Wohl ist die Welt so groß und weit
Der Margreider schrieb das uns allen bekannte „Bozner Bergsteigerlied“ im Jahr 1926. Ein durchwegs unpolitisches Lied, entstanden in Zeit faschistischer Unterdrückung.
Wohl ist die Welt so groß und weit und voller Sonnenschein,
das allerschönste Stück davon ist doch die Heimat mein.
Dort wo aus schmaler Felsenkluft der Eisack springt heraus,
von Sigmundskron der Etsch entlang bis zur Salurnerklaus.
Heidi, heidi, heido, heida,…
Eine Strophe ist dem Frühling gewidmet:
Im Frühling, wenn’s im Tal entlang aus allen Knospen sprießt,
wenn auf dem Schlern am Sonnenhang der Winterschnee zerfließt,
da fühl ein eigen Sehnen ich und halt es nicht mehr aus,
es ruft so laut die Heimat mich, ich wandre froh hinaus.
Im März 1938 aber war ein anderer Frühling angesagt. Da klangen die Worte von Karl Felderer ziemlich anders:
März 1938
Es war noch tiefe Winternacht,
Die Welt war kalt und tot,
Da spürt man so mit voller Macht,
Der Heimat schwere Not.
Kein Hoffnungsstern am Himmel stand,
Kein Licht, kein heller Schein,
Wer hilft dir, armes Heimatland?
Es wird wohl niemand sein.
Es war noch kalte Winternacht,
Die Welt war kalt und tot,
Da wird im Norden in heller Pracht
Der Himmel feuerrot.
Und alles schaut das Himmelssymbol –
Und jeder ergriffen schweigt,
Da hat uns der Herrgott im Südtirol,
Wieder das Nordlicht gezeigt.
Der Winter ist um – der Schnee zerrinnt,
Der Apfelbaum blüht – der Frühling beginnt,
Bald läuten die Glocken das Osterfest ein,
Und Auferstehung wird wieder sein.
Dann schauen wir dankbar zum Herrgott auf,
Verzagen nicht und bauen darauf,
Die Frauen, die Kinder, die Männer,
Denn heute steht Deutschland am Brenner.
So empfing Karl Felderer Hitler und den Anschluss Österreichs 1938.
Der Winter in diesem Gedicht steht für den Faschismus – nachvollziehbar, ist die kulturelle Unterdrückung ja unbestritten. Aber wer rettet Südtirol daraus? Deutschland, Hitler also. Im Gedicht Felderers ist es Gott höchstpersönlich, der, pünktlich zu Ostern, die Rettung aus dem Norden schickt. Eine Auferstehung kündigt sich an, zusammen mit Apfelblüte und Nordlicht: der Nationalsozialismus in Deutschland. Ihm gebührt Begrüßung und Verherrlichung zugleich (bzw. Vergöttlichung) zugleich.
Zur Erinnerung: Auch das berühmte Optantengedicht, Pendant zu dem später geschriebenen Dableibergedicht Hans Egarters, stammt von Karl Felderer:
So reißet vom sonnigen Erker
Die letzte brennende Lieb;
Die Treue zu Deutschland war stärker,
Das Heiligste was uns blieb.
Wir nehmen sie mit im Herzen,
Für and’re dereinst Symbol,
Sie stille des Heimweh’s Schmerzen:
Leb wohl du, mein Südtirol!
Auch hier wieder die Verbindung, typisch für die Südtiroler Literatur, von Christenum und NS-Angehörigkeit.
Karl Felderer hat 1978 die Verdienstmedaille des Landes Tirol erhalten. Er war Ehrenmitglied der Schützenkompanie Margreid. An seinem Geburtshaus ist eine Tafel angebracht. Vor allem aber ist sein Bozner Bergsteigerlied zur inoffiziellen Südtiroler Landeshymne, zumindest aber DAS Heimatlied geworden. Auf der Homepage der Gemeinde Margreid wird er folgendermaßen gewürdigt:
Tirol war stets die Mitte und der Inhalt seines Denkens auf einem durch die Wandlungen der Verhältnisse verschlungenen Weg, der ihm nicht immer leicht war. Doch er bleibe stets, was er war und tat, was er für rechtens und richtig hielt. Durch seine Aufrichtigkeit und als Dichter des weltweit wirkenden Südtiroler Heimatliedes wurde er zum Symbol, ja zur legendären Leitfigur der Heimatliebe.
Ich wünsche mir, dass auch über Karl Felderer diskutiert wird. Und dass beim Singen des „Südtiroler Heimatliedes“ in Zukunft das Bewusstsein darüber besteht, was „Heimatliebe“ in unserem Land einmal geheißen hat. Auch das gehört zu unserer Südtiroler Identität.