"Unvorstellbares Szenario"

Eine Horrovorstellung für jeden Autofahrer: Da freut man sich über eine neue Straße, die schnelleres und vor allem sicheres Weiterkommen ermöglichen soll, und dann beginnt sich der Asphalt zu bewegen, Risse tun sich auf und Teile der Fahrbahn brechen weg. Was sich anhört wie das Szenario aus einem Weltuntergangsfilm, ist in Sizilien Realität geworden. Am 23. Dezember – ganze vier Monate früher als geplant – ist ein neuer Straßenabschnitt der Staatsstraße 121, die von Palermo nach Agrigento führt, geöffnet worden. Teil dieses Abschnittes ist ein ein Kilometer lange und 13 Millionen teure Brücke, ein Viadukt, mit dem Namen “Scorciavacche 2”.
Die Freude über die rasche Fertigstellung war groß, hielt jedoch nicht lange an. Bereits zum Jahresende musste das Viadukt wieder geschlossen werden. Der Grund: Die Fahrbahn hatte begonnen, sich zu senken und tiefe Risse zeigten sich an der Oberfläche.
Glücklicherweise war zu dem Zeitpunkt kein Fahrzeug auf dem Straßenabschnitt unterwegs. Und doch, Ärger und Unverständnis machen sich nicht nur in Sizilien breit. Wie konnte es zu diesem unvorstellbaren Vorfall. kommen? Wer trägt die Verantwortung, wenn eine brandneue Brücke plötzlich nachgibt? Und: Ist ein solches Szenario auch für Südtirol vorstellbar?
“Ausgeschlossen für unser Land”
“Undenkbar, dass so etwas wie in Sizilien auch bei uns in Südtirol passiert”, ist sich Josef March sicher. Der Architekt war von 2002 bis 2014 Leiter des Ressorts für Bauten und fast vierzig Jahre lang für das Land im Amt für Hochbau tätig. Am Telefon erklärt er, warum hierzulande ein derartiges Szenario ausgeschlossen ist: “Vor Inbetriebnahme einer Brücke überprüft ein eigener Kollaudator, ob die Struktur ordnungsgemäß gebaut worden ist.” Zuständig für neu errichtete Brücken ist die Abteilung für Tiefbau, während für bereits bestehende Brücken die Kontrolle und Kollaudierung dem Bautenressort obliegt. Ganze 1.700 Brücken hat man seit 1998, als die Zuständigkeit für die Staatsstraßen an das Land überging, zu überwachen – 950 auf Landesstraßen und 750 auf Staatsstraßen.
Totale periodische Kontrolle: “Ein perfektes System”
“In der Regel werden die Brücken im Land alle zehn Jahre einer periodischen Kollaudierung unterzogen”, berichtet March. Dabei wird deren Elastizität mithilfe sensibler technischer Instrumente und Sensoren geprüft und jede einzelne Brücke einem Härtetest unterzogen. “Mit Sand beladene LKWs fahren auf die Brücke und es wird geschaut, ob sich diese sich richtig verhält”, erklärt der ehemalige Bürgermeister von Natz-Schabs und mittlerweile pensionierte Architekt. “Tauchen Mängel auf, werden sofortige Sanierungsmaßnahmen eingeleitet.” Zusätzlich zu diesen periodischen Kontrollen führen die Techniker des Straßendienstes jedes Jahr visuelle Kontrollen durch und überprüfen mittels Foto-Dokumentierung den Zustand der Brücken.
Ministerpräsident Renzi fordert lückenlose Aufklärung und den Namen der Verantwortlichen ein.
Schlampereien à la siciliana
Bevor ein Fahrzeug sich auch nur einen Meter auf eine Brücke in Südtirol wagen darf, werden also strengste Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Doch wie schaut es mit der Vergabe der Aufträge für die Errichtung neuer Brücken und ähnlicher Strukturen aus? In Sizilien wird vermutet, dass das mit dem Brückenbau beauftragte Unternehmen geschlampt und dadurch das Risiko, Menschenleben zu gefährden, bewusst in Kauf genommen hat. “In Südtirol werden die meisten Aufträge amtsintern vergeben, das heißt, Planung und Bauleitung übernimmt das Amt für Tiefbau”, klärt Josef March auf. Da das Amt jedoch nicht in der Lage ist, sämtliche Aufträge selbst zu übernehmen, werden die restlichen mittels staats- oder europaweiten Wettbewerben ausgeschrieben. Und bereits der Bauleiter hat statische Kontrollen durchzuführen um sicher zu gehen, dass die Arbeiten fachgerecht durchgeführt werden. Eigentlich eine einleuchtende und verständlicherweise notwendige Vorgehensweise, möchte man meinen. Zumindest hierzulande. Denn dass in Südtirol eine Brücke ganz plötzlich einbricht, das ist und bleibt für Josef March “unvorstellbar”.
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Unvorstellbar bis es eben
Unvorstellbar bis es eben passiert, durch einen Billiganbieter aus Fernistan...