Geld
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Wirtschaft | Bella Italia

Schwimmen im Bargeld

Italien hat nicht nur den zweifelhaften Rekord seiner enormen Staatsverschuldung aufzuweisen. Das Land kann auch mit weiteren fragwürdigen Rekorden aufwarten.

In keinem anderen EU-Staat horten die Bürger mehr Bargeld als auf der italienischen Halbinsel. Die Summe wird von Finanzexperten auf 150 Milliarden Euro geschätzt, ganze zehn Prozent des Bruttosozialprodukts. Versteckt unter den sprichwörtlichen Matratzen, in privaten Safes, in Bücherregalen oder in den Schließfächern in- und ausländischer Banken. Schon seit vielen Monaten überlegen Experten Wege, diese gigantische Summe wengstens teilweise in Umlauf zu bringen und damit die Wirtschaft anzukurbeln. Ein utopisch anmutendes Unterfangen, denn die Italiener lieben offenbar das Rascheln des Papiergelds. Nur für 30 Zahlungen jährlich benützt der Durchschnittsitaliener Kredit- oder Bankomatkarten - in Schweden sind es 402. Italien wird dabei nur von Bulgarien, Griechenland und Rumänien übertroffen. 87 von 100 Zahlungen werden auf der Halbinsel mit Bargeld abgewickelt. Bei den Ermittlungen im Korruptionsskandal Mafia Capitale wurden in der Wohnung eines Gemeindebeamten fast 600.000 Euro Bargeld beschlagnahmt, das aus Bestechungsgeldern stammte.  Ein korrupter Richter in Mailand hortete fast 300.000 in seiner Wohnung. In vielen Fällen aber handelt es sich um angesparte oder geerbte Summen, die zuhause für sicherer gehalten werden als in den Banken, denen nur 1,5 Prozent der Italiener vertrauen.

Nun werden Wege angedacht, um die Bürger zu stimulieren, ihre brachliegenden Summen zu investieren - nach dem Vorbild jener voluntary disclosure, mit der das Schwarzgeld auf ausländischen, vor allem Schweizer Banken mit einer einmaligen Zahlung legalisiert werden konnte. Eine Operation, die 59 Milliarden in die Staatskasse spülte. Erwogen werden etwa Steuererleichterungen für Investitionen und größere Einkäufe, die mit Kredit- oder Bankomatkarten getätigt werden. Gleichzeitig sollen die Strafen für Schwarzzahlungen erhöht werden.

Dieses Geld befindet sich fast ausschließlich in den Händen der älteren Generation, die sich ungern von Gewohnheiten trennt. Langfristig könnte sich das Problem aber von selbst lösen.

Das Sozialforschungsinstitut Censis hat am Wochenende in seinem 50. Jahresbericht zur Lage der Nation genau dieses Problem unterstrichen: "Dal 2007 a oggi gli italiani hanno accumulato 114 miliardi di euro di liquidità aggiuntiva, un gigantesco patrimonio che equivale al Pil dell'Ungheria e che rimane rigorosamente liquido, pronto a essere usato in una prospettiva futura di tempi ancora più bui, investito davvero in minima parte e sostanzialmente nelle mani degli anziani."

Den Italienern das unsinnige Horten von Bargeld auszutreiben, erscheint freilich als Sisyphusarbeit. Auch weil sich dieses Geld fast ausschließlich in den Händen der älteren Generation befindet, die sich ungern von Gewohnheiten trennt: "In Italia gli anziani hanno il patrimonio immobiliare e i risparmi di una vita che nei tempi buoni si sono moltiplicati grazie ad investimenti azzeccati, i giovani non hanno pressoché nulla: le famiglie con persone di riferimento che hanno meno di 35 anni hanno un reddito più basso del 15,1% rispetto alla media della popolazione e  una ricchezza inferiore del 41,1%."

Langfristig also könnte sich das Problem von selbst lösen: Das Einkommen der jungen Generation ist in 25 Jahren drastisch gesunken - um über 40 Prozent. Da bleibt nichts mehr, das man unter der Matratze verstecken könnte.