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Gesellschaft | Medien

Die Botschaft des Regimes

Die Berichterstattung über den angeblichen Skandal um geheime Dossiers über Politiker macht deutlich, wie die Regierung Fake-News verbreitet. RAI Südtirol macht dabei mit.
  • Die Meldung ging am Montag stündlich über den Äther.
    In den Nachrichten von RAI Südtirol wurde den ganzen Tag lang wörtlich gemeldet:

    „Italien wird von einem neuen Geheimdienstskandal erschüttert. Ein hoher Beamter der Finanzpolizei und ein Mitglied der Antimafia-Staatsanwaltschaft haben Dossiers über Politiker angelegt. Auch Regierungsmitglieder wurden ausspioniert. Der Skandal scheint größere Ausmaße anzunehmen. Die beiden ermittelnden Staatsanwälte haben nämlich gebeten, umgehend von der parlamentarischen Kommission für die Sicherheit Italien angehört zu werden.“

    Auch auf der Onlineseite von RAI Südtirol wird das Thema vertieft. Dort heißt es: 

    „Dossiers, die scheinbar mithilfe von Geheimdienstinformationen ohne klare Ermittlungsgrundlagen angelegt wurden. Das ist der Vorwurf, der nun gegen die Staatsanwaltschaft von Perugia, gegen die Finanzpolizei und gegen die Antimafia-Staatsanwaltschaft im Raum steht. ..[…].. Mehrere politische Parteien sprechen von Ungeheuerlichkeiten. Die Lega spricht von einem Angriff auf die Republik. Auch Forza Italia fordert eine sofortige Aufklärung.“ 

    Man kann davon ausgehen, dass die Kolleginnen und Kollegen am Mazziniplatz sich bei diesen Nachrichten auf die Meldungen der gesamtstaatlichen RAI oder auf Agentur- oder Meldungen anderer Medien gestützt haben. 
    Denn in Wirklichkeit wird Italien nicht von einem neuen Geheimdienstskandal erschüttert, sondern von einem Medienskandal, der deutlich macht, wie man in der Ära Meloni Nachrichten so steuert, dass sie von den Machenschaften der Regierungspolitiker ablenken. Hier macht ein Regime Politik mit Fake News. Und leider fällt der Großteil der Bürgerinnen und Bürger darauf herein.

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    „In Wirklichkeit wird Italien nicht von einem neuen Geheimdienstskandal erschüttert, sondern von einem Medienskandal, der deutlich macht, wie man in der Ära Meloni Nachrichten so steuert, dass sie von den Machenschaften der Regierungspolitiker ablenken.“

     

    Es ist eine durchaus komplexe Geschichte, die hinter dieser Affäre steht. Hier eine vereinfachte Kurzversion.
    Seit 2007 gibt es innerhalb der Banca d’Italia eine eigene Spezialeinheit, die sich „Unità di Informazione Finanziaria per l'Italia (UIF)“ nennt. Italien hat damit per Gesetz eine internationale Vorgabe umgesetzt, die den Staaten vorschreibt, eine eigene „Financial Intelligence Unit (FIU)“ zu gründen, die autonom arbeitet und zur Vorbeugung und dem Kampf gegen die organisierte Kriminalität, die Geldwäsche und die Finanzierung des Terrorismus eingesetzt wird.
    Alle Banken, Finanzdienstleister und Broker müssen laut den geltenden Gesetzen der bei der italienischen Notenbank angesiedelten UIF alle verdächtigten Transaktionen unmittelbar melden. Diese Meldungen, in der Fachsprache „Segnalazioni di operazioni sospette“ (SOS) genannt, werden in eine eigenen Datenbank gespeichert.
    Es gibt zwei Behörden, die neben der Banca d’Italia einen direkten Zugang zu dieser Datenbank haben: Die Finanzwache und die Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft (DIA).
    Genau das ist dann auch das Terrain, auf dem sich jetzt der angebliche Geheimdienst-Skandal abspielt.

     

    Dabei hat die Affäre einen völlig anderen Ausgangspunkt.
    Im Fokus der Ermittler stehen die renommierten Enthüllungs-Journalisten Giovanni Tizian, Emiliano Fittipaldi, Nello Trocchia, Stefano Vergine und Federico Marconi.
    Sie haben zuerst im „L Espresso“ und seit zwei Jahren in der neuen Tageszeitung „Il Domani“ mehrere Enthüllungsgeschichten über verdeckte Einnahmen, Beteiligungen und Finanzoperationen von Politikern veröffentlicht.
    Im Oktober 2022 wird der Unternehmer und Fratelli d’Italia-Mitbegründer Guido Crosetto zum neuen italienischen Verteidigungsminister ernannt. Tizian und Fittipaldi landen kurz nach seiner Amtseinführung einen "Scoop". Sie enthüllen, dass der neue FdI-Minister in einem eklatanten Interessenskonflikt steht. Denn Crosetto war bis 2022 jahrelang bezahlter Berater von großen Rüstungskonzerne und von Unternehmen, die im Sicherheitsbereich arbeiten. Domani listet detailliert die Summen auf, die Crosetto etwa vom Rüstungskonzern Leonardo, von den Unternehmen Finmeccanica und Elettronica oder auch von Firmen, die für die Justiz die Abhörungen durchführen, bekommen hat. Allein zwischen 2018 und 2021 sind es über 2,5 Millionen Euro, die der Politiker erhält.

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    „Es ist eine journalistische Enthüllung, die in jedem anderen Land der westlichen Hemisphäre zum unmittelbaren Rücktritt eines Ministers geführt hätte. Nur in Italien ist alles anders.“

    Es ist eine journalistische Enthüllung, die in jedem anderen Land der westlichen Hemisphäre zum unmittelbaren Rücktritt eines Ministers geführt hätte. Nur in Italien ist alles anders.
    Dort verraucht der Inhalt der Geschichte – der bis heute unbestritten ist – völlig. 
    Dafür macht Guido Crosetto eine Eingabe gegen diese Berichterstattung und gegen die Journalisten beim Justizministerium und bei der Staatsanwaltschaft. Anstatt einer Säuberungsaktion in der Regierungspartei geht damit die Jagd auf den Informanten los.

     

    Diesen glaubt man jetzt gefunden zu haben. Laut der offiziellen Darstellung soll der Informant der Journalisten Pasquale Striano sein. Der heute 60-jährige Offizier der Finanzwache, der sein berufliches Leben zwischen Sizilien, Kampanien und Rom der Jagd auf die Mafia und die Finanztransaktionen der organisierten Kriminalität gewidmet hat, wird beschuldigt, Informationen an die Journalisten weitergegeben zu haben.
    Doch nicht nur das. Striano arbeitet seit Jahren für die Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft. Zu seinen institutionellen Aufgaben gehört dabei auch die Überwachung und der Zugriff auf die SOS-Datenbank.
    Genau das wirft man dem Beamten jetzt vor: Hunderte von Zugriffen auf die Datenbanken. Und nicht nur ihm. Weil sich der Finanzbeamte in seinen ersten Aussagen auf Weisungen seines Vorgesetzten beruft, wird inzwischen auch gegen den Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft Antonio Laudati offiziell ermittelt, der offiziell für die SOS-Datenbank zuständig ist.

     

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    "Es gibt dabei weder Dossiers noch irgendwelche illegale Zugriffe auf Datenbanken. Sondern es gibt nur dienstliche Abfragen in einem potenziellen Sündenregister der Finanztransaktionen."

     

    Es gibt dabei weder Dossiers noch irgendwelche illegale Zugriffe auf Datenbanken. Sondern es gibt nur dienstliche Abfragen in einem potenziellen Sündenregister der Finanztransaktionen.
    Damit geht es ausschließlich um die Frage, ob Striano oder Laudati die Informationen an die Domani-Journalisten weitergegeben haben oder nicht. Kann das bewiesen werde, wäre es eine Fall von Amtsmissbrauch. Mehr aber nicht.

     

    Sie werden aber sehen: Die Ermittlungen gegen Striano, Laudati und inzwischen insgesamt 12 Personen zumeist Journalisten - werden enden  wie das Hornberger Schießen. Es wird alles platzen wie eine Seifenblase.
    Das wissen auch die Regisseure dieser Operation.
    Dass man diese Geschichte jetzt bewusst zum „neuen Geheimdienstskandal“ aufbläst, hat ausschließlich politische Gründe. Zum einen schafft man es dadurch, von den Machenschaften der Regierungsmitglieder ­– Crosetto docet – abzulenken und zum anderen will man hier ein gefährliches Leak ein für alle Mal schließen. Jeder Informant und jede Informantin sollen wissen, was Ihnen unter dieser Regierung blüht.
    Nur schade, dass auch Medien, die sonst durchaus kritisch sind, dieses unwürdige Schauspiel auch noch freimütig unterstützen
    Und im kleinen Südtirol läuft es nicht anders.