der Konvent aber so manipuliert wird, als ob es sich um eine verfassungsgebende Versammlung handeln würde und so hingestellt wird, als ob er andere Ziele haben würde als er wirklich hat, dann hat man von partizipativer Demokratie ziemlich wenig verstanden.

Was hat es mit dem Gesetzentwurf Nr. 2220 auf sich?
Da muss ich ein bisschen ausholen. Anfang 2015 wurde eine so genannte “Expertenkommission” von den beiden Landesregierungen in Bozen und Trient beauftragt, sich mit dem Teil des Autonomiestatuts zu befassen, der die Kompetenzen betrifft. Ich war auch Teil dieser Kommission, die aus fünf Mitgliedern aus Südtirol und fünf aus dem Trentino bestand.

Ich finde das alles absurd und kleinkariert. Aber das ist eben leider das Niveau unserer politischen Debatte hier in Südtirol.

Aus welchem Grund sollte sich diese Kommission mit dem Autonomiestatut beschäftigen?
Um Möglichkeiten und Ideen auszuloten und konkrete Entwürfe auszuarbeiten. Ende Jänner 2015 war ein Entwurf fertig, den wir an die beiden Landeshauptleute weitergeleitet haben. Im Frühjahr 2016 waren Kompatscher und Rossi in Rom, wo es zu einem Treffen mit den Parlamentariern kam. Die zwei Landesregierungen hatten unseren Entwurf inzwischen überarbeitet, ohne wesentliche Änderungen vorzunehmen. Kompatscher und Rossi baten uns dann, den Entwurf im Parlament einzubringen – als Zeichen des mehrheitlichen politischen Willens in Südtirol und im Trentino. Das haben wir dann gemacht.

Was doch den Eindruck erwecken könnte als ob die Parlamentarier samt Landesregierungen am Konvent vorbeiarbeiten wollen? Wozu dient der Gesetzentwurf?
Bereits während der Sitzung mit Kompatscher und Rossi im heurigen Frühjahr habe ich ganz deutlich gesagt, dass dieser Gesetzentwurf nur einen Zweck hat.

Nämlich?
Zu zeigen, in welche Richtung es gehen könnte was die Kompetenzen anbelangt.

Es ist ein Zeichen, dass die beiden Autonomen Provinzen mehr Kompetenzen wollen.

Die Absicht war nicht, abseits vom Konvent eine Überarbeitung des Autonomiestatuts in Rom durchzubringen?
Das steht außer Frage. Der Punkt ist nämlich: Niemand glaubt daran, dass dieser Gesetzentwurf in der laufenden Legislaturperiode wirklich verabschiedet wird. Das würde auch absolut keinen Sinn machen, weil der Konvent ja daran arbeitet.

Sie sagen, es gibt keine Chance für eine rasche Umsetzung des Gesetzentwurfes. Was wollen die Sie und Ihre Kollegen dann konkret damit erreichen?
Wenn ein Gesetzentwurf nur dann eingebracht wird wenn er konkrete Chancen hat, verabschiedet zu werden, dann wären 99 Prozent der Gesetzentwürfe absolut sinnlos. Aber: Es gibt sehr wohl einen großen Unterschied zwischen schwammigen Ideen und manchmal ziemlich unwahrscheinlichen Vorschlägen, die auch von einigen Konventsmitgliedern eingebracht werden und einem Gesetzentwurf im Parlament.

Der da wäre?
Dieser Entwurf verhilft dazu, Weichen für eine spätere Diskussion zu setzen und gibt eine Art Richtlinie dafür vor. Es ist ein Zeichen, dass die beiden Autonomen Provinzen mehr Kompetenzen wollen. Wenn die konkurrierende Gesetzgebung abgeschafft wird, dann zeigen wir schon eine mögliche Richtlinie auf. Ansonsten bleiben Absichtserklärungen in Zeitungsartikeln und Interviews, die keinerlei politisches Gewicht haben. Aber der Konvent hat bei seinen Arbeiten total freie Hand.

Wenn wir das Autonomiestatut nicht anpassen, hat dann jemand wirklich gewonnen?

Bedeutet das, zusammengefasst, dass der Gesetzentwurf 2220 unter anderem dazu diente, die Arbeiten des Konvents aufzuwerten?
Absolut, hundertprozentig. Er sollte auch eine Arbeitsgrundlage für den Konvent darstellen. Seine Mitglieder können sich auf den Gesetzentwurf stützen und sagen: Ok, es gibt hier schon ein offizielles Dokument im Parlament, eingereicht von einer gewissen Anzahl von Senatoren, das ein politisches Gewicht hat und noch dazu vom Inhalt her realistisch ist. Eine Chance, dass der Entwurf im Parlament verabschiedet wird, gibt es aber wie gesagt keine.

Bereuen Sie, den Gesetzentwurf mit eingebracht zu haben?
Das war alles richtig so. Wenn sich der Konvent bewusst wird, dass er diese Arbeitsgrundlage hat und im Parlament auch schon die Weichen für eine Diskussion gestellt wurden, die notgedrungen in der nächsten Legislaturperiode stattfinden wird, dann glaube ich schon, dass eine Reform einfacher wird. Weil durch diesen Prozess auch politischer Konsens aufgebaut wird.

Warum spricht Riccardo Dello Sbarba dann von einem “blitz romano di un gruppetto di parlamentari”?
Das ist ein Beispiel für das Theaterspiel der Politik, wo man immer eine solche Sprache verwenden muss. Was sicher nicht konstruktiv ist.

Wie kommt Dello Sbarba dazu? Ebenso war Luis Durnwalder empört, als er von dem Gesetzentwurf gehört hat. Er meinte, er fühle sich als Konventsmitglied auf den Arm genommen.
Tja, leider gibt es hier auch ein anderes Problem.

Eine Reform des Autonomiestatus heißt nicht, dass inzwischen nichts gemacht werden soll.

Welches?
Neben der großen Politisierung unterschiedlicher Positionen auch innerhalb des Konvents einen großen Mangel an Kommunikation. Es ist leider eine Tatsache, dass es keine richtige Kommunikation zwischen der “offiziellen Politik” und dem Konvent gibt.

Woran liegt das?
Es liegt leider daran, dass viele Leute, angefangen bei der SVP-Führung, kein großes Interesse am Konvent und seinen Arbeiten zeigen. Das ist absolut schade, weil Südtirol nur zu gewinnen hat und nichts zu verlieren. Unser Problem ist aber: Egal ob die Verfassungsreform angenommen wird oder nicht, wir haben ein großes Problem wenn wir unser Statut nicht anpassen.

Es gibt sicher auch Personen, die überzeugt sind, dass sich die Parlamentarier und nicht der Konvent darum kümmern soll?
Es ist wichtig, dass man sich bewusst ist, dass dieser Gesetzentwurf wirklich als Hilfe und Unterstützung für die Arbeiten des Konvents zu betrachten ist. Andere sehen das anders. Etwa Karl Zeller, mit dem ich oft über darüber geredet habe. Er sagt, wir müssen realistisch sein und wenn etwas jetzt noch zu machen ist, dann sollen wir es versuchen. Die Zeiten des Konvents sind länger, während wir die Möglichkeit haben jetzt noch etwas konkret zu erreichen. Ich bin da vorsichtiger.

Aus welchem Grund?
Dafür haben wir ja die Durchführungsbestimmungen. Und da geht die Arbeit, wie ich finde, intensiv weiter. Eine Reform des Autonomiestatus heißt nicht, dass inzwischen nichts gemacht werden soll. Aber eben keine große Reform.

Wir sollten bei der Autonomiereform an einem Strang ziehen.

Sind Sie verärgert über die Polemik von Freitag?
Schauen Sie, vor ein paar Tagen hat Daniel Alfreider einen Gesetzentwurf zur Aufwertung der Vertretung der Ladiner vorgelegt. Da gibt es anscheinend keine Polemiken. Obwohl auch das ein Thema für den Konvent ist. Es geht nicht, dass man sagt, das Autonomiestatut soll bitte nicht angetastet werden – auch Durnwalder sagt immer: Lieber nix tun. Aber dann feststellen, naja, der Kompetenzteil ist nicht so gut geregelt, wir müssen was tun; die Vertretung der Ladiner müssen wir aufwerten; die Region, um Gottes Willen, die müssen wir abschaffen – all das setzt ja voraus, dass das Statut revidiert wird. Diese Logik verstehe ich einfach nicht, ich finde das absurd und kleinkariert. Aber das ist eben leider das Niveau unserer politischen Debatte hier in Südtirol. Im Trentino ist das anders.

Inwiefern?
Es gibt auch dort Polemiken, was ich richtig finde. Aber dort herrscht ein ganz anderes Diskussionsniveau. Auch haben dort alle Gruppierungen im Landtag für das Gesetz für die Consulta gestimmt. Es gab zwei, drei Enthaltungen aber keine Gegenstimmen. In Südtirol war es zum Teil die Mehrheit im Landtag, die hier Fehler gemacht hat. Bereits zum Beginn: Das Gesetz zum Konvent wurde nur von SVP und PD mitgetragen und es wurde nicht wirklich versucht, auch die politische Minderheit zu involvieren. Das war ein großer Fehler, insbesondere im Hinblick auf jene Minderheit, die das Gesetz hätte unterstützen können. Wie die Grünen zum Beispiel oder die 5-Sterne-Bewegung.

Viele Leute, angefangen bei der SVP-Führung, zeigen kein großes Interesse am Konvent und seinen Arbeiten.

Die Startschwierigkeiten des Konvent sind bekannt. Wo hapert es heute, mehr als sieben Monate nach Beginn des Beteiligungsprozesses am Autonomiekonvent?
Schade ist, dass, wie ich bereits erwähnt habe, die Kommunikation nicht funktioniert. Zum Beispiel spricht niemand von der SVP bei den offiziellen Gelegenheiten, die sich bieten, über die Wichtigkeit des Konvents. Leider, immerhin haben sie das ja auf die Beine gestellt. Der Konvent war Teil des Regierungsprogramms – und wenn die Regierung dann nicht dahinter steht, dann ist das, nun ja, etwas schade.

Als einer der “Väter” des Konvents schieben Sie jegliche Verantwortung von sich wenn diese Kommunikation nicht richtig funktioniert?
Nein, ich will nicht sagen, dass nur die anderen Schuld sind. Wir sind alle Schuld, wenn das nicht klappt. Vielleicht hätte bereits im Gesetz zum Konvent festgehalten werden sollen, dass ein regelmäßiger Austausch stattfindet. Mein Wunsch wäre es, dass es einmal ein Treffen zwischen Konvent und den Parlamentariern gibt und wir offen über diese Sachen diskutieren. Sonst reden die Mitglieder entweder mit der Presse oder sonst wo, was aber ziemlich wenig bringt.

Wenn der Konvent derart manipuliert wird, dann hat man von partizipativer Demokratie ziemlich wenig verstanden.

Ein solches Treffen hat es bisher nicht gegeben?
Nein. Im Konvent wurde nur über Sachen gesprochen wie etwa die Frage, ob man sich am Samstag Vormittag oder am Freitag Abend trifft. Das ist unser Niveau, leider. Das politische Klima ist einfach anders als, ich wiederhole mich, im Trentino. Bei uns streitet man über etwas, was uns allen wirklich schaden könnte. Wenn wir das Autonomiestatut nicht anpassen, hat dann jemand wirklich gewonnen? Wir sollten bei der Autonomiereform an einem Strang ziehen. Sicher, es wird immer die Opposition geben, die versucht, ein bisschen Chaos zu stiften; und jene, die die Loslösung von der Autonomie und die Unabhängigkeit wollen. Aber das ist das falsche Instrument.

Ist der Konvent zum Scheitern verurteilt?
Im schlimmsten Fall ist es trotzdem ein interessantes Experiment um zu sehen, wo wir in unserem Land demokratiepolitisch stehen. Vielleicht können wir uns darüber einige Gedanken machen.