Obstmarktgeschichten
Die „Obstmarktgeschichten - volti di piazza Erbe“ der Autorin und Regisseurin Brigitte Knapp kommen nicht von ungefähr. Schließlich hat die gebürtige Bruneckerin fünf Jahre lang dort gewohnt, mit allen angenehmen und stressigen Begleitumständen, die das Wohnen in der Bozner Altstadt mit sich bringt. „Ich habe beobachtet, dass am Obstmarkt das funktioniert, was sonst immer als großes Problem gesehen wird, das Zusammenleben der verschiedenen Sprachen.“ Ihre Erklärung: Vordergründig sei nicht die Sprache, sondern etwas anderes, das Einkaufen, das Begutachten von Obst und Gemüse, das Wiegen und Messen, kurz der Handel, der den Obstmarkt nach wie vor prägt. „Die Sprache ist das Vehikel zum Sich-verständigen, ich kann nicht mein Essen einkaufen, ohne mit dem Verkäufer zu reden, egal in welcher Sprache, Hände und Füße mitgemeint.“ Aus dieser Idee ist jetzt das Theaterstück entstanden, das am Freitag, 3. Oktober in der Bozner Carambolage Premiere feiert, ein Stück mit über einem Dutzend Figuren und einer weißen Taube.
„Der Mann mit der weißen Taube bin ich,“ sagt der Schauspieler Paul Demetz. Ein Briefeschreiber und Liebeshoffender sei er in dieser Rolle, aber ebenso andere Figuren, unter anderem einen Grödner Bildhauer. „Ich bin nicht der Ladiner im Stück“, sagt der gebürtige St. Ulricher. Er hat den ladinischen Part der Obstmarktgeschichten geschrieben, übersetzt. „Das ist natürlich ein Grödner Ladinisch, es gibt ja keine einheitliche ladinische Hochsprache.“ Er habe versucht, ein von neueren "Italianizismen" befreites Ladinisch zu schreiben, das sei nicht so einfach, sagt er, denn auch das umgangssprachliche Ladinisch komme um Verballhornungen und Neuschöpfungen aller Art nicht herum. Zeichen einer lebendigen ladinischen Sprache?
Er finde es schön, dass im Theaterstück ladinisch gesprochen werde, schließlich hätten die Bozner Theaterbesucher nicht oft Gelegenheit, das zu hören. „Wahrscheinlich verstehen nur wenige im Publikum Ladinisch, doch finde ich, dass man dieser Sprache durchaus eine Weile zuhören kann, schließlich ist es die dritte Landessprache,“ sagt Regisseurin Brigitte Knapp.
Theater ist bekanntlich mehr als das Textaufsagen - die Zeichung der Figuren, das Nonverbale, die Bühnenausstattung und die Atmosphäre lassen die Geschichten erst entstehen. Denn am Obstmarkt gibt es viele davon: Wie jene des jungen Pärchens, sie eine deutschsprachige Südtirolerin, er, ein Südtiroler Italiener; oder Kumar der indische Obststandbetreiber, Chan, eine junge Chinesin die als Kellnerin arbeitet, weiters ein Obdachloser, ein Steuerberater oder die Touristengruppe mit Stadtführer. Eingeblendet werden immer wieder auch Videoarbeiten von Linda Roehl, aufgenommen vor Ort am Obstmarkt.
Obstmarktgeschichten - i volti di piazza Erbe, Aufführungen ab 3. Oktober um 20 Uhr 30 in der Bozner Carambolage, mit: Flora Sarrubbo, Antonia Tinkhauser, Paul Demetz, Stefano Pietro Detassis, Regie: Brigitte Knapp