Chronik | Palace Prozess

Die Mentalität des Betriebes

Mehrere Zeugen haben im Prozess gegen den früheren Palace-Direktor Massimiliano Sturaro die Eheleute Chenot schwer belastet. Wird es jetzt für den Schönheitspapst eng?
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Foto: palace
Es ist eine merkwürdige Szene.
Marco Mayr greift an diesem Vormittag im Bozner Gerichtssaal in die unteren Schubladen. Der Anwalt des Nebenklägers und Palace-Eigners Pietro Tosolini stellt der jungen Frau, die im Zeugenstand sitzt, keineswegs Fragen zum Prozessthema, sondern zu ihrer Person. 
Es sind weniger Fragen als Vorhaltungen, die zusammenhanglos sind und zu gar nichts führen. Es ist offensichtlich, dass es dem Bozner Strafverteidiger nicht um Antworten geht, sondern einzig und allein darum die Zeugin zu verunsichern. 
Staatsanwalt Markus Mayr hält sich an diesem Dienstagvormittag zurück: Aus gutem Grund. Der Staatsanwalt wird diese Woche offiziell an das Oberlandesgericht wechseln. Demnach wird ein anderer Staatsanwalt die Rolle des Anklägers in laufenden Prozess gegen die Schönheitschirurgin Carmen Salvatore und Massimiliano Sturaro, dem ehemaligen Verwaltungsdirektor im Meraner Nobelhotel „Palace“, übernehmen müssen. 
Tosolinis Anwalt Marco Mayr versucht diese Situation geschickt auszunutzen, indem er die Rolle der Anklage übernimmt. Doch er hat Pech. Denn die kleine zierliche Frau im Zeugenstand, macht diesem Spiel einen ordentliche Strich durch die Rechnung.
 

Die Zeugin

 
Anna Acampora lässt sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Sie ist kein Mensch, der Angst hat. Das wird während ihrer Aussage schnell klar. Aber auch, dass diese Frau, die mit dem Kommandanten der Carabinieristation in Latsch verheiratet und auch dort wohnhaft ist, einen klaren Sinn für Rechtschaffenheit, Legalität und Gerechtigkeit hat. Tugenden, die auch im Gerichtssaal eher Seltenheitswert haben.
Anna Acampora hat vom 1. Oktober 2011 bis zum 15. Jänner 2012 im Meraner Nobelhotel Palace als Sekretärin im Wellnessbereich gearbeitet. Nach der Probezeit wurde ihr Vertrag nicht mehr verlängert. Auf die Nachfrage von Marco Mayr erklärt die Zeugin auch den Grund für ihren Abschied: „Dominique Chenot hat mir erklärt, dass mein Vertrag nicht mehr verlängert wird, weil ich mich nicht der Mentalität des Betriebes angepasst hätte“.
Wie diese Mentalität im Reich Chenots ausschaut, hat Anna Acampora vorher im Gerichtssaal detailliert rund 20 Minuten lang geschildert. Wenig später wird der Triestiner Unternehmer Francesco Marangoni unter Eid ein andere Facette einer unorthodoxen Geschäftsgebarung beschreiben, in deren Mittelpunk wiederum die Familie Chenot steht.
 
Spätestens damit geht der Prozess in einer Richtung, die weder der Anklage noch den Nebenklägern gefällt. Denn plötzlich stehen wieder zwei Personen im Zentrum der Gerichtsverhandlung, die eigentlich in diesem Verfahren nicht vorkommen sollten: Henry und Dominique Chenot.
 

Die Anklage

 
Auf der Anklagebank vor Richter Michele Paparella sitzen in diesem Prozess die kampanischen Schönheitsmedizinerin Carmen Salvatore und der im Gerichtssaal anwesende langjährige Geschäftsführer des Meraner Nobelhotels Palace, Massimiliano Sturaro. Die Staatsanwaltschaft erhebt schwerwiegende Vorwürfe gegen das Duo: Es geht um Veruntreuung, angebliche Schwarzzahlungen und Betrug in Millionenhöhe.
Bereits in der Vorermittlungsphase wurde klar, dass dieser Prozess zu einer Schlammschlacht zwischen Palace-Eigner Pietro Tosolini, dem Meraner Gesundheitspapst Henri Chenot, dessen Ehefrau Dominique Grenier und den beiden Angeklagten führen wird.
Sturaro und Salvatore behaupten, dass das Ehepaar Chenot nicht nur in die angeblichen Veruntreuungen eingeweiht war, sondern dass sie auch die eigentlichen Nutznießer gewesen seien. Die Vorhaltungen und Indizien waren so stark, dass Staatsanwalt Markus Mayr anfänglich neben Salvatore und Sturaro auch Henri und Dominique Chenot ins Ermittlungsregister eintrug.
 
Dann aber geschah etwas, was nicht alltäglich ist. Unmittelbar nach der Eintragung ins Ermittlungsregister trennt Staatsanwalt Markus Mayr das Verfahren des Ehepaares Chenot vom Palace-Verfahren ab und beantragt gleichzeitig die Einstellung des Verfahrens gegen die Eheleute Chenot.
Weder Henri noch Dominique Chenot haben sich irgend etwas zu Schulden kommen lassen“, sieht der SVP-Parlamentarier und Chenot-Anwalt Karl Zeller diese Vorgangsweise als Bestätigung der Unschuld seiner Mandanten an.
Im laufenden Gerichtsverfahren wird diese Gewissheit aber schwer erschüttert.
 

Gelöschte Behandlungen

 
Das ist eine Vorgangsweise, die für ein Hotel absolut unüblich und auch nicht tragbar ist“, empört sich Anna Acampora am Dienstag im Zeugenstand. Die Sekretärin schildert dann eine Vorgangsweise, die mehr als nur unorthodox sein dürfte.
Acampora war die Sekretärin des Wellnessbereichs. Dort werden im Palace auch die Massagen, Wassermassagen und die medizinischen ästhetischen Behandlungen koordiniert und abgerechnet. 
Unter anderem führte Carmen Salvatore im Palace auch PRP-Liftings durch. Es handelt sich um eine Eigenbluttherapie gegen Falten, bei der Plusplasma entnommen, zentrifugiert und dann wieder eingespritzt wird. Acampora schildert im Zeugenstand, dass alle Anwendungen im Wellness-Bereich und auch die medizinischen Behandlungen über das Computerprogramm „Lotus“ vorgemerkt, abgehandelt und dann auch verrechnet werden. Das war eine ihrer Aufgaben als Sekretärin.
Doch dann passierte etwas Merkwürdiges. Nach der PRP-Behandlung wurde Acampora gebeten, die Vormerkungen im Computer zu löschen und auch die Papierdokumentation zu vernichten. So als sei der Gast nie zur Behandlung erschienen.
Diese Anweisung wurde mir direkt von Frau Chenot erteilt“, sagt Anna Acampora vor Gericht. Dominique Chenot leitet im Palace diesen Bereich. Acampora sagt vor Gericht, dass Frau Chenot täglich alle Abrechnungen und Vormerkungen in ihrem Bereich kontrolliert habe. 
Zudem hätten auch zwei weitere russische Palace-Mitarbeiterinnen immer wieder Löschungen verlangt. Nach Schätzung der Sekretärin habe sie in den drei Monaten 2011/12 rund 100 solcher Behandlungen im Nachhinein gelöscht.
„So etwas darf in einem Hotel nicht passieren“
Anna Acampora
Der Sinn der Aktion ist klar. So konnte man im Palace sehr viel Geld schwarz kassieren. Denn die Anweisung war klar: Die Kunden hatten die Behandlung direkt bei Carmen Salvatore zu bezahlen, die dafür über ein eigenes POS-Gerät verfügte.
Es war peinlich“, sagt Anna Acampora, „die Gäste haben gefragt, warum die Behandlung nicht auf der Rechnung aufscheine“. Sie habe aber nur auf die Kasse am Empfang verweisen können. 
So etwas darf in einem Hotel nicht passieren“, empört sich die ehemalige Palace-Sekretärin auch heute noch im Zeugenstand. 
Auf Nachfrage des Sturaro-Verteidigers Carlo Bertacchi sagt die Zeugin auch, dass alle Löschungen im Computerprogramm und auf dem Server nachvollziehbar sind. Die Ermittler haben aber keine Daten im Palace gesichert und der Server wurde inzwischen ausgetauscht. Auch das ist eine Seite dieses Verfahrens.
 

Geld ins Ausland?

 
Während der Meraner Apotheker Uberto Cimatti in seiner Aussage Carmen Salvatore belastet und Massimiliano Sturaro entlastet, beschreibt ein weiterer Zeuge der Verteidigung eine andere Facette der Geschäftsgebarung im Palace. Francesco Marangoni ist Eigner und CEO der Firma „Eufoton“ aus Triest, die medizinisch-technische Geräte verkauft.
 
Marangoni sagt an diesem Tag vor Gericht aus, dass er für den Verkauf von Geräten an das Palace Provisionen an Dominique Chenot haben gezahlt habe. Das Geld habe er auf ausländische Konten überweisen müssen.
Damit aber wird es für Henry und Dominique Chenot wirklich eng. Denn die Finanzwache ermittelt seit Monaten genau in diese Richtung. Ausgangspunkt dabei ist eine detaillierte Anzeige jenes Mannes, der in diesem Verfahren auf der Anklagebank sitzt: Massimiliano Sturaro hat vor über einem Jahr bei der Meraner Finanzwache und bei der Agentur der Einnahmen eine Anzeige gegen Henri Chenot und Dominique Grenier hinterlegt.
Demnach hätte Henri Chenot seit Jahren eine verschachtelte Struktur von anonymen Gesellschaften in Luxemburg aufgebaut, in die ein großer Teil jener Gewinne fließen soll, die der Gesundheitspapst in Meran macht. Ein Geldfluss, der zum Großteil an der italienischen Steuer vorbei gehen soll. Die Anzeige – über die salto.bz – bereits berichtet hat, ist bestens dokumentiert.
 

Die Vorgeschichte

 
Henry Chenot hatte bereits einmal Probleme mit den italienischen Steuerbehörden. 
2007 führte die Finanzwache und die Agentur der Einnahmen im Meraner Palace eine Kontrolle durch. Dabei durchleuchtet man auch das Geschäftsmodell des Gesundheitspapstes, der jährlich Millionengewinne macht.
Die Beanstandung: rechtswidrige Verlagerung von Gewinnen ins Ausland (Esterovestizione). Weil Henri Chenot sich kooperativ zeigt und zugibt, die Firmenkonstruktion aus steuerlichen Gründen gemacht zu haben, kommt es zu keinem Strafverfahren. Der Gesundheitspapst zahlt nicht nur Steuern zurück, sondern auch eine Strafe von einer halben Million Euro an die Agentur für Einnahmen.
Zudem gründet Henri Chenot in Absprache mit seinem Anwälten, Steuerberatern und der Steuerbehörde eine Firma in Italien. Damit sollen auch die Steuern in Italien bleiben. „Seit damals ist mein Mandant meines Wissens steuerrechtlich in Ordnung“, hat Chenot-Anwalt Karl Zeller im vergangene Jahr gemeint.
Doch Sturaros Eingabe, die salto.bz vorliegt, sagt genau das Gegenteil. Demnach haben Henry und Dominique Chenot inzwischen eine neue Firmennetzwerk aufgebaut, in das auch ihre volljährigen Kinder eingebunden sind. Der Verdacht: Über anonyme Gesellschaften in Luxemburger und Holland würden Gewinne steuerfrei ins Ausland verschoben. 
Genau in dieses Bild passen jetzt auch die Provisionszahlungen auf ausländische Konten an Dominique Chenot die am Dienstag im Gerichtssaal zu Sprache kamen. Die Verteidigung von Massimiliano Sturaro und Carmen Salvatore wollen jetzt mit einem Zusatzantrag vor Gericht erreichen, dass die Ermittlungen gegen die Chenots in die Prozessakten aufgenommen werden.
Folgt das Gericht diesem Antrag könnte dieser Prozess eine überraschende Wende nehmen.