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Name: Kae

Kae Sordi spricht über die Entscheidung, den alten Namen abzulegen und einen neuen nicht-binären Wahlnamen anzunehmen. Ein Gespräch über Identität, Transfeindlichkeit und das Aufbrechen von Kategorien.
Kae Sordi
Foto: © Gabriella Cosmo
  • Kae Sordi lebt in Bozen und beschäftigt sich für OfficineVispa und Città azzurra mit Gartentherapie, Gemeinschaftsentwicklung und Geschlechterfragen. Mit der zebra. hat Kae über die Entscheidung gesprochen, den alten Namen abzulegen und einen neuen nicht-binären Wahlnamen anzunehmen. Ein Gespräch über Identität, Transfeindlichkeit und das Aufbrechen von Kategorien.

  • zebra.: Kae, du hast vor wenigen Wochen deinen Wahlnamen angenommen, der deine Identität als nicht-binäre Person widerspiegelt. Wie bist du zu deinem Namen gekommen?

    Kae Sordi: Mein alter Name passte nicht mehr zu meiner Geschlechtsidentität, also habe ich nach einem Namen gesucht, in dem ich mich wiederfinden konnte. Dafür habe ich fast ein Jahr lang nachgedacht und verschiedene Namen ausprobiert. Es war ein langer Prozess, bei dem mir sowohl die Bedeutung des Namens als auch die Emotionen, die bestimmte Klänge in mir auslösen, wichtig waren. Mein Vater nannte mich Raka, deshalb hat das „ka“ beispielsweise einen großen emotionalen Wert für mich; daran wollte ich festhalten. Zuerst dachte ich an Kai, ein Name, der in Sprachen wie dem Hawaiianischen oder Maori Meer, Ozean, Natur und Küche bedeutet. Kai schien mir dann aber doch männlich konnotiert zu sein; Kae löst sich hingegen vom Geschlecht.

     War das immer schon so, dass du dich in deinem Taufnamen nicht wiederfinden konntest?

    Für mich war es eine Entwicklung. Es gab einen Moment, an dem ich begann, meine Geschlechtsidentität infrage zu stellen. Damals habe ich mich der Trans*Community angenähert, viel gelesen und mich intensiv damit auseinandergesetzt, warum ich mich überhaupt mit dem mir bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifiziere. Sich mit dem weiblichen Geschlecht zu identifizieren, bedeutet auch, eine bestimmte Rolle zu erfüllen: den Raum auf eine festgelegte Weise einzunehmen, den Körper so zu formen, dass er den Erwartungen entspricht. Ich wollte mich nicht länger in diese Schublade zwängen lassen. Die Erkenntnis, dass ich mich als nicht-binäre Person verstehe, hat mir die Freiheit gegeben, jene Person auszudrücken, die ich wirklich bin und sein möchte.

     

    Ich wollte mich nicht länger in diese Schublade zwängen lassen.

     

    Inwieweit ist es in der heutigen Gesellschaft tatsächlich möglich, aus der Binarität der Geschlechter auszubrechen?

    Je mehr ich mich in sozialen Umfeldern bewege, in denen diese Binarität dekonstruiert wird, desto weniger erwarte ich von mir selbst, ein bestimmtes Geschlecht performen zu müssen. In transfeministischen oder trans* Kontexten fühle ich mich sicherer. Das bedeutet nicht, dass ich mich dort absolut sicher fühle, aber ich kann mich freier ausdrücken. Ich kann meinen Körper so bewegen, wie es für mich stimmig ist, und die Pronomen verwenden, die zu mir passen. In diesen Umfeldern wird meine Identität nicht nur akzeptiert, sondern es gibt Menschen, die sagen: „Endlich hast du diesen Namen angenommen. Mit deinem alten Namen habe ich dich nicht gespürt“. Sie sehen also mich als Person, bevor sie überhaupt meinen Namen hören.

    Und anderswo?

    Ich möchte, dass mein Name und meine Geschlechtsidentität überall akzeptiert werden und mein Deadname nicht mehr verwendet wird. Ich habe meine Kontakte gebeten, meine Telefonnummer unter meinem neuen Namen zu speichern, meine E-Mail-Adresse geändert und werde auch meine Arbeitsmail anpassen. Doch sobald ich auf staatliche Institutionen stoße, komme ich nicht weiter. Auf meiner Identitätskarte kann ich weder Namen noch Geschlecht ändern, und im Krankenhaus werde ich weiterhin als Frau angesprochen und behandelt.

    Wie fühlt sich das an?

    Ich fühle mich diskriminiert. Wenn im Krankenhaus eine Frau aufgerufen wird, schaue ich mich fragend um, weil ich mich nicht angesprochen fühle. Es macht mich nachdenklich, dass in anderen Ländern nicht-binäre Personen anerkannt werden und die Möglichkeit haben, ihre Identität auch offiziell zu leben. Für mich wäre es wichtig, dass auch meine Dokumente meine Identität widerspiegeln, denn legale Anerkennung bedeutet auch immer Anerkennung als Person.

    Ich kann mir vorstellen, dass dein Körper weiterhin als weiblich gelesen wird. Was bedeutet das für dich?

    Das ist für mich sehr unangenehm. Gleichzeitig beeinflusst es mein eigenes Verhalten: Ich verspüre den Drang, meinen Körper anzupassen und ihm andere Strukturen aufzuzwingen, um als die Person wahrgenommen zu werden, die ich wirklich bin.

    Den eigenen Körper zu verändern, ist für Trans*Personen in Italien nicht einfach, oder?

    Zugang zu Hormontherapien oder chirurgischen Eingriffen ist generell schwierig. Zudem bleiben die Möglichkeiten im binären System gefangen. Ich könnte zum Beispiel nur dann mit einer Hormontherapie beginnen, wenn ich mich im männlichen Geschlecht wieder erkenne; als nicht-binäre Person habe ich hingegen keinen Zugang zu solchen Behandlungen.

    Wie unterscheidet sich eine nicht-binäre Identität von einer weiblichen oder männlichen Identität?

    Eine nicht-binäre Identität hat nichts mit den traditionellen Kategorien zu tun, die unsere Kultur im Hinblick auf den Körper vorgibt. Sie geht über die Zweiteilung der Geschlechter hinaus. Es handelt sich also nicht um ein „drittes Geschlecht“, wie es in den USA teilweise anerkannt wird, sondern um eine Identität, die sich dieser Kategorisierung entzieht.

    Du bezeichnest dich auch als pansexuell, also als Person, die sich unabhängig von Geschlecht und Geschlechtsidentität in andere Menschen verliebt. Wie eine nicht-binäre Geschlechtsidentität kommt auch die Pansexualität ohne strikte Kategorien aus. 

    Genau. Pansexualität überschreitet strikte Kategorien, während homo- und heterosexuelle Identitäten auf einer binären Geschlechtsidentität basieren, also auf der Annahme, dass es nur zwei Geschlechter gibt. 

    Dabei wird etwa eine von hundert Personen heute in Italien nicht anerkannt, weil ihr Körper nicht klar einem Geschlecht zugeordnet werden kann.

    Inter*Menschen* werden – wie alle anderen auch – in eine der beiden Schubladen gezwungen. In manchen Fällen werden gegen ihren Willen chirurgische Eingriffe vorgenommen, um ihre körperlichen Merkmale zu verändern und sie so eindeutiger einem Geschlecht zuordnen zu können. In Italien ist es legal, Minderjährige zu solchen Eingriffen zu zwingen. 

    Wie schwierig war es für dich, dich in Südtirol als nicht-binäre Person und mit deinem neuen Namen zu outen?

    In meinem Freund:innenkreis war es einfach. Es gab viele kleine Momente, die mich glücklich gemacht haben. Jemand hat mir gesagt: „Ich habe deine Nummer unter deinem neuen Namen gespeichert“, eine andere Person meinte: „Wow, lass uns darauf anstoßen!“. Die Menschen, die mir nahe stehen, wissen, dass das Ganze nicht von heute auf morgen passiert ist, sondern dass es ein langer Prozess war. Im Arbeitskontext war es etwas schwieriger, aber auch dort war ich nicht die erste Trans*Person; ich musste keine neuen Türen aufstoßen. Das schwierigste Coming-out war wahrscheinlich in meiner Familie ... Sie sind es gewohnt, mich auf eine bestimmte Weise zu sehen. Diese Gewohnheit zu ändern ist nicht einfach. 

    Und vielleicht ist es auch nicht immer einfach, deine Identität zu respektieren.

    Natürlich. Wenn jemand meinen alten Namen verwendet, bitte ich darum, das nicht mehr zu tun – und hoffe, dass sich die Person mit der Zeit daran gewöhnt. Im Moment ist das okay. 

     

    Ich fühle, dass Bozen und Südtirol uns brauchen.

     

    Und wie war es in den sozialen Medien? War es schwierig, dort deinen Namen zu ändern? 

    Nein, das war einfach. Es ist mir wichtig, weil es Sichtbarkeit schafft. Andere Menschen können mich sehen, sich selbst wiedererkennen und vielleicht selbst den Mut finden, ein Coming-out zu wagen. Das war für mich eher ein politischer als ein persönlicher Schritt. Ich sage damit: Wir sind hier, wir existieren, du bist nicht allein. 

    Wie wichtig ist diese kollektive Dimension für dich?

    Für mich ist der Kontakt mit anderen Trans*Menschen in Südtirol extrem wichtig. Aber auch online bin ich mit verschiedenen Personen in Kontakt und Teil von internationalen Netzwerken, um eine breitere Perspektive zu schaffen. Die kollektive Dimension gibt mir Kraft – genauso wie die Tatsache, dass nicht-binäre Identitäten anderswo anerkannt werden. 

    Denkst du nie darüber nach, nach Wien oder Berlin zu gehen, wo es vielleicht einfacher ist, als nicht-binäre Person anerkannt zu werden? 

    Ich fühle, dass Bozen und Südtirol uns brauchen. Viele junge Trans*Menschen haben hier Schwierigkeiten – und diese Schwierigkeiten bedeuten manchmal sogar, dass sie suizidgefährdet sind oder in lebensbedrohlichen Situationen stecken. Als 40-jährige Trans*Person denke ich viel darüber nach und habe das Ziel, eine Gemeinschaft und Angebote zu schaffen, die das Leben für Trans*Personen in Südtirol leichter machen. Gemeinsam mit Centaurus und durch die Pride, die am 28. Juni 2025 zum ersten Mal in Bozen stattfinden soll, arbeiten wir daran. Aber wir sprechen mit vielen Menschen, die ins Ausland gegangen sind und wegen der Diskriminierung, die sie hier erwartet, nicht zurückkommen wollen. Manche wandern aus, um eine Familie gründen zu können, während andere hierbleiben und diesen Wunsch aufgrund von kulturellen, politischen und sozialen Hürden vielleicht aufgeben müssen. 

    Trans*Personen werden in großen Teilen der Gesellschaft immer noch nicht respektiert. In den sozialen Medien sieht man oft Kommentare wie: „Ist das wirklich notwendig?“. Was antwortest du darauf? Ob meine Identität notwendig ist?

    Ja, absolut. Für mich ist sie notwendig – wie auch für viele andere Menschen, die ihr Geschlecht hinterfragen oder sich in einer nicht-binären Identität wiederfinden. In Italien gibt es viele Trans*Menschen, denen die Möglichkeit verwehrt wird, ihr Leben so zu leben, wie sie es sich wünschen. Diese Menschen werden oft wegen mangelnder Anerkennung und Diskriminierung in die Verzweiflung oder sogar bis zum Suizid getrieben. Deswegen, ja, es ist notwendig. 

     Als Gesellschaft akzeptieren wir oft erst dann bestimmte Dinge, wenn sie als absolut notwendig erscheinen, weil sie das Leben einer Person bedrohen. Als ob es nicht genug wäre zu sagen: „Das bin ich und ich möchte anerkannt werden.“ 

    Es gibt Trans*Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie Suizid begehen. In meinem Fall war das nicht so, aber zu wissen, dass sich die Politik oft nur dann bewegt, wenn es eine Gefahrenlage gibt, ist sehr schmerzhaft. Die Vorstellung, dass wir noch mehr Menschen verlieren müssen, bevor sich etwas ändert ... Nein, ich hoffe, dass es nicht so kommen wird. 

     

    Da war eine Stimme, die sagt: „Ich will davon nichts wissen; ich will das alles gar nicht sein.“

     

    Welche Rolle spielen Wünsche und Verlangen in deiner persönlichen Situation?

    Ich wünsche mir, anerkannt zu werden. Auch weil es bedeuten würde, weniger diskriminiert zu werden. Mein neues iPhone fragt mich, wie es mich ansprechen soll, Instagram fragt mich ... aber wenn ich in ein Amt gehe, fragt mich niemand. Die Welt des Kapitals bewegt sich hier viel schneller. 

    Vielleicht auch deshalb, weil sie, anders als staatliche Einrichtungen, gelernt hat, sich nach unseren Wünschen und innersten Bedürfnissen zu richten. 

    Vielleicht... Aber ich glaube, ich verstehe deine Frage nicht ganz. Kannst du sie bitte noch mal stellen? 

    Gerade bei unterdrückten Personen vermeiden wir es oft, über Wünsche, Verlangen und Lust zu sprechen und konzentrieren uns stattdessen auf den Diskurs der absoluten Notwendigkeit – als ob das eine nichts mit dem anderen zu tun hätte. Für viele von uns ist es nicht legitim, bestimmte Dinge „nur“ zu wollen... 

    Das erinnert mich daran, wie ich anfing, Dinge in mir zu spüren, vor allem durch die Lektüre von Paul B. Preciados Büchern. Plötzlich verspürte ich den Drang, meine Geschlechtsidentität zu hinterfragen. Es war nicht leicht, das, was ich wollte, zu spüren und es zu akzeptieren. Ich habe diese Gefühle eine Zeit lang bekämpft und versucht, mein Verlangen irgendwie zu unterdrücken. Ich habe die Bücher im Haus versteckt, weil ich sie nicht mehr sehen wollte. Einerseits fühlte ich dieses Verlangen, auf das ich zuging, andererseits war da eine Stimme, die sagte: „Ich will davon nichts wissen; ich will das alles gar nicht sein.“ 

    Wir sollen solche Dinge nicht fühlen... 

    Ja, ich habe gespürt, dass wir solche Gefühle nicht haben sollen oder dass es gefährlich sein kann, sie zuzulassen. 

    Du bist also nicht einfach eines Morgens aufgewacht und hast deinen Namen geändert …

    Nein, wie gesagt, es war ein Prozess. Ich habe ein paar Schritte vorwärts und ein paar Schritte zurückgemacht. Und vielleicht gehe ich irgendwann in eine ganz andere Richtung. Aber es hängt auch von meinen Möglichkeiten ab. Vielleicht habe ich einen Wunsch oder ein Verlangen – aber habe ich heute auch die emotionalen Fähigkei- ten, das in mein Leben zu bringen? Viele Trans*Menschen erleben diesen Unterschied zwischen dem, was wir sein möchten, dem, was wir sein können, und dem, was wir tat- sächlich schaffen, zu sein – auf persönlicher wie auch auf institutioneller Ebene. 

    Einen neuen Namen anzunehmen, bedeutet auch, einen anderen zu verlieren.

    Für mich bedeutet dieser Schritt, eine Identität hinter mir zu lassen, die nicht mehr oder nur noch teilweise zu mir gehört. Ich fühle mich aber nicht, als hätte ich einen Namen verloren. Was ich fühle, ist eher so, wie Kim de l’Horizont es in „Blutbuch“ beschreibt: Ich fühle mich wie etwas, das fließt.

  • *In den meisten EU-Staaten, darunter Italien, sind minderjährige intergeschlechtlich geborene Menschen nicht vor ungewollten chirurgischen Eingriffen geschützt. Trotz wissenschaftlicher und politischer Empfehlungen herrscht noch immer ein rechtliches Vakuum was medizinisch nicht notwendige Eingriffe bei intersexuellen Menschen betrifft. Das führt dazu, dass heute in Italien Eingriffe an Minderjährigen vorgenommen werden, um ihre Geschlechtsmerkmale zu “normalisieren”, also klar dem Männlichen oder Weiblichen zuzuordnen. Menschen fallen so überstürzten Geschlechtszuordnungen zum Opfer und sind chirurgischen Eingriffen ausgesetzt, die eine Verstümmelung ihrer Geschlechtsorgane bedeuten.

  • Questo articolo è stato pubblicato nell'edizione di settembre del giornale di strada zebra. Foto: zebra