Kultur | Memento mori

Auf dass der Tod uns lebend finde

Im Kulturzentrum Meran organisiert die Genossenschaft Mairania 857 für November zum zweiten Mal eine Veranstaltungsreihe um den Tod: „Revolution“ steht vor der Tür. Theatermacher Giorgio Degasperi gibt Auskunft zu seiner Programmauswahl.
Revolution 2, Mairania 857, Kulturzentrum Meran
Foto: Mairania 857
  • In medias res, mitten in die Sache hinein – insoweit das möglich ist – beginnt das Festival, mit einem Schwerpunkt an Gesprächen und Information im Kulturzentrum. Von der Patientenverfügung zur Organspende bis zum Thema Sterbehilfe finden sich allerhand an Programmpunkten, die – neben Kulturangeboten – auch jene Menschen ins Kulturzentrum locken wollen, die mit Kultur wenig bis nichts am Hut haben. Es geht schließlich um eine menschheitsübergreifende Gemeinsamkeit, zu der, früher oder später, jeder seine Kontaktpunkte finden wird. So bringt man das Thema auch nach außen. Heute wird am Vigilplatz in Meran eine gemeinsame Kunstinstallation von Alessandro Lucci und Giorgio Degasperi enthüllt, die bis 9. November die Anwesenheit am Platz von ersterem vorsieht. Als „Flaschenpost im Meer der Zeit“ soll die Arbeit gelesen werden. Bis übermorgen wird der eine oder andere so vielleicht auf das Thema aufmerksam gemacht und folgt der Einladung ins Kulturzentrum.

  • Giorgio Degasperi: Der Theatermacher erklärt auch, was es mit dem Plakat zur Reihe auf sich hat. Nach dem Hirsch als Totem-Tier hat sich nun auch eine Eule im Bild eingeschlichen. Weitere Tiere werden folgen. Foto: SALTO

    Für Giorgi Degasperi stand bei „Revolution – Che la more ci trovi vivi“ die Frage am Anfang: 2023 fand die Reihe erstmals statt, als sich Degasperi die Frage stellte, ob es hierzulande Orte gebe, wo man über den Tod sprechen kann. Für eine Gesellschaft in welcher der Tod gleichzeitig omnipräsent und verdrängt ist, würde eine Ausgabe nicht reichen, um das Thema zu erschließen. Auch weiß uns der Programmgestalter von der Vorjahresausgabe und vom interessierten Publikum zu berichten, das allgemein etwas älter und eher weiblich ausfalle. Es gebe jedoch Ausnahmen: „Fatti i funerali tuoi“ etwa, eine Informationsveranstaltung zu nicht-religiösen Begräbnissen hatte gerade bei einem jüngeren Publikum Zuspruch gefunden.

    Mit der Idee, das Programm ein Stück weit zu „ritualisieren“ und sowohl mit wiederkehrenden, als auch neuen Programmpunkten zu arbeiten, verbindet Degasperi die Hoffnung auf ein langsam wachsendes Publikum und eine sich findende Gemeinschaft. Erster Konzentrationspunkt sind dabei sicher die vier Tage vom 6. bis zum 9. November, in denen auch eine Ausstellung zum Thema Tod im Kulturzentrum Platz findet: „Adesso che puoi“ will uns, entlang eines Ausstellungsparcours an das Thema heranführen, mit Schwerpunkt auf die Patientenverfügung.

    Neben medizinischen und fachlichen, sowie spirituellen und kulturellen Angeboten sei es, so Degasperi, ebenso wichtig, dass es auch Programmpunkte gebe, die keine passive Beteiligung des Publikums vorsehen, sondern, dass einer oder eine zum Gespräch kommt, oder sich diesem annähert. Wie das Festival, gehen auch die ersten Death Cafés in Südtirol aufs Vorjahr zurück. Damit zeigt sich, dass vom Tod zu sprechen – offen, persönlich und mitfühlend – etwas Zeitgemäßes hat. Selbstverständlich richtet man auch solche Berührungspunkte ein, wenngleich man andere Gesprächsformate wählt: Am 9. November gibt es einen offenen „tavolo per sorella morte“ (10 Uhr morgens) mit Expert:innen im Bereich der Trauer- und Sterbebegleitung, am 11. November ab 18 Uhr eine Sonderausgabe des Caffè Filosofico ausgehend von Martin Heideggers Auffassung des Todes als abschließenden Teil des Lebens, sowie ein Gruppentreffen für trauernde Eltern in Zusammenarbeit mit dem Frauenmuseum Meran in dessen Räumlichkeiten am 28. November, ab 19.30 Uhr.

  • Monty Python: Ein Sketch der britischen Komiker veranschaulicht die Schwierigkeit beim Erkenntnisgewinn zum Thema Tod. Foto: Facebook

    Zwischen den einerseits praktischen, andererseits kreativen Zugängen zu etwas, das sich definitionsgemäß unserer Kenntnis entzieht, macht Degasperi eine gewisse (chirale) Symmetrie aus: „Das sind zwei Hände: eine kreative, die durch einen künstlerischen Ausdruck versucht mit dieser Dimension in Kontakt zu treten und eine andere, die sich vielleicht eher an einen kognitiven Blickpunkt richtet.“ Wichtig sei ebenso, dass man bei Mairania 857 überkonfessionell und für alle Religionen offen das Thema angehe und, dass man sich gewisse Überraschungen zurückbehält, etwa auch für die informellen, an die einzelnen Veranstaltungen angeschlossenen, ungezwungenen Momente des Zusammenseins. Nach Ende der Veranstaltung, von 21 bis 23 Uhr, kann man sich für einen Austausch, einen Happen zu Essen und eine Tasse Tee oder Glühwein Zeit nehmen. Dafür hat Degasperi schon ein Objekt vorbereitet, das übermorgen enthüllt wird und einen Ausgangspunkt für die Gespräche bieten solle. Mehr verrät er dazu nicht.

    Aber würden wir alle Geheimnisse vorab schon kennen, wäre das Leben dann nicht langweiliger?

  • Das vollständige Programm von „Revolution – Che la morte ci trovi vivi“ mit Filmen, Diskussionen, Kunst und Informationsveranstalltungen rund um das Thema Tod finden Sie online.