Wirtschaft | Milch

Euregionale Verstimmungen

Tirols Landwirtschaftsvertreter werfen den Südtirolern Protektion in der Milchwirtschaft vor. Doch eine offene Euregio-Krise darf politisch offenbar nicht sein.
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Foto: Suedtirolfoto/Seehauser

Es ist nicht das erste Mal, dass Tirols Landwirte eine Beziehungskrise mit ihren südlichen Nachbarn heraufbeschwören. „Zumindest im Landwirtschaftsbereich steht die Zusammenarbeit in der Europaregion Tirol auf der Kippe“, lautet die dramatische Botschaft, die in einem von der Tiroler Tageszeitung aufgegriffenen geharnischtem Schreiben von Josef Geisler, Bauernbundobmann und Landesrat für Landwirtschaft in Personalunion, sowie  Landwirtschaftskammerpräsident Josef Hechenberger  an die beiden Landeshauptleute Günther Platter und Arno Kompatscher lanciert wird. Anlass dafür? Die bereits im Mai verabschiedeten Nachhaltigkeitsparameter von Südtirols größtem Milchhof Bergmilch. Um die Milchmenge auf dem krisengeschüttelten Markt nicht weiter steigen zu lassen, wurden den Mila-Mitgliedern dort Abschläge vom Auszahlungspreis angedroht, sofern der Anteil ausländischer Kühe in ihrem Stall mehr als 10 Prozent beträgt. Denn wer Kühe von außen zukauft, hebt die Gesamtproduktion; wird dagegen innerhalb des Landes Vieh gehandelt, verschieben sich die Mengen nur, erklärt Bergmilch-Obmann Joachim Reinalter die Maßnahme.

Neben der Drosselung der Milchproduktion und somit dem Versuch, einen Preisverfall zu vermeiden, steht hinter der indirekten Einschränkung von Viehimporten aber auch noch ein anderer Gedanke. „Wir wollen in unseren Ställen nicht nur Kühe, sondern auch Jungtiere und Kälber stehen haben“, sagt der Bergmilch-Obmann. Nur damit sei mittelfristig auch die heimische Almwirtschaft gesichert,  die schon allein für das Image des Produkts Südtiroler Milch essentiell sei. Eine eigene Aufzucht stehe somit auch für lokale Kreisläufe, Tiergesundheit und Rückverfolgbarkeit – alles Werte, die man bei der Bergmilch fördern wolle, sagt Joachim Reinalter. 

"Ungerechtfertigte Südtiroler Diskriminierung"

Allerdings werden die Parameter, die in Tirol für so viel Unmut sorgen, bis dato überhaupt nicht angewandt. Das soll nur dann passieren, wenn die angelieferte Milchmenge in den aktuellen Monaten Oktober bis Dezember über jener der vergangenen zwei Milchjahre liegt. „Und bisher können wir sagen, dass viele Mitglieder versucht haben, die Menge in den Griff zu bekommen und weniger zu produzieren“, so der Bergmilch-Obmann, der die Aufregung der Tiroler als „Sturm im Wasserglas“ bezeichnet. Dass allein die Ankündigung der Maßnahme dennoch Auswirkungen auf den Viehimport aus Tirol gehabt haben könnte, ist dennoch nicht auszuschließen.  Das wird zumindest jenseits des Brenners von Josef Geisler und seinen Mitstreitern behauptet. Wegen der „ungerechtfertigten Südtiroler Diskriminierung“ drohen diese laut TT gar mit einer EU-rechtlichen Prüfung dieser „Wettbewerbsverzerrung“.

„Gerade in Zeiten einer sehr schwierigen Situation am Milchmarkt wirkt sich der Nachhaltigkeitsparameter sehr negativ auf den bislang gut funktionierenden Zuchtviehabsatz aus Nord-Osttirol nach Südtirol aus. Die Auswertungen der Absatzzahlen bei den vergangenen Zuchtviehauktionen zeigen dies deutlich auf.“

Töne, die am Donnerstag auch Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler aufgeschreckt haben. Der hatte die Causa, die bereits im Juni für Diskussionen zwischen Innsbruck und Bozen gesorgt hatte, eigentlich schon ad acta gelegt. „Auch weil der Milchpreis mittlerweile ohnehin wieder angezogen hat“, wie der Landwirtschaftslandesrat meint. Nun jedoch gab er angesichts der drohenden Töne aus Tirol gleich einmal eine Erhebung der aktuellen Entwicklung von Viehimporten nach Südtirol in Auftrag. Das Ergebnis zeigt keine bemerkenswerten Veränderungen, meint Schuler. 5345 Rinder seien 2015 importiert worden, heuer seien es bisher 4000. „Das heißt, wie werden ungefähr wieder auf ein ähnliches Ergebnis wie im Vorjahr kommen, obwohl die Marktsituation alles andere als günstig war“, sagt Arnold Schuler.

Wogen glätten

Noch bevor die Daten aus Rom eintrudelten, griff der  Landwirtschaftslandesrat am Donnerstag aber erst einmal zum Telefon – um seinen Tiroler Amtskollegen Geisler zu beruhigen. Auch wenn die ganze Sache „nicht von der Politik verbockt worden sei, sondern auf eine betriebsinterne Entscheidung zurück geht“, wie Schuler sagt: „Wir müssen schon schauen, hier die Wogen zu glätten und nicht den Eindruck entstehen zu lassen, als würden die Landesteile nicht zusammenarbeiten oder einander Prügel in die Wege legen.“  Er fände es vor allem schade, „wegen einer solchen Geschichte“ eine Zusammenarbeit in Zweifel zu ziehen, die gerade in der Landwirtschaft gut funktioniere. Sei es in Apfelwirtschaft, wo es laut Schuler mit dem Trentino bereits eine langjährige Kooperation im Bereich der industriellen Verarbeitung über VOG Products sowie im Bereich Vermarktung gäbe. Und auch in der Milchwirtschaft könnten sich die Tiroler nicht über einen mangelnden Markt in Südtirol beklagen, so der Landwirtschaftslandesrat. Mehr als 11 Millionen Kilo Milch werden derzeit von rund 200 Bauern zwischen Brenner und Mutters an den Sterzinger Milchhof geliefert; das ist bereits rund 20 Prozent der am Milchhof angelieferten Milch. Geschäftsführer Günther Seidner ist mit der 2014 eingeleiteten  grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mehr als zufrieden. „Wir können in einem Umkreis von 35 Kilometern unsere gesamte Milch einsammeln“, schwärmt er.  Vor allem die begehrte Bio-Milch sei dabei in Tirol weit leichter zu finden als in Südtirol, sagt der Chef des Sterzinger Milchhofes. 

Wo alle etwas davon haben, erwacht also auch die Euregio zum Leben. Ob das Geisler & Co. mittelfristig befriedet, ist derzeit schwer einschätzen. Zumindest am Donnerstag schien sich der Tiroler Bauernbundobmann wieder auf seine politische Rolle besonnen zu haben. Laut Südtirols Landespresseamt trafen die beiden Landesräte noch am Nachmittag in Bozen zusammen, um über die Kooperation in der Landwirtschaft zu sprechen. „Unsere stetigen Bemühungen, auch in der Landwirtschaft für ein verbessertes Zusammenwirken in Form von diversen Projekten zu sorgen, ... werden durch solche Aktionen behindert und tragen keinesfalls zur gewünschten engeren Vernetzung beider Landesteile bei“, wird in der TT aus dem Schreiben von Geisler, Hechenberger und den Obleuten der Tiroler Viehzuchtverbände zitiert. In der LPA-Meldung zum Treffen Geislers mit Schuler sind dann allerdings ganz andere Töne zu vernehmen. Das Problem der Viehimporte sei kleiner als medial dargestellt, lautet die Botschaft, und werde sich wegen rückläufiger Milchmengen von alleine lösen, wie Josef Geisler darin direkt zitiert wird. Um die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft in der Europaregion zu verbessern, sei allerdings eine bessere Abstimmung auch auf politischer Ebene gefragt, wird zumindest eingeräumt. Dazu werden noch in diesem Monat Treffen zwischen Tirol und Südtirol stattfinden.