Chronik | Rechnungshof
Abgang nach Brüssel

Foto: corte dei conti
Offiziell steht ihr Name noch auf der Homepage. Doch Daniela Morgantes Büro ist bereits leer. Die leitende Staatsanwältin in der Bozner Sektion des regionalen Rechnungshofes verlässt durchaus überraschend ihr Amt. Morgante wurde von der Regierung Conte als italienische Vertreterin in das „International Board of Auditors for NATO“ (IBAN) in Brüssel berufen.
Damit aber stellt sich die Frage: Wer folgt auf Morgante am Bozner Rechnungshof?
Damit aber stellt sich die Frage: Wer folgt auf Morgante am Bozner Rechnungshof?
Das Board
Das International Board of Auditors for NATO (IBAN) ist ein seit 1953 bestehendes unabhängiges Kontrollorgan der NATO. Das IBAN überprüft und kontrolliert die Bilanzen und die Abrechnungen der militärischen und zivilen Abteilungen, die für die NATO tätig sind. Das Gremium untersteht dem Nordatlantikrat, der höchsten NATO-Instanz und berichtet ausschließlich diesem.
Jedes NATO-Land entsendet ein Mitglied in das Board. Neben sechs Vorständen werden 20 sogenannte Auditors für vier Jahre ernannt. Wobei die Mitglieder aus den Reihen der Richter oder Staatsanwälte am Rechnungshof stammen müssen. Jetzt steht die Ernennung eines neuen italienischen Mitgliedes im Board an. Dabei hat sich die Regierung Conte bereits auf Daniela Morgante festgelegt. Die Besetzung in Brüssel soll spätestens Anfang September erfolgen. Dass der Abgang bisher noch nicht öffentlich kommuniziert wurde, liegt an einem Rekurs, den eine Mitbewerberin gegen die Ernennung eingereicht hat. Dieser Rekurs wird am 11. September vor dem Verwaltungsgericht Lazio verhandelt.
Kommt es dabei nicht zu einer einstweiligen Verfügung, dürfte die Ernennung in trockenen Tüchern sein. Das zeigt auch ein Detail: In der Datenbank der „Presidenza del consiglio“ scheint die Bozner Staatsanwältin samt Curriculum bereits als Mitarbeiterin des Stabes von Ministerpräsident Giuseppe Conte auf.
Steile Karriere
Die 45-jährige Juristin aus Rom klettert damit auf ihrer beeindruckenden Karriereleiter wieder eine Stufe höher. Morgante ist alles andere als die typische Figur für eine Richterkarriere. Die Rechtsanwältin startete ihre Laufbahn im Bankwesen. Nach Arbeitserfahrungen bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt und der Wettbewerbsbehörde bei der Europäischen Kommission in Brüssel findet sie zuerst bei der italienischen Börsenaufsicht Consob und dann im Bereich Bankenaufsicht der Banca d´ Italia eine Anstellung. Im Dezember 2008 wird Morgante Richterin am Verwaltungsgericht Piemont. Später wechselt sie zum Rechnungshof. Sie ist Richterin am Rechnungshof im Veneto und in Apulien. Dann wird sie stellvertretende Staatsanwältin am Rechnungshof der Region Molise.
Daniela Morgante ist aber auch politisch bestens vernetzt. So wird sie 2013 im ersten Kabinett des römischen PD-Bürgermeisters Ignazio Marino zur Finanzstadträtin ernannt. Lange Zeit war Morgante auch als Assessorin oder Kabinettschefin von Virginia Raggi ernsthaft im Gespräch. Ende 2016 wird die Karrierefrau, die zwischendurch auch für den italienischen Fussballverband tätig ist, dann die neue leitende Staatsanwältin am Bozner Rechnungshof.
Umstrittene Berufung
Doch Daniela Morgante hat ein Problem. Bereits einen Tag nach ihrer Ernennung gräbt der „Fatto quotidiano“ einen brisanten Hintergrund aus. Daniela Morgante gibt zwar offiziell an, Deutsch zu können, doch sie hat keinerlei Nachweis für ihre Zweisprachigkeit.
Zudem reicht die Staatsanwältin Alessia Di Gregorio gegen die Morgante-Berufung beim Bozner Verwaltungsgericht Rekurs ein. Es folgt ein Justizkrimi, der fast drei Jahre lang andauert und von Bozen nach Rom und dann wieder zurück nach Bozen führt. Am Ende legt Daniela Morgante ein Zweisprachigkeitszeugnis vor, das jetzt auch in ihrem Curriculum im Minsterratspräsidium angeführt ist.
Daniela Morgante hat in den zweieinhalb Jahren in Bozen einige Ermittlungen angestoßen und auch abgeschlossen. Jetzt erfolgt aber ein bewusst stiller Abgang. Auch auf den Hintergrund des noch behängenden Gerichtsstreits.
Damit aber ist das Amt des leitenden Staatsanwaltes am Bozner Rechnungshof verwaist. So wird etwa der Rekurs der Grünen zum Flughafenverkauf zwar protokolliert, er wird aber einige Monate herumliegen. Wie auch alle anderen Verfahren und Eingaben.
Die Nachfolge
Denn es wird mehr als schwierig werden, die Stelle schnell zu besetzen. Man kann davon ausgehen, dass das Präsidium des obersten Richterrates des Rechnungshofes Mitte September einen Wettbewerb für die Nachfolge Morgantes ausschreiben wird. Dabei ist Auswahl aber mehr als begrenzt.
Nach den geltenden Bestimmungen muss der Staatsanwalt am regionalen Rechnungshof in Bozen im Range eines „consigliere“ stehen und im Besitz des Zweisprachigkeitsnachweises sein. Es gibt kaum eine Handvoll Kandidatinnen und Kandidaten, die in Italien diese Voraussetzungen erfüllen.
Deshalb kursiert in Politkreisen auch schon ein Horrorszenario. „Jetzt kommt der Schülmers zurück“, stöhnt ein hoher SVP-Funktionär. Robert Schülmers hatte von 2011 bis 2016 die Staatsanwaltschaft am Bozner Rechnungshof geleitet. Inzwischen ist er als Richter in der Kontrollsektion des Rechnungshofes Neapel tätig. „Derzeit habe ich kein Interesse, an den Bozner Rechungshof zurückzukehren“, sagt Robert Schülmers auf direkte Nachfrage zu salto.bz.
Prädestiniert für den Job wäre auch Alessia Di Gregorio. Aber auch sie ist inzwischen Richterin an der Kontrollsektion des Rechnungshofes in Trient und wird kaum so schnell wieder nach Bozen zurückkommen.
Die wahrscheinlichste Variante: Der oberste Richterrat des Rechnungshofes wird sich auf eine Ausnahmebestimmung berufen, die es erlaubt, für ein Jahr einen Staatsanwalt nach Bozen zu schicken, der kein Deutsch kann.
Nur so wird man überhaupt noch in diesem Jahr eine Nachbesetzung schaffen.
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