"Weiteres Bestehen nach Möglichkeit anzustreben"
Es ist so manches untypisch beim Kampf um den Erhalt des Schotterwerks Langweg im Höhlensteintal. Ein Werk, das laut gängigen Vorstellungen laut, staubig und die Umwelt beeinträchtigend ist; ein Standort, der unter gleich drei Schutzbestimmungen fällt – jene des Naturparks Drei Zinnen, der Natura-2000-Gebiete sowie des UNESCO-Weltnaturerbes. Ein klassisches Setting für den Kampf von Wirtschaftslobbies gegen Umweltschützer. Doch wer sich in Toblach Gefechte à la Sexten erwartet, wird bitter enttäuscht. Denn Bürgermeister Guido Bocher hat beide Bürgerlisten im Gemeinderat und die Südtiroler Volkspartei hinter sich, wenn er den zivilschutztechnischen Nutzen der lokalen Schotterverarbeitung hervorhebt. "Dieses Schotterwerk ist für unsere Gegend sehr wichtig, weil es die Straßen von all dem Material freiräumt, das regelmäßig über Erdrutsche und Muren herunterkommt", lautet eines seiner Argumente. Drei Mal hat sich der Tobalcher Gemeinderat bereits einstimmig für den Erhalt des Werkes ausgesprochen. Rund 500 Unterschriften konnten von einer Bürgerinitiative in nur kurzer Zeit zusammengetragen werden – und die Unterschriftenaktion geht noch weiter.
Der wahre Gegner der Schottergruben-Befürworter sitzt also nicht im Pustertal, sondern in Bozen. Gemeinde gegen Land, lautet die Aufstellung in diesem Spiel. Oder, angesichts der zugespitzten Ausgangslage noch besser: Peripherie gegen Zentrum. Denn dort hat man „nach 40 Jahren ohne Klage“ nicht nur das Bezirks-Krankenhaus in Innichen beschnitten, wie Gemeindereferent Christian Furtschegger meint, wenn er in Zusammenhang mit der aktuellen Auseinandersetzung von „einem gewissen Déjà-vu“ spricht. In Bozen wird wie berichtet auch daran festgehalten, ein vom Naturschutzgesetz 2010 vorgegebenes Verbot von Schotterabbau innerhalb der Naturpark-Grenzen umzusetzen. Sprich: die Konzession, die bereits seit den 1960ern von der Firma Castagna gehalten wurde, wurde nicht mehr verlängert. Ein Familienunternehmen mit zehn Arbeitsplätzen steht damit vor dem Aus. „Wir können unsere Gesetze nicht einfach ignorieren und so tun als ob nichts wäre“, begründete der zuständige Landesrat Richard Theiner die Vorgehensweise erst am Freitag gegenüber dem Corriere dell’Alto Adige. „Man wusste seit zehn Jahren, dass das Unternehmen geschlossen werden würde. Da hätte man sich schon vorher zu Wort melden müssen.“
Wärmste Empfehlung aus dem Landesamt
Doch im Gegensatz zum Toblacher Bürgermeister hat der Landesrat keinen einstimmigen Chor hinter sich. Der Grüne Landtagsabgeordnete Riccardo dello Sbarba ist in diesem Fall zwar auf seiner Seite, dafür schert SVP-Abgeordneter Albert Wurzer mit seiner Unterstützung der Toblacher aus. Doch auch bei den Landesämtern selbst gibt es widersprüchliche Meinungen, wie ein salto vorliegendes Gutachten des Amtes für Wildbach- und Lawinenverbauung Ost zeigt. Darin legt Amtsdirektor Sandro Gius gemeinsam mit dem Forstinspektorat Welsberg ein starkes Wort für die Aufrechterhaltung der Schotterverarbeitung ein. Auch wenn man sich der Unantastbarkeit der dreifachen Schutzkategorie sehr wohl bewusst sei, sei "ein weiteres Bestehen der Schottergrube Langweg als Verarbeitungsbetrieb sehr sinnvoll und nach Möglichkeit anzustreben", heißt es darin unter anderem.
Als Begründung dafür wird unter anderem das Argument von Bürgermeister Bocher geteilt: die vielbefahrene Straße nach Auronzo und Cortina. „Für den Schutz derartiger Infrastrukturen stellt die EU normalerweise erkleckliche Geldsummen zur Verfügung“, heißt es, „was hier durch die gute interne Organisation und idealen Standort der Firma Castagna noch nie in Anspruch genommen werden musste.“ Auch im Fall von Umweltereignissen könne auf Vermurungen sofort reagiert werden – auch weil die Firma Castagna ihre Räumungsfahrzeuge quasi vor Ort hat. Noch deutlicher wird der Amtsdirektor in folgendem Absatz:
„Der Wegfall langer Abtransportdistanzen des periodisch anfallenden Schottermaterials wirkt sich positiv auf den Kostenfaktor, aber auch auf die Störung der Bevölkerung aus. Dies bewirkt die in Südtirol wohl einmalige Situation, dass sich die ansässige Bevölkerung für den Erhalt eines schotterverarbeitenden Betriebes ausspricht. Vom Erhalt wertvoller Arbeitsplätze ganz zu schweigen.“
Als Lösung im Sinne der Schutzkategorien wird in dem Gutachten auch ein Alternativstandort für die Schotterverarbeitung angedacht. Doch offenbar hat man sich im Ressort Theiner auch von solchen Argumenten nicht überzeugen lassen. Noch nicht. Denn an Entschlossenheit scheint es auch diesmal nicht zu fehlen in der Peripherie.