Gesellschaft | Reformpläne

Entweder, oder...

Die Kosten des Sanitätsbetriebs sind weniger stark als erwartet gestiegen. Schael erklärt: "Wir haben an einigen 'Schrauben' gedreht." Und es soll weiter gedreht werden.

Es ist derzeit das Thema in Südtirol, das nicht mehr von der Tagesordnung wegzudenken ist: die Sanitätsreform. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht diskutiert, kritisiert oder gar protestiert wird – in alle(n) Richtungen. Und das trotz der Bitte von Schael ans Sanitätspersonal, Probleme doch bitte intern zu lösen – einige sprechen von einem Maulkorb – auch öffentlich. Manche reden bereits von einem “Sanitäts-Gewurstele”. Etwas Klarheit in die Verunsicherung und vor allem Schwung in seine Reformpläne versucht der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebs Thomas Schael, zu bringen. Fleißig hält er Treffen, Konferenzen oder – immer häufiger – Mediengespräche ab. Emsig unterwegs ist auch Gesundheitslandesrätin Martha Stocker. Vergangene Woche startete sie ihren “breiten Beteiligungsprozess” in Sachen Sanitätsreform.


Ein Blick nach vorne und einer aufs Papier

In vier so genannten “Bezirksgesundheitskonferenzen” soll die Bevölkerung, ihre politischen Vertretungen, die Patientenvereinigungen und die Sozialpartner, die Mitarbeiter des Sanitätsbetriebs sowie die medizinischen Fachexperten in der Peripherie Vorschläge für “eine zukünftige bedarfsorientierte gesundheitliche Versorgung der Menschen in Südtirol” machen, so die Einladung Stockers. Die gesammelten Ideen und Anliegen sollen im besten Fall in den neuen Landesgesundheitsplan 2016–2020 einfließen. Kommende Woche sind Brixen, Bruneck und Bozen an der Reihe. “Die Ergebnisse der Bezirksgesundheitskonferenzen werden von der internationalen Expertengruppe analysiert und bilden das Grundgerüst für vertiefende Detailplanungen”, erklärte Landesrätin Stocker vor Kurzem. Besonderes Augenmerk legt man auf die Erarbeitung der Leistungsprofile für die sieben Krankenhäuser. Diese sollen bis Ende des Jahres vorliegen – “eine Voraussetzung, um die einzelnen Standorte halten zu können und so eine medizinische Grundversorgung auch in der Peripherie zu garantieren”, meinte SVP-Obmann Philipp Achammer dazu.

Die gesicherte Versorgung der “Territorien” ist auch Thomas Schael ein großes Anliegen. Ihm schwebt ein Universalsystem mit sieben Krankenhäusern und 20 Sprengeln vor. Ebenso Zusammenschlüsse von Fachärzten, die am Land “Gruppenmedizin” betreiben sollen, um die Bedürfnisse der Bevölkerung besser abzudecken. Doch es wird noch etwas dauern, bis es so weit sein wird. Inzwischen beschäftigt sich der Generaldirektor auch mit der Gegenwart. Und mit Zahlen. Solche wusste er am Dienstag vorzulegen. Schael traf sich mit den Führungskräften des Südtiroler Sanitätsbetriebs, um einen Plan-Ist-Vergleich zu ziehen. Im Anschluss hatte der Generaldirektor eine gute und eine schlechte Nachricht zu verkünden.

v.l.: Markus Marsoner (Direktor der Controlling-Abteilung im Sanitätsbetrieb), Sabes-Generaldirektor Thomas Schael, Sabes-Verwaltungsdirektor Marco Cappello, Ernst Paul Huber (Direktor der Abteilung Wirtschaft und Finanzen im Sanitätsbetrieb). Foto: Sabes
 

Zwei Nachrichten

Wie es so üblich ist, begann Schael mit der schlechten Nachricht. Er teilte mit, dass der Südtiroler Sanitätsbetrieb um etwa 3,7 Millionen Euro über der berechneten Kostensteigerung liege. Dass die Ausgaben den kalkulierten Rahmen sprengen, sei auf “die außerordentlichen Steigerungsraten im Bereich der sanitären Güter wie auch in der Medikamentenversorgung sowie der Flugrettung” zurückzuführen, so Schael. Das eigentlich Schlechte an der Sache: Bis Jahresende wird die Summe von 3,7 auf rund fünf Millionen Euro anwachsen. Die – für den Generaldirektor – gute Nachricht: Es sei gelungen, in Sachen Kostensteigerung eine Trendwende zu erreichen. Soll heißen, die Steigerung des ersten Halbjahres 2015 konnte eingebremst werden. Schael erklärte auch, wie das gelungen ist: “Wir haben in den letzten Monaten an verschiedenen ‘Schrauben’ gedreht, sprich die Ausgaben noch genauer unter die Lupe genommen, und damit einiges an Kostenreduzierungen erreicht.”


Entweder, oder

Doch an einigen Schrauben drehen, reicht nicht. Geht es nach Schael, muss die ganze Maschine von Grund auf einer Revision unterzogen werden. “Um unseren gesamten Bedarf an zusätzlicher Finanzierung in den kommenden Jahren zu decken, sind strukturelle Maßnahmen nötig oder – alternativ dazu – eine Erhöhung der Zuweisungen von Seiten des Landes Südtirols”, sagte Schael. Nach dem Motto: Entweder rückt das Land mehr Geld raus oder wir müssen den Gürtel eben enger schnallen. Dabei fließt bereits heute der Löwenanteil des Südtiroler Haushaltsbudgets in das Gesundheitswesen. Für 2016 hat die Landesregierung 1,2 Milliarden Euro dafür veranschlagt. Doch gleichzeitig prognostiziert Schael, dass die Kosten für den Sanitätsbetrieb auch in Zukunft noch steigen werden. Es sei mit mehr chronisch Kranken, verteuerten Therapien und Medikamenten und notwendigen Innovationen, insbesondere im EDV-Bereich, zu rechnen, zählte der Generaldirektor auf.

“Vor diesem Hintergrund ist klar, dass wir entweder strukturelle Reformen benötigen, die es uns als Betrieb erlauben, Ressourcen freizuspielen, um den Herausforderungen gewachsen zu sein, oder zusätzliche Finanzmittel von Seiten des Landes erhalten”, unterstrich er erneut. Denn ansonsten sieht er das hohe Niveau der Gesundheitsgefährdung in Gefahr. “Wollen wir dieses beibehalten, kommen wir nicht umhin, weiter zu investieren”, mahnte Schael und erinnerte daran, dass bereits 2015 eine zusätzliche Finanzierung für den Sanitätsbetrieb notwendig geworden sei. 38,5 von 110 Millionen wurde aus dem Nachtragshausalt dem Betrieb zugewiesen. Damit das für 2016 nicht auch der Fall sein wird, muss laut Schael aufs Gaspedal getreten werden. “Falls nicht strukturelle Änderungen durchgeführt werden, sprich: falls die Reform des Gesundheitssystems in Südtirol nicht angegangen wird, dann benötigt – und das kann man jetzt schon sagen – der Südtiroler Sanitätsbetrieb für das Jahr 2016 wie bereits 2015 eine zusätzliche Finanzierung.” Klare Worte in Richtung jener, die sich an der Sanitätsreform beteiligen – und das sollen für Martha Stocker ja möglichst viele sein. Man darf gespannt sein, wann mit den ersten konkreten Ergebnissen ihres “breiten Beteiligungsprozesses” gerechnet werden darf.

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Renate Girtler Do., 05.11.2015 - 09:00

Auffallend wie die "Schäl'sche Führungskraft in Spitzenposition" um im Jargon des SB zu bleiben den kritischen Äusserungen von Patienten, betroffenen Bürgern, Gewerkschaftern, Ärzten, Leserbriefschreibern usw. begegnet.
Via Media meist lächelnd, etwas arrogant und "von oben" bestimmt scheint der " liebenswürdige " kompetente Grundtenor zu sein, wurde ja alles bereits vorab entschieden und bestimmt!
Mir ist bewusst, wie schwierig der Weg der Neuorganisation eines SB ist und ich weiss, dass bei aller ökonomischer Notwendigkeit immer der Patient/Klient (gleichberechtigt ob alt, ob jung) und nicht die "Reorganisation" die Nr. 1 sein sollte!
Der Philosoph und Armutsforscher C. Sedniak ( Salzburg) meint, dass gerade in Zeiten knapper Ressourcen NICHT entscheidend sei, über wieviele Güter und Mittel Menschen verfügen, sondern was sie damit anzufangen wüssten. GESUNDHEIT SEI KEINE WARE, ebenso wie BILDUNG, daher dürfe es KEINEN MARKT dafür geben. Alles bewegt sich zwischen Menschlichkeit und Machbarkeit. es kann nicht sein, dass zukünftig Patient und Mitarbeiter des SB aus KOSTENGRÜNDEN die LEIDTRAGENDEN sind!

Do., 05.11.2015 - 09:00 Permalink