Umwelt | Abfallwirtschaft

Plastiksammlung: Verpuffte Mühe

Die Entsorgung von Plastik zeigt, dass Mülltrennung nicht automatisch ökologisch sinnvoll sein muss. Dennoch hat Bozen seine Sammlung erweitert.
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Foto: Yaroslav Shuraev

Noch vor der heutigen Entsiegelung der neuen Restmüllsammeltonnen hat auch in den blauen Plastiktonnen der Landeshauptstadt eine kleine Revolution stattgefunden. Waren dort bislang nur Getränkeflaschen und Kunststoffbehälter willkommen, sind nach einem entsprechenden Beschluss des Gemeinderates seit diesem Jahr auch jede Menge anderer Abfälle wie Einkaufstaschen, Styroporbehälter für Lebensmittel, Joghurtbecher, Plastikverpackungen von Bonbonnieren und weitere Kunststoffe willkommen. Da jedoch andere Plastikverpackungen weiterhin in den Restmüll sollen, stöhnen viele Bürger ob der Unübersichtlichkeit des neuen Systems. „Man braucht schon fast einen Studientitel, um zu wissen, was in welche Tonne kommt“, meint selbst Seab-Direktorin Verena Trockner.

Blauer Rauch statt mehr Wert

Doch auch bei Müllexperten des Landes sorgt die neue Ordnung in den blauen Glocken der Landeshauptstadt für Verärgerung. Der Grund? Obwohl die Bozner Mülltrennungsrate damit steigen mag, seien die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen der ausgeweiteten Materialsammlung negativ. Öffentlich dazu Stellung nehmen will zwar niemand. Doch wie in internen Papieren kritisiert wird, sei nur rund die Hälfte des nun gesammelten Plastiks tatsächlich stofflich recycelbar. Sprich: Nur ein Teil der Kunststoffsammlung findet Abnehmer in der Industrie, die an einer stofflichen Wiederverwertung interessiert sein.

Die restlichen 50 Prozent, die von der Gemeinde Bozen an das zuständige nationale Konsortium Corepla  geliefert werden, würden dagegen thermisch verwertet. Oder in klarerer Worten: verbrannt. Nicht etwa im Bozner Müllverbrennungsofen, in dem Plastik im Restmüll für einen guten Heizwert sorgt, wobei die entstehenden Rauchgase mit hohen technischen Aufwand gefiltert werden, und wo zudem als Nebenprodukt Strom und Wärmeenergie herstellt wird. Das gesammelte und nicht recycelbare Plastik aus Bozen wird vielmehr in Anlagen verbrannt, die es dem Corepla-Konsortium als Brennstoff abkaufen. Darunter befinden sich auch Anlagen, die keine hohen Umweltauflagen erfüllen und keine optimale Rauchgasfilterung vorweisen.

Auf den Punkt gebracht: Während im Bozner Müllverbrennungsofen Energie verschenkt wird, wird durch die Plastikbeheizung italienweit weitgehend unkontrolliert Kohlendioxid in die Luft geblasen – dank Sammlungen wie jener in Bozen.

Die finanzielle Frage bleibt offen

Dabei bleibt fraglich, ob sich die Ausweitung der Plastiksammlung für die Gemeinde finanziell lohnen wird. Denn die Beiträge, die das Konsortium Corepla den Gemeinden für ihren Müll zahlt, werden nach Menge und Qualität des Materials berechnet. Bei einer gemischten Sammlung steigt zwar die Menge, aber die Qualität sinkt automatisch. Und aufgrund des neues Bozner Sammelsystems gibt es eine unbekannte Größe: Werden Bozens Bürger die neuen Tonnen bzw. Säcke für Restmüll tatsächlich nutzen – oder landen Restmüllsäcke nun in den weiterhin frei zugänglichen Trennglocken? Damit würde die Sammlung der Kunststoff empfindlich verunreinigt, was einen  weiteren Qualitätsverlust mit sich bringe würde.  

Laut Informationen, die salto.bz vorliegen, befürchten die Müllexperten des Landes genau dieses Szenario. Der einzige Ausweg? Eine Verlagerung der Kunststoffsammlung in den Recyclinghof – die aber eine weitere Belastung der Bürger bedeuten würden.  

War die vom Bozner Gemeinderat beschlossene Ausweitung der Plastiksammlung also eine grobe Fehlentscheidung? Die Antwort aus der Seab-Direktion bleibt vorsichtig.. „Aus Umweltsicht wird hier wirklich zu viel Material hin- und hergeschoben und zu wenig reycelt“, sagt Verena Trockner. Aus Kostensicht würden SEAB und Gemeinde Bozen jedoch mit der neuen Lösung etwas besser aussteigen als wenn das gesammelte Material im Bozner Verbrennungsofen entsorgt würde; vor allem weil das Kunststoffmaterial durch eine Firma vorsortiert werde, um es halbwegs sauber anzuliefern.

Polierte Statistiken?

Die Frage bleibt, ob eine Steigerung von Bozens Mülltrennrate bei solch ökologisch fragwürdige Entsorgungsmethoden überhaupt als Erfolg zu sehen sind – oder ob Bozen auf diese Art die vermeintlichen Fortschritte anderer italienischer Städte und Provinzen bei der Mülltrennung zu kopieren versucht? So werden im Trentino, das bekanntlich bei der Trennrate weit besser liegt als Südtirol, bereits seit Jahren Kunststoffe gesammelt: Diese fallen somit aus der Restmüllstatistik raus, ungeachtet dessen, dass rund die Hälfte der getrennten Plastike nach der Sortierung wieder zu Restmüll – oder eben Brennstoff – wird.

Für Seab-Direktorin Trockner hinkt der Vergleich schon aufgrund der unterschiedlichen Größenordungen: Mit 500 Jahrestonnen stellen Kunststoffe in Südtirol im Vergleich zu anderen Wertstoffen einen geringen Teil dar: Papier und Karton fallen im Jahr mit je über 4000 Tonnen an, also acht Mal so viel, Biomüll mit 6000 Tonnen zwölf Mal mehr. Als Verteidigerin des ausgedehnten Sammelsystems springt die SEAB-Direktorin aber dennoch nicht ein: „Wenn die Leute die Kunststoffsammlung weiter so betreiben wie früher, geht das auch gut.“