Autonomiekonvent: Baustein für Dialogkultur
Am 16. Jänner 2016 lädt der Südtiroler Landtag zum offiziellen Auftakt. Ziel ist es, einen Vorschlag für ein Verfassungsgesetz zur Abänderung des Autonomiestatuts zu erstellen, der noch im Laufe der aktuellen Legislaturperiode im römischen Parlament behandelt und genehmigt werden soll. Der Südtiroler Landtag nimmt das Vorschlagsrecht gemeinsam mit dem Trentiner Landtag wahr. Die abgestimmte Vorgangsweise ist erforderlich, da das Initiativrecht für die Abänderung des Autonomiestatuts beim Regionalrat liegt. Dieser leitet den genehmigten Änderungsvorschlags an das Parlament in Rom weiter. Die Zeit hierfür ist knapp. Eine umfassende Überarbeitung des Autonomiestatuts ist deshalb nicht geplant, sondern „institutionelle Anpassungen“ und „erforderliche Ergänzungen“ technischer Natur, etwa im Zusammenhang mit der Aufteilung der Kompetenzen zwischen der lokalen Ebene und Rom sowie Brüssel.
Bürgerbeteiligung wird groß geschrieben
Die zentrale Rolle für die Erarbeitung eines Änderungsvorschlags zum Autonomiestatut liegt beim Konvent, einem vom Landtag eingesetzten Gremium, das 33 Personen umfasst und in dem vom Landtag namhaft gemachte Personen sowie Fachleute in Sachen Autonomie und Sozialpartner, aber auch acht Bürgerinnen und Bürger vertreten sind. Diese werden vom Forum der 100 entsandt, welches als Bürgerforum den gesamten Beratungsprozess im Konvent begleitet und dazu aktiv Ideen und Vorschläge unterbreiten kann. Diesem Gremium kommt somit eine bedeutende Rolle im gesamten Meinungsbildungsprozess zu. Die Interaktion zwischen Konvent und Forum der 100 kann in der zweiten Phase des gesamten Reformprozesses eine spannende Dialektik hervorbringen. Die konstituierende Sitzung des Konvents wird erst nach der Einsetzung des Forums der 100 und der Wahl der Bürgerschaftsvertretung für den Konvent stattfinden
Die Einsetzung des Forums der 100 erfolgt nach dem Abschluss der ersten Phase, die ausschließlich der Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger gewidmet ist. Zwischen Jänner und März wird die Bevölkerung eingeladen, in offenen Diskussionsveranstaltungen in den Bezirken ihre Anliegen zum weit gefassten Thema Autonomie zur Sprache zu bringen. Im Laufe dieser Phase der Anhörung und der Meinungsbildung können interessierte Bürgerinnen und Bürger einen Antrag auf Beteiligung im Konvent stellen. Aufgrund der eingegangenen Anträge wird aufgrund von repräsentativen Kriterien das sog. Forum der 100 als ständiges Bürgerforum für die Dauer des Konvents eingerichtet. Die politische Dialektik ist auch als Gelegenheit zu sehen, für das ramponierte Vertrauensverhältnis zwischen den Wählerinnen und Wählern und den Parteien neue konstruktive Perspektiven zu eröffnen.
Für Südtirol wurden wesentliche Elemente des „Konvents für die Überarbeitung des Autonomiestatuts für Trentino-Südtirol“ im Landesgesetz Nr. 3 vom 23. April 2015 definiert. Im Trentino liegt seit Anfang November 2015 ein Gesetzentwurf vor, der die Errichtung eines „Beirats für das Sonderstatut für Trentino-Südtirol“ vorsieht. Da wie dort ist vorgesehen, dass ein einführendes Dokument für den entsprechenden Beratungsprozess erstellt wird. In diesen Grundsatzpapieren und in den noch nicht vorliegenden Geschäftsordnungen von Konvent und Beirat wird der Ablauf im Detail geregelt. Auch im Trentino wird die Bevölkerung mit einem an traditionelleren Modellen der Bürgerbeteiligung orientierten Konsultationsverfahren in den Beratungsprozess zur Zukunft der Autonomie eingebunden. Ein Vergleich der Vorgangsweise ist in dieser PDF-Datei übersichtlich dargestellt.
Die Entscheidung liegt bei den Landtagen
Um falschen Erwartungshaltungen vorzubeugen, ist zunächst einmal festzuhalten, dass in beiden autonomen Provinzen der Landtag, wie vom Art. 103 des Autonomiestatuts vorgesehen, das Vorschlagsrecht für die Änderung desselben selbst ausübt, dieses also weder an den Konvent noch an das Forum der 100 bzw. an den Beirat delegiert. Diese Gremien haben ebenso wie das Forum der 100 nur eine beratende Funktion. Die Landtage entscheiden frei über die Inhalte des Änderungsvorschlags, für den sie als Gesamtpaket den Regionalrat autorisieren, das Initiativrecht für die Änderung des Autonomiestatuts auszuüben. Der Initiativkraft und der Konsensbildung im Konvent und im Forum der 100 kommt jedoch großes politisches Gewicht zu, wenn die Bürgergesellschaft sich hinter deren Vorschläge stellt. Da im Konvent bzw. im Beirat auch Abgeordnete der jeweiligen Landtage vertreten sein werden, werden die Landtage einem starken Kohärenzdruck ausgesetzt, sich den Vorschlag zu eigen zu machen, der im Konvent einen breiten Konsens auch seitens der politischen Vertreter/-innen und der verschiedenen Verbänden und Interessensvertretungen erzielen konnte.
Dialektik tut der Demokratie gut
Bei der Auftaktveranstaltung des Südtiroler Landtags am 16. Jänner wird der Ablauf näher erläutert. An den darauf folgenden Samstagen[1] stehen für alle Bürgerinnen und Bürger offene Diskussionsveranstaltungen in den Bezirken auf dem Programm. Ein Tag wird der Jugend gewidmet, die ja künftig das Gestaltungsinstrument Autonomie nutzen und mit Leben und positivem Geist erfüllen soll. Es sind spannende und bereichernde Momente der Auseinandersetzung zu erwarten. Noch ist offen, wie sich dieser Diskussionsprozess entwickeln wird und welche Themen dann im Konvent der 33 und im Forum der 100 im Mittelpunkt stehen werden. Solche Gelegenheiten der Mitsprache leben von der Bereitschaft der einzelnen Bürgerinnen und Bürger, sich einzubringen und ihre Anliegen und ihre Sichtweise vorzutragen. Auch die organisierte Bürgerschaft, von den Parteien über die Vereine und Verbände bis hin zu Initiativgruppen der Zivilgesellschaft, wird die Möglichkeit nutzen, den Prozess der Meinungsbildung zu beeinflussen. Mit dem Forum der 100 und dem Konvent ist eine strukturierte Form der Auseinandersetzung zu den Autonomiefragen angebahnt worden. Es ist eine Chance, um eine konstruktive Dialogkultur zwischen den Sprachgruppen, den Parteien, den Interessenvertretungen und allgemein zwischen den Menschen, die in diesem Land leben, aufzubauen. Viele weitere solcher Bausteine werden notwendig sein, um der demokratischen Kultur neue Triebkraft zu verleihen.