Gesellschaft | Facebook-Hetze

"Niemand soll glauben, damit durchzukommen!"

Silvia Fabbi spricht über die Erlebnisse der letzten Tage, Hass und Gewalt in Sozialen Netzwerken und den Journalismus als Verfechter der Meinungsfreiheit.

"Es ist gut, dass so viele Menschen etwas dazu gesagt haben und es so viele gibt, die die Geschichte bedauern. Bozen ist eine gesunde Stadt in dem Sinn", so die Bilanz von Silvia Fabbi nach den Aufregungen der letzten Tage und Stunden. Die junge Journalistin vom Corriere dell'Alto Adige hat viel Solidarität geerntet, nach dem Bekanntwerden der beleidigenden und entwürdigenden Attacke, die vom Meraner Lega-Funktionär Sergio Armanini auf der Facebook-Seite der Bozner Gemeinderätin Maria Teresa Tomada (Fratelli d'Italia/Alleanza Nazionale) gestartet und dort geduldet wurde.

Frau Fabbi, wie haben Sie persönlich die Situation erlebt, Hass in Sozialen Medien ausgesetzt zu sein?
Silvia Fabbi: Ich persönlich bin der Meinung, dass Soziale Netzwerke nicht der Darstellung der Realität, sondern eher der Einbildung dienen und daher war ich gar nicht so geschockt von dem, was auf Facebook geschrieben wurde. Was allerdings bedauerlich ist, ist, dass jemand denken könnte, so etwas ungestraft sagen zu können. Außerdem sind die Beleidigungen von jemandem gekommen, der eine politische Funktion innehat. Als Politiker sollte er doch ein Vorbild für die Bevölkerung sein.

Sergio Armanini hat sich aus Angst bei mir entschuldigt. Ich hatte von Anfang an klar gemacht, dass ich nicht einfach damit durchkommen lasse.

Haben Sie sich nicht doch persönlich von Sergio Armanini angegriffen gefühlt?
Nein, die gemachte Aussage habe ich nicht als gegen mich gerichtet, sondern als symbolischen Angriff auf Frauen allgemein empfunden.

Mittlerweile hat sich Armanini für den Vorfall entschuldigt. Wie ehrlich ist Ihrer Meinung nach diese Entschuldigung?
Die Entschuldigung war von Angst verursacht. Ich habe von Anfang an klar gemacht, dass ich ihn nicht einfach damit durchkommen lassen werde, und gestern (Mittwoch, 3. Dezember, Anm.d.Red.) Abend hat er mich dann angerufen und sich entschuldigt – erst am Abend, nachdem alles passiert war und sowohl der Bozner Bürgermeister als auch meine Journalistenkollegen und zahlreiche weitere Menschen seine Worte aufs Schärfste verurteilt hatten. Aber das ist schon ok, er hätte auch nichts sagen können.

Journalismus bedeutet Meinungsfreiheit. Und solange nicht jemand beleidigt oder verletzt wird, hat ein jeder das Recht, seine Meinung zu äußern.

Gerade heute, am 4. Dezember, fand eine Diksussionsrunde zu Hass und Gewaltaufrufen in Online-Medien statt. Wie bedrohlich empfinden Sie die Situation?
Es muss auf jeden Fall ein Bewusstsein unter den Usern von Online-Plattformen geschaffen werden, es kann nicht sein, dass jemand denkt, es gäbe keine Konsequenzen, man käme mit verbaler Gewalt in Sozialen Netzwerken einfach so durch. Es muss Regeln geben, auch geschriebene Regeln, denn schließlich wird auch die Gesellschaft von solchen Diskussionen und Vorfällen geprägt.

Der junge Mann, den Sie für Ihren Artikel interviewt haben, scheint diesbezüglich auch keine weiße Weste zu haben. Wie sind Sie überhaupt auf Maf Foughali gekommen, und darauf, über ihn und seine Religion zu berichten?
Vor einigen Monaten bin ich von einem rechten Bozner Politiker auf ein Bild aufmerksam gemacht worden, das Maf auf seiner Facebook-Seite gepostet hatte. Es zeigte einen Hund, der auf eine israelische Fahne pinkelt. Ich habe mich dafür interessiert und – vor dem Interview –  bei der Digos nachgefragt, wie die Situation einzuschätzen sei. Als Maf dann ein weiteres Foto postete, wo er sich ausdrücklich als Moslem gegen den Terror des Islamischen Staates stellt, habe ich bei ihm nachgefragt. So ist es zum Interview gekommen.

Ich war gar nicht so geschockt von dem, was auf Facebook geschrieben wurde. Bedauerlich ist, ist, dass jemand denken könnte, so etwas ungestraft sagen zu können.

Ein Interview, das schnell in den Verdacht geriet, einem islamistischen Extremisten Raum zu bieten?
Die Absicht hinter dem Gespräch war keinesfalls, ein Spotlight auf einen Terroristen zu werfen oder ihn gar zu "glorifizieren" wie mir von Maria Teresa Tomada unterstellt wurde. Ich persönlich bin auch nicht mit allem einverstanden, was Maf gesagt hat, aber meine Aufgabe als Journalistin war es, ihm zuzuhören, mir anzuhören, was er zu sagen hatte. Denn Journalismus bedeutet Meinungsfreiheit. Und solange nicht jemand beleidigt oder verletzt wird, hat ein jeder das Recht, seine Meinung zu äußern.