Gesellschaft | Soziales

„Ein Projekt tiefer Menschlichkeit“

Ein zweites Fahrzeug ergänzt das Team von über 80 Freiwilligen des „Wünschewagens“. Durch das Projekt wird schwer kranken Menschen ein letzter Wunsch erfüllt.
Wünschewagen
Foto: Wünschewagen
  • Das Projekt „Wünschewagen“ entstand vor sieben Jahren als ein Gemeinschaftsprojekt der Caritas, der Diözese Bozen-Brixen und des Weißen Kreuzes. Alsbald wurde das erste Fahrzeug angeschafft, um Menschen am Lebensende einen letzten Wunsch zu erfüllen. „Es geht um Wünsche, die ansonsten nicht möglich wären. Wünsche, die nur mit Fachpersonal und penibler Vorbereitung erfüllt werden können“, betont Beatrix Mairhofer, Caritas-Direktorin, „die Angehörigen sind sehr dankbar, dass es diese Möglichkeit gibt.“

     

    „Nur durch ihre Hilfe ist es möglich, kranke und alte Menschen wieder zurück in den Mittelpunkt der Gesellschaft zu bringen.“

     

    Ein Gemeinschaftsprojekt, das vor allem von vielen Freiwilligen getragen wird. Mittlerweile sind 80 Personen Teil des Teams und stellen ihre Freizeit für den Wunsch anderer zur Verfügung. „Nur durch ihre Hilfe ist es möglich, kranke und alte Menschen wieder zurück in den Mittelpunkt der Gesellschaft zu bringen, damit sie auch an ihrem Lebensende dieses Gefühl spüren können, dass sie ein Teil unserer Gesellschaft sind“, so Mairhofer. Inzwischen hat der erste Wünschewagen 3.140 Kilometer hinter sich gebracht und um die 400 Fahrten durchgeführt. Im letzten Jahr wurde der Wagen 74-mal in Anspruch genommen und die Nachfrage steigt. Deswegen auch die Entscheidung, einen weiteren Wünschewagen anzuschaffen. 

  • Ivo Muser, Beatrix Mairhofer, Benjamin Egger, Ivo Bonamico: Beim Wünschewagen geht es um Wünsche, die ansonsten nicht möglich wären. Foto: Wünschewagen

    Es ist wegen der Wartezeiten wichtig, diesen zweiten Wagen zu haben, denn oftmals wird für denselben Termin angefragt. „Dennoch gibt es manchmal Wartezeiten, daher der Rat an die Angehörigen, den Antrag möglichst frühzeitig zu stellen. Besonders wenn die Menschen gesundheitlich bereits sehr gebrechlich sind, könnte es ansonsten vielleicht nicht mehr klappen“, berichtet Mairhofer. Die Bandbreite der Wünsche sei sehr groß. „Ich erinnere mich beispielsweise an eine ältere Frau, die aus Krankheitsgründen bettlägerig war, und durch den Wünschewagen zum ersten Mal das Grab ihres Mannes sehen konnte. Solch ein Wunsch ist genauso wichtig, wie nochmals einen Wallfahrtsort besuchen zu können, der hunderte Kilometer entfernt ist.“

    Der neue Wünschewagen gestaltet die Fahrten bequemer und leichter, denn technisch ist dieser anders ausgerichtet. Benjamin Egger, Vizepräsident des Weißen Kreuzes fügt hinzu: „Der neue Wünschewagen vereint eine ganze Reihe von Vorteilen. Einer davon ist vor allem das Platzangebot.“ Im Zuge der Anschaffung war es ein großes Anliegen, im neuen Fahrzeug mehr Sitzmöglichkeiten einzuplanen, um zu vermeiden, dass Familienangehörige und Freunde mit dem Privatfahrzeug den Wagen begleiten müssen.

  • Das Team: über 80 Freiwillige ermöglichen den Kranken ihren letzen Wunsch. Foto: Wünschewagen

    Zudem ist das Fahrzeug wesentlich besser geeignet, um bestimmte abgelegene Wunschorte zu erreichen. „Das neue Fahrzeug ist eine optimale Ergänzung, da es vor allem die kürzeren Fahrten innerhalb der Landesgrenzen abdecken kann.“ Ein weiterer Unterschied für die Fahrgäste ist, dass der Transport im eigenen Rollstuhl möglich ist. „Das ist für viele besonders wichtig, da der Sitzkomfort viel größer ist und es keine umständliche Umlagerung braucht“, erklärt Egger.

     

    „Es ist ein wunderschönes Projekt. Ein Projekt der Solidarität, der Nähe. Ein Projekt tiefer Menschlichkeit.“

     

    Ivo Bonamico, Direktor des Weißen Kreuzes Südtirol, betont die Notwendigkeit der Freiwilligen: „Dieses Projekt kann nur durch sie vorangebracht werden.“ Finanziert wird das Projekt ausschließlich durch Spenden und Trägerorganisationen, wodurch die Fahrten für die Betroffenen kostenlos ermöglicht werden. „Der Ankauf wurde durch zwei großzügige Spender ermöglicht, dem Lions Club Bozen-Laurin und Südtirol hilft“, dankt Bonamico.

    Auch Bischof Ivo Muser spricht den Freiwilligen seinen Dank aus und segnet den Wünschewagen für die zukünftigen Fahrten: „Es ist ein wunderschönes Projekt. Ein Projekt der Solidarität, der Nähe. Ein Projekt tiefer Menschlichkeit. Der Segen gilt letztlich nicht diesem Auto, sondern den Menschen, die es fahren werden, und vor allem den Menschen, für die es gedacht ist.“

  • Unter die Haut

    Waltraud Nössing: „Wir sehen die Person nicht als Patient, sondern als einen Fahrgast.“ Foto: SALTO

    Waltraud Nössing, Freiwillige Mitarbeitern beim Projekt Wünschewagen”, berichtet über ihre Erfahrungen als Teil des Projekts Wünschewagen. 

    „Bereits als Jugendliche wollte ich Krankenschwester werden. Da ich zuhause eine der Ältesten war und dort arbeiten musste, wurde es mir aber immer verweigert. Aber es hat dennoch weiterhin in mir gebrodelt. Sobald ich gefragt wurde, welchen Beruf ich ausübe, kamen mir die Tränen. Ich konnte nie das tun, was ich eigentlich wollte. Das war für mich sehr emotional.“ Nachdem Nössing jahrelang ihre Eltern gepflegt hatte, arbeitete sie mit 65 Jahren schließlich mit einer Psychologin ihre Vergangenheit auf und lernte damit umzugehen. 

    Bereits vor der Covid-19 Pandemie hatte sie einen Bericht über den Wünschewagen gelesen, allerdings gab es zu diesem Zeitpunkt noch eine Altersbeschränkung. „Da dachte ich, dass ich schon wieder zu alt dafür sei“, bedauert Nössing. Nach Corona wurde diese Altersgrenze aufgehoben, wodurch Nössing ein Mitglied werden konnte und mittlerweile seit drei Jahren dabei ist und circa 15 Fahrten begleitet hat. „Inzwischen werde ich Anfang des Jahres 74 und mir geht es immer noch gut! Ich bin so glücklich dabei zu sein und ich glaube, die Fahrgäste, die ich begleiten darf, sind es auch.“

     

    Wir sehen die Person nicht als Patient, sondern als Fahrgast.“

     

    Die Fahrten werden so organisiert, dass ein Fahrer und zwei Mitfahrende im Fahrzeug sind. In besonderen Fällen braucht es eine Krankenschwester, ansonsten genügt auch eine Begleitperson, welche sich auskennt. „Wir sehen die Person nicht als Patient, sondern als Fahrgast. Wir holen sie ab und bringen sie zu ihrem gewünschten Ziel“,erklärt Nössing, „Meistens sind es Wünsche zu wichtigen Orten ihres Lebens. Ein Hof, auf dem sie gearbeitet haben, ein See, wo sie das Wasser rauschen hören können oder der Besuch bei Verwandten. Ebenfalls auf der Wunschliste stehen Erlebnisse, wie nochmals Teil einer schönen Feier zu sein, Hochzeiten von Nichten oder Enkeln.“ Die Wünsche sind so unterschiedlich wie die Menschen selbstIn manchen Fällen versammelt sich das halbe Dorf zum Empfang des Wünschewagens. Um der Familie etwas Privatsphäre zu gewähren, ziehen sich die Begleitpersonen etwas zurück. Nach dem Aufenthalt, der von einigen Stunden bis zu drei Tagen dauern kann, wird der Gast wieder zurück in seine Unterkunft gebracht.

     

    „Sie wollen diesen einen Ort unbedingt noch sehen und schöpfen daraus Kraft.“

     

    Auch für die Helfer ist es nicht immer eine einfache Aufgabe. „Anfangs ist man sehr aufgeregt, aber man gewöhnt sich daran. Ich hatte als Fahrgäste meist ältere Personen, die sich schon mit dem Tod auseinandersetzen mussten. Ich selbst habe meine Eltern viele Jahre lang gepflegt. Dadurch wurde es für mich einfacher, mich mit dem Thema Tod zu beschäftigen und mittlerweile habe ich keine Angst mehr davor. So geht es den Fahrgästen wahrscheinlich auch. Sie wollen diesen einen Ort unbedingt noch sehen und schöpfen daraus Kraft. Oft passiert es, dass sie kurz darauf sterben. Die Last fällt ihnen von den Schultern und sie werden ruhiger“, erzählt NössingMit jüngeren Personen sei es nochmal etwas anderes. „Ich selbst hatte noch nie ein Kind als Fahrgast, aber jüngere Menschen zu begleiten, wo man weiß, dass es keine Hilfe mehr gibt, ist sehr tragisch. Das geht einem unter die Haut.“

Ein sehr schönes Projekt das ich gut kenne. Komplimente und Danke an alle!
Ein zweites Fahrzeug weil die Anfrage steigt. Es gibt immer mehr Tumor-Kranke, immer mehr jüngere Kranke, immer mehr Palliativpatienten. Es wäre interessant wenn man mit der gleichen Kraft der Corona-Pandemie über die Ursachen und Prävention dieser Tumor-Pandemie sprechen würde!

Di., 06.08.2024 - 18:07 Permalink